Unwort des Jahres: „Geistiges Eigentum“

Auch wenn das Jahr 2009 erst halb rum ist habe ich doch schon meinen Favoriten für das Unwort des Jahres gefunden. Jedesmal wenn ich höre, wie sich Leute über den schlechten Schutz des geistigen Eigentums ausweinen könnte ich mich problemlos übergeben. Aktuellster Kandidat ist ein Artikel im Heise Newsticker zur Hamburer Erklärung.

Ja, ich gestehe, den Link zur Hamburger Erklärung habe ich gerade schamlos im Heise-Artikel geklaut. Darf ich daraus jetzt zitieren und es kommentieren oder schmücke ich mich dann mit fremden Federn und bin ein böser Dieb geistigen Eigentums. Egal, ich werde diese Erklärung gerne kommentieren.

Bezeichnend ist der erste Absaz, er zeigt gleich die Zielrichtung auf wohin die Reise gehen soll.

Das Internet ist für den Journalismus eine große Chance. Aber nur,
wenn die wirtschaftliche Basis auch in den digitalen Vertriebs-
kanälen gesichert bleibt. Das ist derzeit nicht der Fall.

Hallo lieber Journalismus, ihr solltet jetzt aber schnell aufwachen, beovr ihr diese große Chance verpennt. Denn Online-Journalismus funktioniert auch ohne wirtschaftliche Basis, eine Heerschar von Bloggern beweist täglich, dass es funktioniert. Natürlich kann man jetzt einwenden, dass Blogger ja „Freizeitjournalisten“ sind, aber einer Nachricht ist es egal, ob sie von einem Journalisten verbreitet wird oder von einem der sie live gesehen hat und darüber in seinem Blog berichtet.

Zahlreiche Anbieter verwenden die Arbeit von Autoren, Verlagen
und Sendern, ohne dafür zu bezahlen. Das bedroht auf die Dauer die Erstellung von Qualitäts-Inhalten und von unabhängigem
Journalismus.

Dieses Argument fällt für mich in die Kategorie „Nebelkerze“. Zahlreiche ist ein sehr relativer Begriff (3 Haare in der Suppe wären zahlreiche, 3 Haare auf dem Kopf eher nicht) und Anbieter definiert natürlich in keiner Weise um welche Angebote es geht. Unabhängig davon existiert ein Urheberrecht und man könnte gegen die zahlreichen Anbieter vorgehen wenn sie wirklich so gemein sind und ungeniert klauen.

Was das Thema „Qualitäts-Inhalten“ und „unabhängiger Journalismus“ angeht, da kann ich nur gequält grinsen. Immerhin haben ja auch Verlage wie der Springer Verlag mit seinem Qualitätsblatt „Bild“ diese Erklärung unterschrieben.

Wir treten deswegen entschieden dafür ein, den Schutz geistigen
Eigentums im Internet weiter zu verbessern. Freier Zugang zu
Webseiten bedeutet nicht zwingend kostenlosen Zugang. Wir
widersprechen all jenen, die behaupten, dass Informationsfreiheit
erst hergestellt sei, wenn alles kostenlos zu haben ist.

Richtig. Frei ist immer im Sinne von Freiheit zu verstehen und nicht im Sinne von Freibier. Die technischen Voraussetzungen für Micropayment sind vorhanden, es zwingt also niemanden irgendeine Online-Zeitung ihre Nachrichten kostenlos anzubieten, oder?

Das Problem der Online-Journalisten ist doch, dass eine Masse von Gratis-Anbietern den Markt sättigt und ein Pay-per-use-Anbieter dann qualitativ wirklich einen echten Mehrwert bieten müsste, damit er überhaupt Kunden findet.

Der freie Zugang zu unseren Angeboten soll erhalten bleiben, zum
Verschenken unseres Eigentums ohne vorherige Zustimmung
möchten wir jedoch nicht gezwungen werden.

Hier fallen zwei Dinge auf:

  • „Freier Zugang“ in obigem Absaz ist jetzt wie definiert? Freiheit oder Freibier?
  • Es geht um „unsere Angebote“, also die Angebote der Mitzeichner dieser Hamburger Erklärung. Für eine Erklärung dieser Art ist das legitim, soll aber aus solch einer Erklärung ein Gesetz gegossen werden, dann geht es nicht mehr um „unsere“ sondern um „alle“. So ein Gesetz müsste dann auch auf mein Blog anwendbar sein und ich lass mir per Gesetz nicht vorschreiben, von meinen Lesern Geld abzuköpfen.

