Wenn Du merkst dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab

Der von mir unlängst verlinkte Brief der 5 Ökonomen schlägt mächtig Wellen. Das Team von Flassbeck Economics muss viele Interviews geben und hat heute auch auf einen selstamen Artikel dazu im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung aufmerksam gemacht.

Der Artikel der SZ ist in der Tat bemerkenswert. Zum einen wird mit Hinweis auf die „umstrittene Organisation“  avaaz.org als Initiator dieses Schreibens offensichtlich versucht, das Schreiben als solches zu diskreditieren.

Was mich jedoch massiv erschüttert ist die im Artikel postulierte These, dass Medien und Wissenschaft politisch keine Partei ergreifen dürfen. Die SZ hat das dann so umrissen:

„Wo das Problem liegt? Es ist die Trennung der außerparlamentarischen Gewalten. Wenn sich Medien und Wissenschaft als Aktivisten verstehen, haben sie ihre gesellschaftliche Rolle verspielt. Die drei Gewalten können sich hervorragend ergänzen. Medien und Wissenschaft dürfen allerdings politisch keine Partei ergreifen. Aktivisten müssen das.“

Ja, natürlich mag man da sagen, Berichterstattung sollte neutral sein und die Wissenschaft sollte keine Politik betreiben sondern eben „Wissen schaffen“. Die SZ postuliert hier also diverse außerparlamentarische Gewalten, nämlich die Medien, die Wissenschaft und die Aktivisten.

In meiner Jugend hat man das noch nicht so differenziert gesehen. Damals gab es eine sogenannte „vierte Gewalt“, nämlich die Medien die kritisch recherchierten und berichteten, wenn die parlamentarischen Gewalten Dinge taten die bedenklich erschienen. Und sowohl Politik als auch Medien bedienten sich bei der Expertise der Wissenschaft um eine relativ ausgewogene Berichterstattung zu ermöglichen bzw. politische Entscheidungen zu treffen. Aktivisten waren eher Randgruppen in diesem Szenario.

Doch wie sieht es heute aus? Nehmen wir mal das aktuelle Beispiel Griechenland her. Unsere Medien sind hier alles andere als „neutral“, ganz im Gegenteil, die Propagandaschleuder feuert mit hoher Frequenz. Diese Woche durfte ich Mittags die Meinung einiger Kollegen zu Griechenland hören die diese studierten Leute offensichtlich aus unseren Medien bezogen haben. Faule Griechen, frühe und hohe Renten, Steuerbetrüger etc. Das ganze Spektrum dessen womit z.b. die Springerpresse seit Jahren hetzt. Und natürlich das monotone Herunterbeten unserer neoliberalen Ideologie welche als „Lösung“ lediglich die Austerität vorsieht.

Damit sind wir wieder beim Titel dieses Blogposts angekommen. Es ist ein altes indianisches Sprichwort:

„Wenn Du merkst dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab“

Manchmal merkt man das aber aus der Position des Reiters vielleicht nicht so ohne weiteres. Da ist es hilfreich, wenn man von jemandem der was von Pferden versteht den Hinweis auf das Ableben des selbigen bekommt. Um dann eben abzusteigen, weil es keinen Sinn hat, ein totes Pferd weiter reiten zu wollen. Man wird damit nirgendwo hinkommen.

Das tote Pferd der neoliberalen Politik der letzten Jahre heißt Austerität. Und die 5 Ökonomen waren so freundlich auf das Problem hinzuweisen, dass man mit diesem Pferd kein Ziel mehr erreichen wird. Weil es eben tot ist.  Da die Politik offensichtlich unfähig oder nicht willens ist sich mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu beschäftigen welche der aktuell favorisierten Ideologie widersprechen muss die Wissenschaft eben auch unkonventionelle Wege beschreiten um eine Pluralität in der Betrachtung des Problems herzustellen und aufzuzeigen, dass die aktuell verwendeten Maßnahmen nicht nur gescheitert sind, sondern dass es auch noch andere mögliche Lösungen gibt, auch wenn diese für die Gläubiger eventuell schmerzhaft sind. Aber auch die griechische Wirtschaft ist in dieser Parabel ein weiteres totes Pferd, wenn die Gläubiger also weiterhin hoffen, dass dieses tote Pferd ihnen irgendwann die Schulden zurückzahlt, dann glauben sie wahrscheinlich auch an Weihnachtsmann und Osterhase.

Es besteht eine kleine Chance, die griechische Wirtschaft wieder zu beleben. Dazu müssen die Reiter aber vom Pferd runter und das Pferd braucht eine ganz andere Therapie als das, was die Ideologen in Brüssel und Berlin seit Jahren ohne jeden Erfolg praktiziert haben.

Und abschließend muss ich feststellen, dass es nach meiner bescheidenen Meinung sogar die Pflicht der Wissenschaft ist sich politisch einzuschalten, nämlich dann wenn sich die Politik den Erkenntnissen der Wissenschaft verweigert. Es wird höchste Zeit, dass wir die ideologischen Scheuklappen ablegen und uns nicht nur auf eine Ideologie versteifen, sondern uns eben mit den unterschiedlichen Betrachtungsweisen und Analysen beschäftigen. Nur dann können wir die Hoffnung haben, eine Lösung für die Probleme die uns betreffen zu finden.

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Ein Gedanke zu „Wenn Du merkst dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab

  1. Zum einen fällt auf, dass Journalisten und Moderatoren mal als getrennte Berufsgattung zu sehen sind.

    Auch wenn man den Eindruck haben könnte, dass Moderatoren etwas verstehen sollten, von dem was sie vortragen, so ist dies für meine Begriffe nicht der Fall. Und wer deren Skripte schreibt und welche fachliche Qualifikation dahinter steht, mag ich nicht beurteilen.

    So erklärt sich auch, dass Herr Flassbeck auf so viel Unwissen gestoßen ist.

    Frage: Ist es heute noch Pflicht, dass nur Journalisten mit Hintergrund- und Fachwissen solche Berichte vorbereiten????? Oder geht das nicht mehr, weil alles immer super schnell verbreitet werden muss?

    Zum anderen, für meine Begriffe sind es gerade die Wissenschaftler, auch mit unterschiedlicher Meinung, die es überhaupt erst möglich machen, dass es zu einer Meinungsbildung kommen kann.

    Wer, wie in der SZ getan, meint, dass diese keine Meinung in die Öffentlichkeit tragen dürfen, der irrt für meine Begriffe.

    Die 4. „Gewalt“ (ich kenne aus dem Politikunterricht ja eigentlich nur die politische Gewaltenteilung Legislative / Exekutive / Judikative 💡 ) wäre eine unabhängige Berichterstattung, die sich weitläufig informiert und nicht nur „runterbetet“, was wer anderes von sich gegeben hat.

    Dazu ist aber auch Weltoffenheit und Fachwissen von Nöten.

    DIES vermisse ich seit Jahren in den Medien!

    Denn jeder Journalist kann zu allem etwas schreiben, ohne auch nur zu wissen, was sich hinter all den beliebten und viel verwendeten Fachbegriffen versteckt.

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