Ersatzteillager

Nicht nur, dass man den Menschen die von Hartz IV leben müssen mit der gigantischen Erhöhung um 5 Euro jetzt und 3 Euro im nächsten Jahr die lange Nase zeigt und sie sozusagen am ausgestrecken Arm verhungern lässt, jetzt hat ein Volkswirtschaftler eine grandiose Idee gehabt wie solche Leute ihr Einkommen dennoch aufbessern können: Man verkauft einfach seine Organe, vieles ist ja redundant vorhanden und da kann man schon auf eines von zwei Organen verzichten. Der Prof. Oberender sagte in einem Interview mit Deutschlandradio Kultur:

„Wenn jemand existenziell bedroht ist, weil er nicht genug Geld hat, um den Lebensunterhalt seiner Familie zu finanzieren, muss er meiner Meinung nach die Möglichkeit zu einem geregelten Verkauf von Organen haben.“

Wie ekelhaft pervers ist das denn bitteschön. Hartz IV Empfänger werden mit so einer Äußerung zum menschlichen Ersatzteillager degradiert und der Herr Professor möge sich doch mal bei den Kollegen der juristischen Fakultät erkundigen wie das mit der in GG Artikel 1 verbrieften Unantastbarkeit der Menschenwürde vereinbar ist. So seine Kollegen Zeit haben und nicht über die Täuschungsabsicht ihres Lieblingsdoktoranden debattieren müssen, denn der Herr Professor kommt von der Elite-Universität in Bayreuth.

Wobei ich sogar darauf wetten würde, dass wenn dieser perverse Vorschlag jemals umgesetzt würde dann die Erlöse für die Organe auf den Regelsatz angerechnet werden würden. So wie gehabt, kriegste was extra sinkt gleich die Transferleistung weil Du sollst ja nicht auf die Idee kommen, Dich aus dem Sumpf herausziehen zu können.

Schade dass es noch nicht gelungen ist Hirn zu verpflanzen, denn wenn ich solche Vorschläge lese, dann denke ich, dass einige Mitglieder der Elite hier dringenden Bedarf hätten.

(via manomama auf Twitter)

#twoff

Das ist die Bezeichnung die manche Leute auf Twitter benutzen um zu signalisieren, dass sie jetzt „offline“ gehen. Einen #twoff der besonderen Art gab es am vergangenen Wochenende als ich vom BlackBerry aus twittern wollte und nur ein „Forbidden“ bekam.  Ich hatte nämlich den UberTwitter-Client auf meinem Smartphone installiert und der ist bei Twitter wegen angeblicher Policy-Verstöße in Ungnade gefallen.

Twitter als der der Hausherr hat also dem aufstrebenden Konkurrenten gezeigt wo der Hammer hängt. Aber es hat einen sehr bitteren Beigeschmack, diese Geschichte, denn für mich als User war nicht nachvollziehbar warum UberTwitter als „böse“ eingestuft wurde, Twitter agierte hier sozusagen als Richter und Henker in einem.

Ubertwitter heißt jetzt UberSocial und wartet wohl noch auf den Segen von Twitter. Besonders lustig ist, dass zeitgleich Ubertwitter im Blackberry Appstore als „featured app“ beworben wird, was man dann runterlädt ist aber weiterhin die verpönte UberTwitter-App.

Wobei mir diese durchaus besser gefällt als die offizielle Twitter-App für den Blackberry. UberSocial (um den neuen Namen zu nutzen) zeigt nämlich z.B. bei Profilen von Usern an ob Dir dieser User folgt oder nicht und kann wohl auch mehrere Twitter-Accounts verwalten. Außerdem gibt es Sonderfunktionen für Hashtags und beim Retweeten kann man noch selber was zufügen.

Jetzt bin ich halt wieder auf die offizielle App zurück und werde hin und wieder sehen, wie der Status von UberSocial ist. Zwei Twitter Apps auf dem Smartphone braucht kein Mensch, aber eine die nach Belieben abgeklemmt werden kann eigentlich auch nicht.

