Pegida Sutra – die 19 Position von Pegida unter der Lupe

Ich bin ja nun kein Fan von Pegida, ganz im Gegenteil. Und ich freue mich für jeden, der bei den Gegendemos auf die Straße geht und sich für ein buntes Deutschland ausspricht. Nun wurde ich von einer Person pro Pegida gefragt, ob ich denn ihre 19 Positionen gelesen hätte, denn dann müsste ich ja erkennen, dass Pegida „die Guten“ sind oder wie es ein anderer Troll der nebenzu auch pro AfD ist formuliert „das Wahre und Reine“. Nun denn, ich bin eh gerade in Schreiblaune, also sehen wir uns doch mal dieses Pamphlet an und zerlegen es argumentativ.


Ich werde also jede einzelne dieser Thesen in Kursivschrift hier reinschreiben und sie nach bestem Wissen und Gewissen kommentieren. Und ich fürchte es werden lange Kommentare.

1. PEGIDA ist FÜR die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen und politisch oder religiös Verfolgten. Das ist
Menschenpflicht!

Ein sehr lobenswerter Standpunkt, denn in Artikel 16a GG ist ja schon definiert, dass politsch Verfolgte in Deutschland Asyl erhalten. Der argumentative „Nährwert“ dieser Position ist gleich Null, denn natürlich erwarte ich von jedem der hier lebt, dass er sich an die Gesetze hält und vor allem an das was im Grundgesetz definiert ist. Ist also genauso sinnhaltig wie wenn PEGIDA schreiben würde sie sind für die Abschaffung der Todesstrafe die ja schon in GG 102 abgeschafft ist. Und natürlich ist klar, dass ein Verein der sich um die Anerkennung als gemeinnütziger Verein bemüht kaum Dinge schreiben kann die dem Grundgesetz offensichtlich zuwider laufen.

 2. PEGIDA ist FÜR die Aufnahme des Rechtes auf und die Pflicht zur Integration ins Grundgesetz der
Bundesrepublik Deutschland (bis jetzt ist da nur ein Recht auf Asyl verankert)

Zentrale Aussage die bei mir ankommt ist „Recht und Pflicht zur Integration“. So, und da fangen die Probleme schon an, denn die Integration ist ein in meinen Augen ganz natürlicher und selbstverständlicher Prozess der automatisch stattfindet wenn jemand in ein anderes Land oder einen anderen Kulturkreis übersiedelt. Wer also will sich anmaßen, zu definieren wann die Pflicht zur Integration die hier gefordert ist erfüllt wurde? Müssen die Betroffenen ein perfektes Deutsch sprechen? Oder wenn sie hier in Bayern leben wissen was ein Wolpertinger ist? Oder ist es als Verstoß gegen die Integrationspflicht zu sehen, wenn die Migranten dann statt Nürnberger Schweinsbratwürstl doch lieber ihren Döner essen, vor allem weil ihr Glaube ihnen Schweinefleisch verbietet?

Natürlich gibt es bei der Integration Probleme, die man aber dann bitteschön benennen muss und sich Gedanken machen muss wie man sie addressiert. Ein Verweis auf eine abstrakte „Integrationspflicht“ erscheint mir sehr suspekt, denn natürlich wollen sich die zu Integrierenden möglicherweise ein Stück Heimat und Tradition erhalten, was ich für richtig und wichtig halte, auch unter dem Gesichtspunkt der „bunten“ Gesellschaft die eben nicht in ein integratives Einheitsgrau gepresst werden sollte.

 3. PEGIDA ist FÜR dezentrale Unterbringung der Kriegsflüchtlinge und Verfolgten, anstatt in teilweise
menschenunwürdigen Heimen

Großartig. Wer von den PEGIDA-Anhängern hat ein Zimmer frei und stellt es einem Flüchtling zur Verfügung? Wenn PEGIDA etwas gegen die wirklich schlimmen Zustände in Flüchtlingsheimen tun will, dann mögen sie das tun und konstruktive Vorschläge machen, wie denn diese dezentrale Unterbringung aussehen soll. Der bisherige Tenor der PEGIDA-Demos war ja „wir wollen nicht noch mehr Fremde“ und das ist definitiv kein konstruktives Herangehen an die Probleme in Flüchtlingsheimen.