Weiter im Text.

Wir begrüßen deshalb die wachsende Entschlossenheit von
Bundesregierung, Landesregierungen und den im Bundestag
vertretenen Parteien, die Rechte von Urhebern und Werkmittlern
weiter an die Bedingungen des Internets anzupassen.

Dieser Absatz fällt für mich in die Kategorie „Politikern im Wahlkampf Honig ums Maul schmieren“. Trotzdem sei sptizfindig angemerkt, dass sie nur von den im Bundestag vertretenen Parteien reden, also z.B. die Piratenpartei hier nicht mit einbeziehen.

Im Internet darf es keine rechtsfreien Zonen geben. Gesetzgeber und Regierung auf nationaler wie internationaler Ebene sollten die
geistige Wertschöpfung von Urhebern und Werkmittlern besser
schützen. Ungenehmigte Nutzung fremden geistigen Eigentums
muss verboten bleiben.

Hey, hier haben wir die Nummer 2 der Hitliste aus der Phrasendreschmaschine: „rechtsfreie Räume“ (hier als Zonen bezeichnet). Interessant ist auch die hier nicht behandelte Frage, wie der Begriff „geistiges Eigentum“ definiert ist. Sind Nachrichten „geistiges Eigentum“. Wenn heute der schiefe Turm von Pisa umfallen würde, wer hätte dann die Eigentumsrechte an dieser Nachricht? Reuters? dpa? Die Bild-Zeitung?

Am Ende muss auch im World Wide Web gelten: Keine Demokratie
gedeiht ohne unabhängigen Journalismus.

Jetzt könnte ich ja wieder ganz zynisch fragen, wo wir in Deutschland noch wirklich unabhängigen Journalismus haben. Die Antwort könnte lauten: Im World Wide Web in Form der vielen Blogs. Aber das haben die Verfasser der Hamburger Erklärung sicher nicht so gemeint.

Der Heise-Artikel schlägt jedenfalls heftige Wellen im zugehörigen Diskussionsforum, vor allem wohl weil auch der Heise-Verlag diese Hamburger Erklärung unterzeichnet hat und sich damit auf eine Seite schlägt die eigentlich nicht die ist, die man nach dem Lesen der redaktionellen Beiträge vermutet. Denn bislang stand Heise für sehr kritische Berichterstattung was Themen wie „geistiges Eigentum“ angeht.

So, jetzt habe ich doch tatsächlich für meinen Kommentar zur Hamburger Erklärung deren Text Absatz für Absatz geklaut verwendet. Sorry lieber Erklärungs-Verfasser, ihr habt da eine öffentliche Erkärung verfasst aus der ein Gesetzentwurf abgeleitet werden soll der auch mich als „freien Online-Journalisten“ tangieren wird. Daher muß ich eure Forderungen in entsprechender Weise zitieren um meine Kommentare dazu zu schreiben. Leider habt ihr es versäumt, in dieser Erklärung irgendwelche Verwertungsrestriktionen anzugeben, also gehe ich mal von „frei“ aus.

Debatte über Grundrechte im Bundestag

Heute fand eine Debatte über die Achtung der Grundrechte im Bundestag statt. Einer der Redner war Jörg Tauss und wenn man die Kameraschwenks über die Reihen der Abgeordnetensitze sieht, dann merkt man deutlich, welch großes Ineresse das Thema „Grundrechte“ bei unseren Politikern hat.

Aber sind wir mal froh, dass überhaupt noch öffentlich gesprochen wird und man nicht einfach „Protokoll-Demokratie“ betreibt.

Verfassungswidrige Regierung

Vor einiger Zeit fand ich via NachDenkSeiten einen Link zum Goethe Institut. Normalerweise würde man das jetzt in die Kategorie Kultur einsortieren, aber was da stand war sehr aufschlußreich:

Es ist ein in der Geschichte der Bundesrepublik einmaliger Vorgang: In den letzten vier Jahren hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) jedes neue Sicherheitsgesetz, das im Zusammenhang mit der Anti-Terrorismus-Gesetzgebung auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand kam, für verfassungswidrig erklärt.

Heute kam via blogwuerdig dann ein Link zu einer Übersicht der verfassungswidrigen Gesetze. Winfried Wacker hat sich mal die Arbeit gemacht und die Gesetze die angeblich unserer Sicherheit dienen sollen aufgelistet.