Links für 2011-02-19

Zur Abwechslung mal wieder ein paar Links auf interessante Artikel im Internet.

A notice to the comment spammers

Folks, this blog is mostly german and its a bit funny if I find comments like „great site, I will come back“ under photos or long german articles. If you’re able to read German you should be able to write a german comment too. 🙂 If you write a comment then write something with „content“ that contributes to the discussion. I’m not the German minister of defense so I don’t need to polish my ego. Thank you.

Der Lack ist ab

Eines der Themen dieser Tage ist unser Herr Verteidiungsminister und die Zitierfehler bei seiner Dissertation. 475 Seiten hat diese Doktorarbeit und laut aktueller Statistik auf dem Guttenplag-Wiki wurden bislang auf 255 Seiten (64,89 %) Plagiate gefunden.

Es ist beschämend für den Bildungsstandort Deutschland, dass dieser selbstinszenierte Geck für so ein Pamphlet auch noch die Auszeichnung „summa cum laude“ bekommt. Da drängt sich förmlich der Gedanke auf, ob denn diese Arbeit nicht sorgfältig geprüft wurde.

Guttenberg hat in einer Privataudienz vor ausgewählten Journalisten verlauten lassen, dass ihm vielleicht der eine oder andere Fehler unterlaufen wäre und er das ja in einer Neuauflage ausbügeln könnte. Zeitgleich fand die Bundespressekonferenz statt und die Journalisten dort waren sehr erfreut über die Informationspolitik des Herrn Verteidigungsministers:

Nun will Guttenberg also seinen Doktortitel ruhen lassen. Als ob der Doktortitel ein Ding wäre das man auch mal in die Ecke legt oder nicht. Ich selber habe ja „nur“ ein Diplom und als ich damals meine Diplomarbeit geschrieben habe gab es noch kein Internet und kein einfaches Copy&Paste. Aber selbst wenn hätte ich mich geschämt wenn ich nur abgekupfert hätte statt selbst etwas zu fromulieren. Und einer meiner gelegentlichen Alpträume basiert auf demSatz „Die Fachhochschule Augsburg verleiht Rainer König den akademischen Grad Diplom-Informatiker (FH)“ der meine Diplomurkunde ziert.  Dieses dämliche „verleiht“ führt in meinen Alpträumen nämlich zu dem Szenario, dass die den Titel wiederhaben wollen was mich im Traum dann mächtig unter Streß setzt.

Guttenbergs Tiitel wird hoffentlich eingezogen. Natürlich könnte man „in dubio pro reo“ sagen, aber die Beweislage scheint erdrückend zu sein. Und wenn 65% seiner Zitate mit Fehlern behaftet sind, dann ist so was nicht mehr „unabsichtlich passiert“ oder „durchgerutscht“, das kann man nicht mehr mit bodenloser Schlamperei erklären sondern muss auf Vorsatz tippen. So er denn diese Arbeit tatsächlich selbst erstellt hat und nicht einen Ghostwriter damit beauftragt hat.

Die Uni Bayreuth hat jetzt den Skandal an der Backe. Und das deutsche Bildungsystem sowieso.

Auf Kollisionskurs mit der Pressefreiheit

befindet sich – ratet mal wer- unsere allseits geschätzte Union. Die ist nämlich ein wenig angefressen, dass sie in Fernsehsendungen wie „Frontal 21“ nicht so gut wegkommt und hat deswegen eine Ermahnung des Politikmagazins durchgesetzt. Es wird bemängelt, dass die Berichterstattung des Magazins nicht „ausgewogen“ sei und zudem „tendenziös“.