4. PEGIDA ist FÜR einen gesamteuropäischen Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge und eine gerechte Verteilung auf die Schultern aller EU-Mitgliedsstaaten! (Zentrale Erfassungsbehörde für Flüchtlinge, welche dann ähnlich dem innerdeutschen, Königsteiner Schlüssel die Flüchtlinge auf die EU-Mitgliedsstaaten verteilt)

Eine sehr interessante Forderung. Während oben noch nach dezentraler Unterbringung gerufen wurde will man nun zentralisiert die Flüchtlinge erfassen. Und die Frage die mir hier im Kopf rumspukt ist, ob PEGIDA eigentlich tatsächlich weiß was sie da fordern. Denn wären die Flüchtlinge gerecht auf alle EU-Mitgliedsstaaten verteilt, dann würde das massiv Druck von z.B. Italien (wo die meisten Flüchtlinge erst mal landen) nehmen, aber womöglich gar nicht das Flüchtlingskontingent für Deutschland reduzieren. Zusammen mit dem Wissen um die Drittstaatenregelung nach denen wir ja gerne Flüchtlinge die über ein anderes EU-Land einreisen in dieses zurückschicken (was dann wieder den Druck auf Italien erhöht) ist diese Forderung zwar schön hingeschrieben, aber aktuell nicht umsetzbar und eher eine Stammtischparole die ebenfalls nicht mit harten Zahlen unterfüttert ist.

5. PEGIDA ist FÜR eine Senkung des Betreuungsschlüssels für Asylsuchende (Anzahl Flüchtlinge je
Sozialarbeiter/Betreuer – derzeit ca.200:1, faktisch keine Betreuung der teils traumatisierten Menschen)

Eine Forderung die ich durchaus für sinnvoll, aber auch für nicht umsetzbar halte. Haben wir denn genügend Sozialarbeiter/Betreuer um das zu stemmen? Diese Forderung ist aber auch im Zusammenhang mit  dem dritten Punkt zu sehen, denn klar, ein Flüchtlingsheim in einem Stadteil mit 3 Sozialarbeitern bedeutet eben, dass drei Leute sich darum kümmern müssen. Und PEGIDA zeigt hier einen Standpunkt den ich aus 24 Jahren Arbeit als Vorstand in einem Sportverein gut kenne, die „Wir-itis“. Dieses „Wir wollen…“ mit der Implikation „Ich fordere, Du machst“. Da tut man sich mit Forderungen natürlich leicht, wenn man sich keine Gedanken zur Umsetzung machen muss. Man stelle sich nur mal vor, wenn PEGIDA nur 1% ihrer „Aktivisten“ motivieren könnte, aktiv den Flüchtlingen zu helfen um so die Sozialarbeiter zu entlasten wären das bei 15.000 Aktivisten die man in Dresden mobilisieren kann dann 150 ehrenamtliche Helfer. Was könnte man damit bewegen, aber nein, stattdessen hält man lieber Schilder hoch auf denen steht „Wir sind das Volk“.

6. PEGIDA ist FÜR ein Asylantragsverfahren in Anlehnung an das holländische bzw. Schweizer Modell und bis zur Einführung dessen, FÜR eine Aufstockung der Mittel für das BAMF (Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge) um die Verfahrensdauer der Antragstellung und Bearbeitung massiv zu kürzen und eine
schnellere Integration zu ermöglichen!

Oder eine schnellere Abschiebung, ganz im Sinne der CSU? Hier steht eine schöne Forderung, aber es fehlen mir die tatsächlichen Fakten zu den Asylverfahren in Holland und der Schweiz. Für die Schweiz gibt es einen Wikipedia-Eintrag, für Holland finde ich nur eher beunruhigende Schlagzeilen über die Verschärfung des Asylrechtes dort.

7. PEGIDA ist FÜR die Aufstockung der Mittel für die Polizei und GEGEN den Stellenabbau bei selbiger!

Eine durchaus berechtigte Forderung die ich sogar nachvollziehen kann, da auch hier in Augsburg die Stadteilreviere zu Gunsten einer Zentralen Polizeistelle reduziert wurden. Aber ich frage mich was diese Forderung im Kontext zu PEGIDA bedeuten soll. Und natürlich ist diese Forderung kein Alleinstellungsmerkmal von PEGIDA.