Diese Liste wird wohl noch länger werden wenn ein abschließendes Urteil zur Vorratsdatenspeicherung kommt und natürlich wird das ZugangsErschwG auch in die „Hall of Blame“ aufgenommen werden, welche die Unfähigkeit unserer Politiker dokumentiert selbst einfache und elementare Grundrechte zu verstehen und zu respektieren.

Dirk Hellbrecht (Piratenpartei Deutschland) bei Phoenix

Am Dienstagabend war der Vorsitzende der Piratenpartei Deutschland, Dirk Hellbrecht auf Phoenix zu sehen. Ich habe diese Sendung zwar verpasst, aber dank des Internets kann ich sie denn noch sehen. Ich verlinke hier mal die 5 Teile auf Youtube (wegen der 10 Minuten Begrenzung), denn keiner weiß wie lange die hochauflösenden Streams auf den Servern der ÖR-Sender abrufbar bleiben werden. Youtube scheint hier mehr Kontinuität zu haben:

Teil1, Teil2, Teil3, Teil4 und Teil5.

Die erste Kritik zur Sendung las ich gestern abend auf F!xmbr und da kam Hillbrecht gar nicht gut weg. Kristian Köhntopp nahm die Sendung zum Anlass einen Lebensbericht aus der Online Welt zu schreiben. Diesen Bericht können bestimmt viele Netzbürger nachvollziehen. Das Datenritter-Blog merkt allerdings an, dass diese Nachricht von Normalbürgern kaum verstanden werden wird und wenn wir die überzeugen wollen müssen wir in deren Sprache kommunizieren. Da hat er im Sinne von Paul Watzlawicks Definition einer Kommunikation vollkommen recht: Es kommt nicht darauf an was man zu sagen glaubt sondern darauf, was der Empfänger der Botschaft versteht. Ingo Jürgensmann sieht Hillbrechts Auftritt hingegen etwas entspannter.

Nachdem ich mir gerade die Sendung via Youtube angesehen habe möchte ich natürlich auch meinen Senf dazu schreiben.

Ja, Hillbrecht hat sich in meinen Augen ganz wacker geschlagen. Ich weiß nicht, welche Fernseh-Erfahrung er hat und ich möchte nicht wissen wie ich mich an seiner Stelle verhalten hätte. So aus der bequemen Zuschauerperspektive fallen einem ja meistens die Dinge viel leichter als wenn man selbst auf dem heißen Stuhl sitzt.

Den beiden Gesprächspartnern von Hillbrecht, dem Moderator Christoph Minhoff und dem CDU-Politiker Rupert Scholz muß ich jedoch schleche Noten in Sachen Diskussionskultur ausstellen. Es kam während der Sendung immer wieder vor, dass Hillbrecht mitten im Wort unterbrochen wurde und seine Argumente nicht zu Ende formulieren konnte.

Hier muß man Hillbrecht allerdings auch attestieren, daß er sich relativ leicht abwürgen ließ, ein rhetorisch besser geschulter Redner hätte das wohl nicht zugelassen.

An anderen Stellen haben Minhoff und Scholz hingegen offensichtlich vergessen, dass sie noch einen dritten Gesprächspartner haben und philosophieren relativ lange über Dinge, die sie eigentlich nicht vollständig verstehen (was sie auch zugeben).

Rhetorische Ansatzpunkte hätten auch die von Scholz konstruierten Beispiele gehabt. Als er mit dem hypothetischen Mordaufruf gegen Hillbrecht auf einem Server in Uruquay (schreibt man das so?) die Notwendigkeit von lokalen Sperrverfügungen in Deutschland zu begründen versuchte weil man ja den Mordaufruf auf dem Server in Südamerika nicht löschen kann hätte man schon entgegnen können, daß so ein Mordaufruf zwar in der Tat strafbar ist, aber sich andersrum wohl in einem zivilisierten Land wie Deutschland hoffentlich niemand soweit entblödet einem solchen Aufruf Folge zu leisten und einen tatsächlichen Mord zu begehen.

Und als die Sprache auf die Urheberrechte und das geistige Eigentum kam wollte Scholz mit dem Grundgesetz argumentieren, daß ja nicht zwischen materiellem und geistigem Eigentum unterscheidet und man deswegen beides zu schützen hat. Hier hätte man gleich bei Artikel 14 GG Absatz 2 einhaken können der da lautet:

Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

Darunter verstehe ich als moderner Mensch eine Verpflichtung, sein Wissen (also das was manche als ihr geistiges Eigentum ansehen) der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen.