Liebe Unionspolitiker, wenn ich mir eine Sendung mit dem Titel „Frontal 21“ ansehe, dann ist meine ganz persönliche Erwartungshaltung, dass diese Sendung mich über Mißstände und Schwachstellen in unserem System informiert. Ja, der Schlüsselbegriff ist „informiert“, denn natürlich fantasieren die Journalisten für die Sendung nicht irgendwelche Märchen aus tausendundeiner Nacht zusammen sonden berichten über die Bundespolitik. Wenn es der Berichterstattung an Ausgewogenheit fehlt, dann würde ich die Ursache vielleicht auch darin sehen, dass es eben auch der Bundespolitik an Ausgewogenheit mangelt und die Damen und Herren in der Poltik halt mal anstrengen müssten um nicht soviel Mist zu produzieren. Was ihr da gerade tut ist das Hinrichten des Überbringers der schlechten Nachricht.

Von Lenny nach Squeeze

Letztes Wochenende wurde das lange erwartete Debian 6.0 (Squeeze) freigegeben. Da habe ich mir dann am Montag gesagt „no risk, no fun“ und auf meinem Bürorechner einfach mal das Upgrade gestartet.

Los gehts

Der Bürorechner ist eine kleine Workstation und tut seit Etch seinen Dienst. Als vor zwei Jahren Lenny rauskam habe ich ihn auf Lenny hochgezogen und nun war das Upgrade auf Squeeze fällig. Also erst mal die /etc/apt/sources.list umgestellt und statt Lenny überall Squeeze eingetragen. Das „aptitude safe-upgrade“ brauchte dann erst mal einige Minuten um zu entscheiden, welche Pakete alles hochgezogen werden müssen. Dann der Download der zahlreichen Pakete der sich über einige Zeit erstreckte. Zum Glück kann man ja auch bei einem solchen Upgrade problemlos weiterarbeiten, das ist was wovon die Kollegen mit Windows-Rechnern die beim Starten öfter mal eine Gedenkminute einlegen für Updates nur träumen können. Das „safe-upgrade“ hat natürlich etliche Pakete zurückgehalten die ich dann in einem zweiten Anlauf mit „aptitude dist-upgrade“ dann aktualisiert habe.

Dist-Upgrade

Hier kam dann auch gleich die erste Situation die mich ins Schwitzen brachte. Im Zuge des Updates wird der Bootloader Grub durch Grub2 ersetzt und das erfordert, dass die Einstellungen von Grub ins neue Grub2 übernommen werden. Man erhält einen Dialog der sagt, man möge nun überprüfen ob die importierte Kernel-Befehlszeile richtig ist und sie gegebenenfalls anpassen und als Zeile sieht man eine Leerzeile. Was bitteschön soll da stehen? Selbst ich als Profi komme da ins Grübeln was mir dieser Dialog mitteilen will, also Augen zu und durch, einfach mik „OK“ weiter und sehen was passieren wird. Diese Phase dauerte auch nochmal ein paar Stunden und nach dem Essen kam dann der erste Reboot mit dem neuen 2.6.32-Kernel.

Reboot

Der Reboot brachte dann erst mal wieder den alten Grub der danach dann den neuen Grub per Chainloader nachlud. Von da aus dann in den neuen Kernel, denn einen alten Kernel konnte ich in den Grub-Menüs dank nicht funktionierender Cursortasten gar nicht auswählen. Dieses Problem hatte seine Ursache in der USB-Tastatur die im BIOS nicht als „legacy“-enabled eingestellt war, setzt man das im BIOS richtig, dann funktionieren auch die Tasten im Bootloader.

Die erste Ernüchterung kam dann beim Start, denn der X-Server wollte nicht starten, obwohl das nvidia-Kernel-Modul und der glx-Treiber installiert waren. Den Grund fand ich dann im Syslog, denn Squeeze aktualisiert auf die 195er-Version des Treibers und der ist für meine alte Quadro-FX1300 zu neu, da braucht es die ebenfalls als Paket vorhandene Version 173xx, die ja auch bei Lenny eingesetzt war. Nachdem diese Version installiert war funktionierte der X-Server auch und das erste was ich bemerkte war, dass KDE4 mit „nur einem Gigabyte RAM“ nicht wirklich Spaß macht. Aber es war Zeit für den Feierabend und den Vorsatz, am nächsten Morgen erst mal den Speicher aufzurüsten.