8. PEGIDA ist FÜR die Ausschöpfung und Umsetzung der vorhandenen Gesetze zum Thema Asyl und
Abschiebung!

Auch wieder eine relative Nullnummer was den Argumentationsgehalt angeht. Denn natürlich ist unser Staat bereits an die geltende Rechtssprechung gebunden (siehe GG Artikel 20 Abs. 3), diese Forderung fällt also wieder in die Kategorie „Ich fordere dass morgen früh die Nacht vorbei ist“.

9. PEGIDA ist FÜR eine Null-Toleranz-Politik gegenüber straffällig gewordenen Asylbewerbern und Migranten!

So, und was bitte bedeutet „Null-Toleranz“? Wenn der Asylbewerber z.B. beim Supermarkt einen Apfel ohne zu zahlen mitnimmt, was ist dann die Konsequenz aus Null-Toleranz? Schicken wir ihn zurück in sein Heimatland wo sein Leben bedroht ist? Also sozusagen die Vertreibung aus dem Paradies wegen eines Apfels? Null-Toleranz ist ein knackiger Stammtischbegriff, aber hier in meinen Augen absolut deplaziert, denn es geht um Menschen und nicht um Null-Toleranz.

10. PEGIDA ist FÜR den Widerstand gegen eine frauenfeindliche, gewaltbetonte politische Ideologie aber nicht gegen hier lebende, sich integrierende Muslime!

Das ist eine Variante des zweiten Positionspunktes. Und auch hier ist die Frage zustellen, wie „sich integrierende Muslime“ denn zu definieren wären? Und auch „gewaltbetonte politische Ideologie“ ist sehr schwamming formuliert, nach meinem persönlichen Verständnis und nach der Lektüre von Naomi Kleins Buch „Schockstrategie“ könnte man nämlich durchaus das auch auf den Neoliberalismus anwenden.

11. PEGIDA ist FÜR eine Zuwanderung nach dem Vorbild der Schweiz, Australiens, Kanadas oder Südafrikas!

Hier musste ich heftig grinsen, sorry. Südafrika hat wohl den Weg in diese Liste gefunden weil der PEGIDA-Gründer Lutz Bachmann mit diesem Land als Zufluchtsort vor der Strafverfolgung persönliche Erfahrungen hat. Für die Faktenlage ist allerdings anzumerken, dass die Einwanderungspolitik der erwähnten Länder wohl eher die ist „Du bist hier willkommen wenn Du einen Job hast, oder eine Menge Geld mitbringst“. Dinge, die für die Flüchtlinge in Deutschland nicht zutreffen, zumal Asylanten eh die Arbeitsaunfahme verweigert wird. Und ich wage zu bezweifeln, dass vielen PEGIDA-Anhängern bewußt ist, von welchen Zuwanderungsregeln hier gesprochen wird.

12. PEGIDA ist FÜR sexuelle Selbstbestimmung!

Wieder ein Allgemeinplatz der durch geltende Gesetze in Deutschland ausreichend abgedeckt ist. Im Westen also nix Neues. Sie hätten sich hier hervorheben können wenn sie sich z.B. explizit gegen die rituelle Beschneidung von Kindern ausgesprochen hätten. Aber so kann man nur wieder mutmaßen, welches Vorurteil den Zuwanderern hier untergeschoben werden soll.

13. PEGIDA ist FÜR die Erhaltung und den Schutz unserer christlich-jüdisch geprägten Abendlandkultur!

Ja, hier isses endlich, das Abendland das laut Vereinsnamen ja nicht islamisiert werden soll. Aber natürlich ist wieder nicht definiert, welche Kultur hier gemeint ist. Und ich wage auch wieder meine Zweifel anzumelden, ob unsere Kultur tatsächlich so christlich-jüdisch geprägt ist, oder ob wir nicht auch von den Errungenschaften anderer Kulturen (z.B. den arabischen Zahlen) profitieren.

14. PEGIDA ist FÜR die Einführung von Bürgerentscheidungen nach dem Vorbild der Schweiz!

Direkte Demokratie. Eine schöne Forderung von der wir alle wissen, dass sie in unserer parlamentarisch-repräsentativen Demokratie nie umgesetzt werden wird. Und wieder kein Action-Plan wie man dieses hehere Ziel das auch andere politische Gruppierungen verfolgen erreichen kann.