Besonders krass war dann zum Ende der Sendung noch das Thema „Jörg Tauss“ der vom Moderator Minhoff sozusagen wieder öffentlich schuldig gesprochen wurde. Das erinnerte dann schon ein wenig an die Hexenprozesse der heiligen Inquisition.

Hurra, das Sommerloch ist da

Anders kann ich den Artikel auf der Titelseite der Augsburger Allgemeinen über das Thema „Rentengarantie und zusätzliche Kosten“ gar nicht kommentieren. Leider hat die Augsburger Allgemeine diesen Artikel nicht online gestellt, man kann ihn nur online lesen wenn man die Testausgabe des E-Paper heute anklickt. Ein weitgehend ähnlicher Artikel findet sich bei den adhoc-News. Der Artikel in der Augsburger Allgemeinen unterscheidet sich eigentlich nur insofern davon, dass die AZ die Hinweise auf die Kritik des DGB sich gespart hat.

Daher will ich mal meinen Senf dazu geben. Zum Thema Bernd Raffelhüschen braucht man hoffentlich nichts mehr sagen, wer sich ein wenig informiert hat wird wissen, dass Raffelhüschen ein „Mietmaul“ der INSM ist und zudem eng mit der Versicherungswirtschaft verknüpft ist. Damit ist es sein Ziel, die gesetzliche Rente schlecht zu reden.

Der andere Experte, ein Professor namens Alex Börsch-Supan ist hier deutlich schwerer einzuordnen. Eine Suche im Netz mit seinem Namen und dem additiven INSM zeigt nur, dass er von der INSM schon mal inverviewt wurde, aber das ist ja an sich noch kein Makel. Also muß ich wohl auf seine Argumente eingehen.

Ein Durchschnittsverdiener wird demnach um bis zu 240 Euro im Jahr belastet. „Dies bedeutet eine deutliche Umverteilung von Jung nach Alt“, heißt es in seiner Expertise.

Hier stellt sich mir die Frage ob damit wieder der Generationenkonflikt angeheizt werden soll. Natürlich hat der gute Professor recht, wenn die Ausgaben der Rentenversicherung steigen muß sich das irgendwo auf der Einnahmenseite niederschlagen. Und ja, es gibt bestimmt genügend private Haushalte in denen 240 Euro im Jahr so richtig weh tun.

Noch seltsamer finde ich allerdings folgende Aussage:

Für die jüngere Generation wird die gesetzliche Rentenversicherung daher deutlich unattraktiver.

Ein echter Experte würde so etwas eher kaum sagen. Denn bei der gesetzlichen Rentenversicherung kommt es nicht auf „Attraktivität“ an da der Bürger sowieso keine Wahloption hat. Attraktivität ist immer ein relativer Begriff, d.h. wenn die gesetzliche Rentenversicherung weniger attraktiv ist wird eine andere Variante eher attraktiv erscheinen.

Jetzt gucken wir aber mal ganz neutral auf die Probleme der Rentenversicherung. Sinkende Einnahmen sind vor allem darauf zurückzuführen, dass der Anteil der nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse ständig steigt. Zusammen mit dem Niedriglohnsektor macht das mittlerweile 25% der arbeitenden Bevölkerung aus. Gefördert durch die konsequente Weigerung über das Thema „Mindestlohn“ zu diskutieren.

Auf der anderen Seite haben wir die Beitragsbemessungsobergrenze die dazu führt, dass Josef Ackermann (Deutsche Bank) oder andere Top-Verdiener exakt genausoviel Euro jeden Monat an die Rentenversicherung zahlen wie ich, der ich in der höchsten Tarifgruppe unterwegs bin.

Dann haben wir noch die Selbständigen, denen es freigestellt ist, ob sie Beiträge zur Rentenversicherung leisten oder nicht.

Gestern abend bin ich über ein Video mit Georg Schramm gestolpert, der hier mal das Schweizer Modell beschrieben hat.