KDE4 oder Gnome

Am nächsten Morgen bekam die Kiste dann erst mal 4 GB RAM verpasst und damit lässt es sich ganz gut arbeiten. Jetzt ging es an die Applikationen, geht noch alles was vorher ging. Der erste Kandidat war der Pdigin, das Instant Messaging Programm aus Gnome. Das hatte ich unter Lenny selbst gebaut weil ich da das damals nicht vorhandene SIPE-Plugin brauchte um den in der Firma verwendeten Office-Communicator von Microsoft als Server nutzen zu können. Nun liefert Squeeze das ja mit, nur wollte diese Version nicht richtig funktionieren weil er wohl beim Start eine veraltete Library (nämlich die selbstgebaute in /usr/local/lib)  nutzen wollte. Also mal kurz den Pfad raus und ldconfig aufgerufen und schon startete Pidgin wenigstens, behauptete aber, auf eine Verbindung zu warten. Die Ursache für dieses Verhalten liegt darin, dass meine Kiste mit festen IP-Adressen in /etc/network/interfaces versorgt wird, aber das Upgrade trotzdem irgendwie den NetworkManager angezogen hat. Und wenn NetworkManager läuft, dann will das neue Pidgin wohl offensichtlich unbedingt ein vom NetworkManager verwaltetes Netz nutzen und das gibt es natürlich nicht. Das habe ich dann unter Gnome probiert und nach der Deinstallation des NetworkManagers und der abhängigen Pakete funktionierte dann das neue Pidgin. Also zurück nach KDE.

KDE4 geht nicht mehr

Die Ernüchterung folgte auf dem Fusse. KDE4 startet kurz an wenn man sich in KDM einloggt und dann sieht man wieder den KDM-Screen. Ich habe dann mal spaßhalber erst mal alle KDE-Pakete weggeworfen und neu installiert, aber gebracht hat es gar nix. Also doch mal nach sachdienlichen Hinweisen suchen.  Diese findet man in der Datei „~./xsession-erors“, hier mosert der X-Server ein nicht gefundenes Symbol in der libGL.so.1 an. Hey, eine solche Library lungerte auf der Kiste auch in /usr/local/lib rum, kam irgendwann zu Etch-Zeiten mit der manuellen Installation des nvidia-Treibers da wohl hin. Und siehe da, wenn /usr/local/lib in ldconfig drin ist, dann funkionierte KDE wieder. Erst mal beiseite gelegt und weitergemacht. Was ich hin und wieder auch nutzen muss ist der ICAClient von Citrix um auf Windows-Terminalserver zuzugreifen. Das geschieht bei uns über eine Web-Applikation die die Sessiondaten bereitstellt welche dann vom Citrix-Receiver ausgewertet werden. Ausprobiert und Fehlanzeige. Erst mal dauerte der Aufbau dieser Webseite ewig und das npica.so-Plugin wollte nicht so recht. Ein ldd auf wfcmgr im Verzeichnis des ICAClient zeigte dann auch, dass er keine libXm.so.4 fand. Die kann man sich aus dem libmotif4-Paket für i386 von sid holen und dann nach /usr/lib32 kopieren. ldd mosert dann zwar nicht mehr, aber funktionieren tut das Plugin deswegen immer noch nicht. Um das zu beheben musste ich nochmals „nspluginwrapper -i /usr/lib/ICAClient/npica.so“ aufrufen, danach ging es wieder.

