Mein Senf zum IT-Gipfel

Derzeit findet ja der IT-Gipfel in Stuttgart statt und da Heise Online so schön ausführlich darüber berichtet muss ich einfach auch mal meinen Senf dazu abgeben. Fangen wir an mit unserem neuen Innenminister Thomas de Maizère, der einen Dialog des Vertrauens schaffen will. Dabei soll der Staat eine „wichtige Rolle“ spielen, insbesondere in Sachen Kommunikation:

Natürlich dürfe es auch private Initiativen oder Absprachen von Bürgern untereinander geben, aber eine „sichere Kommunikation komplett privat“ in der Hand einer Firma könne es nicht geben.

Na, da wird er aber einen mächtigen Rüffel vom Koalitionspartner FDP bekommen, denn natürlich ist das Internet nicht in der Hand einer Firma, sondern der Markt regelt das. Beim Telefonieren will ja auch keiner mehr die Bundespost und das FTZ zurückhaben.

Wirtschaftsminister Brüderle hingegen will, dass die IT-Firmen „Gas geben“ damit sei nicht von anderen überholt werden. Und statt neue „Leuchtturmprojekte“ vorzustellen hat man nun Erfolge aus anderen Projekten vozuweisen:

Als ein erstes konkretes Ergebnis aus einem der Leuchtturmprojekte lobten Brüderle, Scheer und SAP-Vorstandssprecher Leo Apotheker Theseus. In einer Kooperation mit Nokia hat SAP dabei den ersten kommerziellen Dienst zur Schnellerkennung von Produktpiraterie gestartet. „Das Auslesen eines Barcodes mit dem Handy genügt zur Feststellung einer Verletzung“, sagte Apotheker.

Ach sieh da. Es geht mal wieder in Richtung geistiges Eigentum und Produktpiraterie. Und mein beschränkter Verstand versteht auch nicht, wieso Produktpiraten dann auf ihre Plagiate einen Barcode pappen der aussagt „Ich bin kein Original“.

Dafür entblödet sich der Microsoft Deutschland Chef und setzt sich für das Websperren-Gesetz ein. Das ist so blöd, da spar ich mir doch jeden Kommentar.

Unsere Kanzlerin musste natürlich auch ihre Unwissenheit präsentieren und der IT-Branche danken:

Das vierte Gipfeltreffen, das die Bundesregierung zusammen mit dem IT-Verband Bitkom veranstaltet, ist eine seriöse Veranstaltung der Schlips- und Jackett-Träger.

Ja, Kleider machen Leute. Da mag ich nur dezent dran erinnern, dass die Schlips- und Jackett-Träger aus der Finanzwirtschaft an der aktuellen Krise wohl nicht ganz unschuldig sind und es daher eine Lachnummer ist, seriös mit Schlips und Jackett gleichzusetzen.

Die Welt der Start-ups und der sozialen Netzwerke hat sich nicht eingefunden, sieht man vom künstlichen Rotschopf Sascha Lobos ab…

An dieser Stelle kann ich nur auf Fefes Blog verweisen:

Ich war ja zu diesem IT-Gipfel eingeladen dieses Jahr, aber die Einladung kam erst zwei Wochen, bevor das losging (in Stuttgart!?), und sah wie Spam aus (HTML-only-Mails werden eh raussortiert bei mir), daher bin ich nicht hingegangen.

Ja liebe Gipfeltreffen-Organisatoren, Medienkompetenz zahlt sich aus.

Besonders lustig war dann auch die Meldung, dass die Bundesregierung eine Zentrale gegen Bot-Netze plane:

Dem gemeinsam vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und dem Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco) entwickelten Konzept zufolge hätten Internetzugangsanbieter (ISPs) längst die technische Möglichkeit, vireninfizierte Rechner bei ihren Kunden durch Analyse des Netzwerkverkehrs auszumachen.

Und was ist, wenn ich meinen Neztwerkverkehr gar nicht überwacht haben will? Ganz abgesehen davon, dass dies ziemlich dick aufgetragen ist, denn die Möglichkeiten, wie man Bots aus der Ferne steuern kann sind ja sehr groß. Viel zu groß um das alles mit einer Echtzeit-Traffic-Analyse zu erschlagen.

Aber klar, Widerstand ist zwecklos:

Vor der Umsetzung des Vorhabens soll jedoch noch geklärt werden, mit welchen Sanktionen Kunden rechnen müssen, die eine Zusammenarbeit mit den jeweiligen Internetdienstleistern verweigern.

Ganz scöhn dick aufgetragen. Nett ist auch dieser weichspülende Absatz:

Besser wäre es also, Anwender, die bislang an der Umsetzung von Sicherungsmaßnahmen auf ihrem PC gescheitert sind, vom Sinn der Aktion zu überzeugen und die Filtermaßnahmen von ihnen explizit gestatten zu lassen.

Da halte ich einfach mal mit „The six dumbest ideas in computer security“ dagegen und bin gespannt, wie die Spezialisten vom IT-Gipfel diese Argumente entkräften wollen.

Aber die Stoßrichtung ist klar, wenn man den letzten Artikel bei Heise liest. Hans Joachim Otto, parlamentarischer Staatsekretär im Wirtschaftsministerium schlägt hier eine „zwei Strikes“-Regelung vor:

Nicht eine Behörde, sondern die Internet Service Provider selbst sollten Kunden, bei denen sie urheberrechtswidrige Aktivitäten feststellen, zweimal mahnen.

Also sollen die ISPs die Blockwarte werden und klar, dank der Initiative gegen die Bot-Netze sollen sie ja eh den Traffic total überwachen. Und natürlich sollen die Provider bei wiederholten Auffälligkeiten dann auch petzen:

Nutzt dies nichts, dann soll laut Otto ein Bericht des Providers an ein eigens geschaffenes Gremium übersandt werden. Wie dieses zusammengesetzt sein soll und welche weiteren Schritte dann folgen, dazu lieferte Otto noch keine Details.

Ich sehe es förmlich vor mir, wie man dann dank der Denunziation des ISPs vor den Großinquisitor der Medienmafia geladen wird und hoffen kann, dass nach der Hexenverbrennung noch was übrig bleibt.

Natürlich findet Otto seine Idee gut:

Er sieht in der Verschiebung der Verantwortung für die Aufsicht von einer Behörde  wie der französischen Hadopi zu den Service-Providern selbst offenbar ein Stück mehr „Selbstverantwortung“ der Wirtschaft.

Tja, da fällt mir nur ein, dass damals als in der französischen Revolution diverse Köpfe im Wortsinne rollten man das ja auch als „ein Stück mehr Selbstverantworung des Bürgers“ ansehen kann.

Mein Fazit: Viel dummes Geblubber von schlipstragenden Jackett-Trägern die das Intenet nicht verstanden haben und eine Menge Beifall von den Firmen und Verbänden, die hoffen, mit den neuen Projekten wieder ähnliche „Erfolgsstories“ wie bei der LKW-Maut schreiben zu können. Sprich: Geld vom Staat für Unsinn zu bekommen, Hauptsache es hat was mit IT zu tun und wurde am IT-Gipfel beschlossen.