Jeder – vom Niedriglohn-Jobber bis hin zum Bankmanager zahlt einen festen Prozentsatz seiner Einkünfte in die Rentenversicherung ein. Das bedeuet, dass die sogenannten „Leistungsträger“ eben auch viel mehr reale Euros einzahlen als sie es hier in Deutschland tun. Ich wage mal die Prognose, dass wir bei einer Umsetzung dieser Regelung mit einem sehr viel geringeren prozentualen Rentenversicherungsbeitrag höhere Renten an die Rentner auszahlen können als wir das heute machen nachdem man zugunsten der „Riester-Rente“ auch noch „Dämpfungsfaktoren“ eingesetzt hat.

Also stellt sich die Frage, warum jetzt wieder der Kriegsschauplatz „Alt gegen Jung“ in den Medien eröffnet wird. Wovon soll abgelenkt werden oder warum werden diese unsäglichen Hetzparolen wieder rausgekramt? Haben wir schon wieder Sommerloch? Eigentlich kaum zu glauben angesichts der Wirtschaftskrise, der Debatte über die Zensur im Internet oder die aktuelle Entwicklung nach den Wahlen im Iran.

Es geht doch nichts über den Nachrichten-Mainstream

Vorhin als ich meine Tochter zum Klavierunterricht gebracht habe gab es im Autoradio gerade Nachrichten. Es wurde berichtet, dass heute der Bundestag über die Patientenverfügung abstimmt. Soweit so gut. Aber mein Blutdruck ging schlagartig in die Höhe, als die nächste Bemerkung kam: „Für diese Abstimmung ist der Fraktionszwang aufgehoben so dass die Abgeordneten nach ihrem Gewissen abstimmen können.“

Aber Hallo! Was bitteschön soll denn dieser Nebensatz, der sich heute auch in diversen Online-News findet, sucht einfach mal nach den Wörtern „Patientenverfügung Fraktionszwang“, dann werdet ihr fündig.

Mit solchen Bemerkungen wird dem Bürger suggeriert, dass der Fraktionszwang die Normalität darstellt die für besondere, ethisch und moralisch eventuell problematische Abstimmungen aufgehoben wird.

Vielleicht sollte der eine oder andere Nachrichtenscheiberling einfach mal einen Blick ins Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland werfen. Dort heißt es unter Artikel 38:

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

Von wegen Fraktionszwang. Wenn Fraktionen ihre Abgeordneten zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten zwingen wollen, dann handeln sie damit verfassungswidrig! Ihr dürft gerne auch bei Wikipedia unter Fraktionszwang nachgucken, da steht im Prinzip das gleiche was ich hier auch schreibe.

SPD auf Jubelkurs, aber warum?

Nachdem heute die Zeitung über den Jubelkurs der SPD berichtet hat habe ich mir mal das Wahlprogramm der SPD angucken wollen. Unter „Wahlprogramm“ findet man das allerdings auf deren Webseite nicht, die gehen gleich in die Vollen und nennen es „Regierungsprogramm„.

Das sind dann 66 Seiten PDF, die in genau dem Stil geschrieben sind welchen man sich von Profi-Politikern erwartet. Jede Menge „wir wollen“ und „wir werden“ aber ohne jemals wirklich konkret zu werden über das „wie“ sie ihre schönen Ziele erreichen wollen. Vor allem sind alle Ziele so „weich“ formuliert, dass man sie später nicht darauf festnageln kann.

Beispiel gefällig:

Bedarfsgerechte Regelsätze. Menschen in Arbeitslosigkeit dürften nicht in Armut abrutschen. Es wird auch weiterhin eine regelmäßige Überprüfung der Regelsätze des Arbeitslosengeldes II und gegebenenfalls eine bedarfsgerechte Erhöhung geben.

Also kein Wort zu „wir wollen das unmenschliche Hartz-IV wieder abschaffen“ sondern wir werden auch zukünftig die Regelsätze regelmäßig überprüfen. So wie bisher eben auch und dann halt feststellen, dass man sich mit dem Speiseplan des Herrn Thilo Sarrazin ganz gut für wenig Geld ernähren kann, auch wenn diverse Experimente um diese These zu verifizieren allesamt an der mangelnden Verfügbarkeit der Zutaten zu den veranschlagten Preisen oder in den veranschlagten Mengen gescheitert sind.

Interessant ist auch, daß die SPD verschiedene Dinge ins Grundgesetz aufnehmen will, z.B. Kinderrechte und Kultur als Ziel. Da frage ich mich dann schon, welche kulturellen Angebote demnächst vom Bundesverfassungsgericht geschätzt werden, vielleicht kann ja dann auch die bei DSDS rausgeflogene Hüpfdohle in Karlsruhe gegen den Rausschmiß klagen.