Direct Rendering: No

Der nächste Knackpunkt war die 3D-Hardwarbeschleunigung. glxinfo meldete permanent „Direct-Rendering: No“ und ich wusste nicht warum. Dann habe ich mal die verschiedenen libGL-Stände gesucht und gesehen, dass via /etc/alternatives die libGL auf die richtige 173er-Version verlinkt (unter /usr/lib/nvidia), die libGL.so.1 aber wohl auf die vorher von Lenny vorhandene Version zeigte die vom Installskript dann unter /usr/lib/nvidia/diversions abgelegt wurde. Also das totale Kuddelmuddel an GL-Bibliotheken. Als ich das ein wenig aufgeräumt hatte und alle Verlinkungen auf die „richtige“ 173er-Version gebogen habe war dann Direct Rendering auch wieder eingeschaltet und mit einem mal gingen die Desktopeffekte.

Bacula-Backup

Der nächste Knackpunkt ist Bacula. Unter Lenny habe ich eine Version 2.4.4 auf meinem Büro-PC und dem Server der die Backups macht installiert. Mit Squeeze ist ist nun bacula-fd auf dem Client in einer Version 5.x vorhanden und das gemeine ist, dass die sich nicht mehr mit dem Bacula-Director in der alten Version unterhalten will. Aber den Server will ich jetzt nicht auch noch updaten, denn der ist momentan „business critical“ und da will ich keine Downtime wegen ähnlicher Überraschungen. Also werde ich wohl die Bacula-Pakete auf dem Server hochziehen müssen, die sind in Lenny-Backports mittlerweile auch in der Version 5 drin.

Fazit

So ganz schmerzfrei ging das Upgrade nicht, aber trotzdem kann ich nach 2 Tagen sagen, alles ist wieder funktionsfähig und die Anwendungssoftware wie OpenOffice oder GIMP sind nun auf einem relativ aktuellen Stand. KDE4 ist noch etwas gewöhnungsbedürftig, funktioniert mit 4 GB aber relativ gut. Auf Maschinen mit weniger als 1 GB ist aber KDE4 definitiv der Overkill, hier sollte man dann vielleicht auf einen „leichteren“ Desktop wie z.B. LXDE umsteigen.

Und ehrlich gesagt, es hat Spaß gemacht. Die kleinen Widrigkeiten beim Upgrade sehe ich eher als Denksportaufgabe an die das Gehirn in Form hält und freue mich, für jedes Problem auch eine Ursache (root cause) und Behebung gefunden zu haben. Ohne so was wäre es ja wirklich langweilig. Danke an das Debian-Team für die neue Version.

Was motiviert uns?

Heute morgen hatte ich eine sehr interesssante Diskussion mit einer Freundin die ihre eigene Firma hat und ein wenig genervt von manchen ihrer Arbeiter war weil die trotz sehr guter Arbeitsbedingungen dann gerne noch Extrawürste gebraten haben wollen oder gar „einen faulen Lenz“ machen und damit die anderen im Team mit Mehrarbeit belasten.

An dieser Stelle kam für mich wieder die Frage auf, was uns Menschen denn motiviert. Eine einfache Antwort wäre Geld, aber eigentlich bin ich mir sicher, das Geld nicht zwingend der Hauptmotivator ist. Natürlich ist Geld notwendig um seinen Status und damit die Stufe auf der Maslowschen Bedürfnispyramide zu halten, aber nachdem ich zu Weihnachten das Frustjobkillerbuch bekommen und gelesen habe ist die Lehre aus dem Buch, das jeder Job „gleich gut oder gleich schlecht ist“ und man egal auf welcher Stufe der Karriereleiter immer versucht die nächsthöhere Stufe zu erklimmen nur um dann festzustellen, dass es dort auch nicht besser ist. Mehr Geld ist als nicht zwingend ein Motivator und das Androhen von Lohnkürzungen bei schlechter Leistung ist eigentlich eine Sanktion und daher eher demotivierend.