15. PEGIDA ist GEGEN Waffenlieferungen an verfassungsfeindliche, verbotene Organisationen wie z.B. PKK

Der erste GEGEN-Punkt. Ist wohl dem aktuellen Konflikt wegen IS in Syrien und der deutschen Unterstützung der Kurden vor Ort geschuldet, aber auch keine Position die PEGIDA von anderen kritischen Stimmen abhebt.

16. PEGIDA ist GEGEN das Zulassen von Parallelgesellschaften/Parallelgerichte in unserer Mitte, wie Sharia-Gerichte, Sharia-Polizei, Friedensrichter usw.

Ich wüsste nicht, dass nicht, dass wir in Deutschland schon anerkannte Sharia-Gerichte hätten, auch wenn manche Wirrköpfe sich das anmaßen. Andere Wirrköpfe wollen uns mit TTIP Geheimgerichte verpassen, die fehlen aber in obiger Aufzählung oder muss ich sie unter „usw.“ suchen? Dieses Statement ist hochgradig suggestiv und versucht zu vermitteln, dass irgendwer hier „Sharia-Gerichte“ zulassen würde. Das Gegenteil ist der Fall und ich denke, das weiß auch PEGIDA.

17. PEGIDA ist GEGEN dieses wahnwitzige „Gender Mainstreaming“, auch oft „Genderisierung“ genannt, dienahezu schon zwanghafte, politisch korrekte Geschlechtsneutralisierung unserer Sprache!

Yeah, sind wir mal gegen das Gegendere, ist immer eine gute Stammtischparole. Aber echte Substanz oder Überzeugungskraft hat dieser Positionspunkt nicht.

18. PEGIDA ist GEGEN Radikalismus egal ob religiös oder politisch motiviert!

Wer ist das nicht? Allerdings empfehle ich den PEGIDA-Anhängern dringend den Wikipedia-Artikel zum Thema „Radikalismus“. Denn da steht: „Im Sprachgebrauch der Staatsschutzbehörden in der Bundesrepublik Deutschland wurde der bis dahin verwendete Begriff „Radikalismus“ seit 1975 endgültig durch den Begriff „Extremismus“ abgelöst.“ Seit 40 Jahren spricht man also eher vom Extremismus, aber das hat PEGIDA irgendwie verschlafen.

19. PEGIDA ist GEGEN Hassprediger, egal welcher Religion zugehörig!

Auch wieder ein Punkt der nicht exklusiv für PEGIDA steht. Jeder vernünftige Mensch wird sich gegen Hass wenden, wobei Hass nicht von Religionen abhänig ist. Die Erwähnung des Faktors Religion in diesem Statement ist wieder ein unterschwelliges „wir sagen zwar egal, aber Du weißt sicher welchen Iman wir meinen“.

So, das war mein Senf zu den 19 Positionen der PEGIDA, die für mich argumentativ auf einem Niveau sind das für einfach gestrickte Leute durchaus wie ein solides Argumentationspapier aussieht, bei näherer Betrachtung aber zu einer Sammlung von Allgemeinplätzen, Null-Argumenten und fehlenden Lösungen zerfällt.

Nebenbei bemerkt ist nirgendwo der Begriff PEGIDA erläutert, hier werden sie es schwer haben einen Eintrag als gemmeinnütziger Verein zu bekomnen, denn dazu braucht es mehr als so ein Pamphlet. Und wie aus dem Namen abzuleiten ist geht es „gegen die Islamisierung des Abendlandes“, ein sehr seltsam konstruiertes Drohszenario dem keine real belastbaren Fakten zugrunde liegen und die „Patriotischen Europäer“ könnten möglicherweise auch das Registergericht bei der Eintragung des Vereins sauer aufstoßen.

Tja, jetzt habe ich viel Zeit für diese Analyse des Positionspapiers verwendet, aber wenigstens stelle ich fest, dass meine Einschätzung zu PEGIDA auch nach Lektüre ihres Positionspapiers keine andere ist. Und nun soll mir niemand mehr vorwerfen, ich würde mich nicht damit beschäftigt haben.

P.S.: Ja, der Titel dieses Blog-Posts mag seltsam erscheinen, aber bei Positionspapier könnte man auch an „Kama-Sutra“ denken. 🙂

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Ein Gedanke zu „Pegida Sutra – die 19 Position von Pegida unter der Lupe

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