Noch krasser ist aber das mit den Kinderrechten? Wie sind die definiert und gelten für Kinder nicht die gleichen elementaren Menschenrechte wie für alle anderen Menschen auch? Wenn wir jetzt auch noch Kinderrechte besonders berücksichtigen wird es demnächst neue Artikel im GG für „Frauenrechte“, „Männerrechte“, „Rentnerrechte“ usw. geben. Irgendwie drängt sich mir immer mehr der Eindruck auf, dass die SPD nicht verstanden hat, was das Grundgesetz ist und was es nicht sein soll. Ich will kein Grundgesetz haben das in gedruckter Form einen Bücherschrank füllt weil etliche Poltiker meinen jeden Gedankenfurz von ihnen müsse man im Grundgesetz verankern. Nein, ich will ein überschaubares und verständliches Grundgesetz an dem sich jeder Bürger dieses Staates auch ohne abgeschlossenes Jura-Studium orientieren kann.

Egal, ich werde diese Partei jedenfalls nicht wählen. Und jetzt gehe ich ins Bett, das ist allemal sinnvoller als das sogenannte „Regierungsprogramm“ zu lesen. Um das gut zu finden müsste ich ja Zeugs einwerfen das bestimmt illegal ist.

Lügen, verdammte Lügen und Statistik

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Heute war aber erst mal eine Lektion in der beliebten Sportart „Wie lügt man mit Statistik“ dran. Zumindest wenn man die Tageszeitung liest. Da wird die Union zum Sieger deklariert und die SPD hat ein Desaster erlebt. Rein statistisch betrachtet haben sich aber mehr Wähler von der Union abgewendet als von der SPD. Daran ändert auch die momentan noch vorhandene Mehrheit der Stimmen nix. Blog Ausburg hat zudem angemerkt, daß zumindest hier in Augsburg DIE LINKE den höchsten Zuwachs an Stimmen zu verzeichnen hat, aber darüber berichtet natürlich keiner.

Eine andere höchst interessante Statistik hat Blogwuerdig.de erstellt. Hier wird aufgezeigt, wie der Stimmenanteil der Parteien aussieht, wenn man auch noch die Nichtwähler mit beräcksichtigt. Mit 57,9% stellen diese Nichtwähler nämlich die eigentliche Mehrheit der Wähler dar.

Danke liebe Nichtwähler für eure grenzenlose Ignoranz. Ich kann ja jeden verstehen der sagt „ist doch eh egal was ich wähle, es wird sich nix ändern“ oder „warum soll ich meine Stimme einer Splitterpartei geben, die kommen doch sowieso nicht über die 5% Hürde“ und so weiter und so fort. Tatsächlich heißt aber Nichtwählen auf die demokratische Mitbestimmung zu verzichten.

Jetzt machen wir einfach mal ein Gedankenexperiment und sagen, daß nur die Hälfte der Nichtwähler genau deswegen nicht zu Wahl gegangen ist. Also immer noch etwa 28% der Wähler. Hätten diese Nichtwähler sich entschieden, ihre Stimme einer der Themenparteien wie „Piratenpartei“, „Tierschutzpartei“ usw. zu geben, dann hätten diese reelle Chancen gehabt, die 5%-Hürde zu knacken und ins Europaparlament einzuziehen. Und die Machtverhältnisse der sogenannten „etablierten“ Parteien würden nun ganz anders aussehen. Dann würde der Regierungskoaltion sogar der Arsch auf Grundeis gehen, denn wenn man so ein Ergebnis auf die nächste Bundestagswahl projiziert, dann dürften einige Politiker schlaflose Nächte bekommen.

Aber es ist ja gut, wenn man den Verdruß der Leute so gut füttert, daß sie gar nicht mehr zur Wahl gehen und somit auf ihr Grundrecht verzichten. Für die Bundestagswahl würde ich mir wirklich eine Wahlbeteiligung von mindestens 80% wünschen, denn nur dann ist die Mehrheit wirklich eine repräsentative.

Wenn keiner mehr zur Wahl ginge könnten sich die knapp über 600 Abgeordneten auch selbst wählen und hätten damit genau ihre Sitze im Parlament wieder gerettet. Nichtwählen ist also keine Lösung, Alternativen wählen schon. Darum habe ich gestern meine Stimme auch der Piratenpartei gegeben und war somit einer von 741 in ganz Augsburg.