Vor einiger Zeit habe ich auf Anregung unseres damaligen CEO das Buch „Fish“ gelesen. Dort geht es auch um Motivation und als Beispiel dient der Pike Place Fish Market in Seattle. Dort wird Fisch verkauft und das besondere Flair liegt an den Verkäufern die ihre Arbeit dort mit Leidenschaft und Hingabe machen. Die Lehre die ich aus „Fish“ gezogen habe ist, dass man sich zwar manchmal nicht die Arbeit aussuchen kann die man tun muss, aber man kann sich selbst die Einstellung zur Arbeit heraussuchen. Sprich, ich kann mürrisch an einen lästigen Job rangehen oder auch gut gelaunt und ich wage zu wetten, dass die Arbeit bei guter Laune viel flotter geht als bei mürrischer Laune.

Das Wort „Beruf“ kommt ja auch irgendwo von „Berufung“, man tut also etwas wozu man sich berufen fühlt. Ein Zitat von Konfuzius sagt ja:

Finde die Arbeit, die Dich beseelt, und Du wirst Dich nie mehr anstrengen müssen.

Motivation entsteht also durch die Leidenschaft ein Ziel erreichen zu wollen. Antoine de Saint-Exupery meint hierzu:

Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.

Da steckt sehr viel Weisheit drin. Leidenschaft heißt Leidenschaft weil sie Leidenschaft und ja, der Nachteil bei einem Beruf den man aus Leidenschaft tut ist dass man ihn rund um die Uhr tut, eben weil es mehr ist als nur ein „Job“, es ist eine Leidenschaft.

Leidenschaft für etwas kann auch für andere sehr motivierend wirken. Ein Buch welches ich immer wieder gerne lese ist die Geschichte vom Quastenflosser, jenem urzeitlichen Fisch der 1938 vor der Küste von Südafrika gefangen wurde. Nicht nur weil ich das Original im Museum in East London selbst gesehen habe sondern weil dieses Buch die Leidenschaft der beteiligen Wissenschaftler vermittelt die damit zum Vorbild werden.

Um Vorbild zu sein muss man übrigens kein ausgewachsener Wissenschaftler sein. Auf YouTube habe ich neulich diese Perle entdeckt, eine Tanzaufführung von Kindern einer Schule. In dem Alter der Kinder erwartet man ja eher ein „Rumgehopse“, aber die Hauptdarstellerin macht ihre Aufführung mit einer solchen Hingabe und intensiv eingeübter Choreographie, dass sie die anderen Mittänzer sozusagen zur Dekoration degradiert. Man spürt förmlich die Lebensfreude die von diesem Kind ausgestrahlt wird.

Eine weitaus bekanntere Rednerin über das Thema „Leidenschaft“ kann man bei TED finden. Isabel Allende erzählt in „Tales of Passion“ einige Geschichten und egal wie oft ich diesen 18-Minuten-Vortrag schon gesehen habe so fesselt er mich immer wieder aufs Neue. Denn ihre „Tales of Passion“ erreichen nicht nur das Gehirn sondern vor allem auch das Herz des Zuschauers. Und wenn sie in ihren Schlußworten dazu aufruf, aus dieser Welt eine gute Welt zu machen fühlt man sich motiviert seinen Teil dazu beizutragen.

Che Angela?

Also, ich muß schon sagen, die Schlagzeile in der Welt haut mich fast um: Merkels Revolutionserfahrung ist gefragt. Wie denn? Unsere Bundeskanzlerin als alte Revoluzzerin? Irgendwie ist mir die 1989 bei der Wende gar nicht aufgefallen.

Aber klar, in einem Land in dem jeder Depp zum Experten ernannt wird wenn er was sagt was der Regierung angenehm ist kann man auch mal jemandem Revolutionserfahrung attestieren der in einem Land gelebt hat in dem es eine Revolution gab. So gesehen haben jetzt 80 Millionen Ägypter auch eine ganz besondere Revolutionserfahrung zu machen.

Denn anders als damals im geteilten Deutschland will man das Volk auf der Straße sozusagen wieder nach Hause schicken mit dem Versprechen irgendwann die Demokratie einzuführen, aber gut Ding will Weile haben. Vor allem unterstellt man den Leuten in Ägypten, dass sie nicht daran denken, „nachhaltige Strukturen“ schaffen zu wollen. Da stellt sich mir wieder die Frage, wie in diesem Kontext „Nachhaltigkeit“ zu definieren ist. Ich denke nämlich schon, dass diejenigen die jetzt gegen das Regime in Ägypten aufbegehren durchaus gerne eine nachhaltige Änderung der Verhältnisse hätten, aber in eine Richtung die dem gar so demokratischen Westen wohl nicht genehm ist.

Mächtig grinsen muss ich aber wenn unsere Bundeshaargelwerbung sich beklagt, dass niemand diese Revolution in Ägypten vorausgesehen hat. Ach Herr zu Guttenberg, haben sie noch nie gehört dass man niemals alle auf Dauer verarschen kann? Die Basis des Volkes in Ägypten hat die Schnauze voll von Aufschwüngen die nie bei hnen ankommen und einem Präsidenten der in jedem Jahr seiner Amtszeit rechnerisch eine Milliarde Dollar verdient hat während der Mann am anderen Ende der Pyramide nicht weiß wie er seine Familie ernähren soll.

Ist es da tatsächlich so verwunderlich wenn das Volk aufbegehrt? Nein, ist es nicht, sind sie mal froh, dass die Deutschen sich ihre Meinung noch mehrheitlich von der Bild bilden lassen und lieber „Deutschland sucht den Superstar“ gucken statt über ihre Situation und die Probleme im Land nachzudenken, sonst hätten wir einen ähnlichen Aufstand auch bald hier.

Und was die Vorbereitung auf die Demokratie angeht, ich war 1989 in Südafrika und durfte dort den ersten demokratischen Wahlkampf miterleben der dann auch von der ANC unter Nelson Mandela beherrscht wurde. Und es war richtig lustig zu sehen, dass dem Volk alles mögliche versprochen wurde ohne sich groß Gedanken zu machen wie das auch umzusetzen wäre. Und in Südafrika war der Demokratisierungsprozess durchaus so langsam wie ihn sich der Westen nun für Ägypten wünscht.

Das äyptische Volk will eine Änderung der Verhältnisse und es hat jede demokratische Legitimation das zu entscheiden. Wenn Mubarak vom Volk nicht mehr erwünscht ist dann muss er eben gehen. Mubarak sollte sich nicht für unersetzlich halten, die Friedhöfe der Welt sind voll mit Leuten die glaubten ohne sie ginge es nicht. Es geht sogar auch mal eine Weile ohne Regierung wie wir in unserem ziviliserten Europa am Beispiel Belgien sehen, die haben seit April 2010 keine funktionierende Regierung mehr und es herrscht trotzdem nicht das blanke Chaos.

Was mich an Ägypten nachdenklich macht

Gestern konnten wir alle die Bilder der „ägyptischen Kavallerie“ sehen die auf Pferden und Kamelen in die Reihen der Demonstranten in Kairo ritten und dort wahllos auf die Leute einschlugen. Erschütternde Szenen eines Regimes, das seinen Untergang gewaltsam hinauszögern will.

An dieser Stelle frage ich mich dann, welche Motivation solche Leute haben, sich auf die Seite eines ungeliebten Diktators zu schlagen und ihre Haut im Straßenkampf zu riskieren. Wobei eigentlich nur der gewaltsame Teil dieser Aktion zu verurteilen ist, denn natürlich muss ich, wenn ich für Ägypten Demokratie einfordere auch akzeptieren, dass es Leute geben wird die den Präsidenten gut finden.

Überhaupt gab es heute Kommentare die die 1 bis 2 Millionen Demonstranten als „wenig“ bezeichneten, verglichen mit der Gesamtbevölkerung von knapp 80 Millionen. Andersrum gibt es aber die Aussage, dass Revolutionen damit beginnen, dass 1% des Volkes aufbegehrt und diese Quote haben wir in Ägypten erfüllt. Und natürlich hege ich meine Zweifel, dass die „schweigende Mehrheit“ tatsächlich für Mubarak ist. Für die Nichtteilnahme an Demonstrationen gibt es viele Gründe, angefangen von der Entfernung zum Demonstrationsort bis hin zur Angst vor Repressalien. Das ist in Ägypten nicht anders als in Deutschland, ich täte auch gerne mal in Berlin demonstrieren, aber das ist im Moment mit Familie nicht möglich, denn Kinder und Familie sind die oberste Priorität solange der Schmerz noch nicht so groß ist, dass ich eine Änderung des Status Quo erzwingen will.

Bei den Leuten die derzeit in Ägypten demonstrieren ist es aber wohl so, dass sie viele Jahre vom Regime unten gehalten wurden, mit minimalen Löhnen und ohne Perspektive irgendwann ihre Situation zu verbesern. Da fällt mir dann der Refrain von Janis Joplins „Me and Bobby McGee“ ein:

Freedom is just another word for nothing left to lose.

Die Leute auf der Straße haben nichts mehr zu verlieren außer ihrem Leben und sind wohl sogar bereit, dieses Risiko einzugehen in der Hoffnung etwas zu bewegen. Und diejenigen die vermeintlich der Regierung die Stange halten? In den Medien hieß es, die Reiter von gestern wären erzürnte Touristenführer gewesen die dank der Demonstrationen keinen Verdienst mehr haben weil die Touristen ausbleiben. Auch wenn man diese Begründung anzweifeln will erscheint sie doch gar nicht so abwegig.

Denn natürlich ist das eine beliebte Taktik von Regierungen wenn sie sich selbst aus der Schußlinie des Volkszorns bringen wollen, dann werden Grabenkämpfe zwischen Bevölkerungsgruppen geschürt. Erinnern wir uns doch mal an die Debatten im letzten Jahr:

  • Hartz-IV-Sozialschmarotzer leben in Saus und Braus und der Arbeiter muß die Rechnung zahlen.
  • Die demographische Situaton wird dazu führen, dass die Alten den Jungen sozusagen die Haare vom Kopf fressen. Und zudem blockieren sie die Arbeitsplätze die die Jugend dringend braucht.

Na, klingelt was? Natürlich gibt es Sozialmißbrauch bei Hartz-IV aber deswegen muß ich nicht Arbeitslose und Geringverdiener gegeneinander aufhetzen. Und die demographische Situation mag anders sein als vor 50 Jahren, aber das Schüren von Konflikten „Alt gegen Jung“ löst sie auch nicht.

Noch krasser ist die Situation wenn man Sündenböcke hat auf die man zeigen kann. Auch in Deutschland gibt es mittlerweile „no go“-Areas in denen man sich besser nicht blicken lässt wenn man eine andere Hautfarbe als die dort perspektivlosen Jugendlichen hat die von Neonazi-Parolen dann mit Ausländerhass aufgefüllt werden.

Der Ausweg aus der Misere wäre „Aufklärung“ und „politische Bildung“ und zwar nicht die welche die große deutsche Tageszeitung mit der Parole „Bild dir deine Meinung“ verbreitet.

Aber damit würden wir kritische Staatsbürger heranzüchten und ich fürchte diese Spezies ist auch bei uns von den Regierenden nicht gerne gesehen. Dann schon lieber den Bürger mit alternativlosen Reformen beschäftigen die, wie man in Jordanien jetzt sieht wohl eher „Show“ als „wirkliche Reformen“ waren.

Ja, was mich an Ägypten so nachdenklich macht ist die Frage, wie weit wir in Europa noch von ägyptischen Verhältnissen entfernt sind. Dazu tragen auch die Überlegungen vieler westlicher Regierungen ob sie einen Internet-Kill-Switch brauchen natürlich bei.