Noch ein Buch fertig gelesen

Und diesemal wieder ein politisches: Tanja Busse – „Die Einkaufsrevolution: Konsumenten entdecken ihre Marktmacht„. Ein Buch das einem die Laune verderben kann, aber nicht weil es so schlecht ist, sondern weil es sauber recherchiert über die Dinge berichtet, die unsere Konsumgesellschaft am liebsten gar nicht wissen will. Zum Beispiel dass Kinder in Afghanistan gerne in die Schule gehen obwohl sie da wirklich keinen Spaß haben, aber die Alternative ist Teppichknüpfen für 12 Stunden am Tag. Oder dass die ganz preiswerten Grabsteine aus Indien importiert werden und dort im Steinbruch auch Kinder sich abrackern damit der Rubel für die Steinhändler rollt.

Auch zum Thema Ernährung hat das Buch einiges an Grausamkeiten zu berichten. Zum Beispiel dass in Brasilien der Regenwald verstärkt Soja-Feldern weichen muss. Der Soja von dort wird übrigens hier an unsere Rinder verfüttert, konkurrenzlos billig, auch wenn er um die halbe Welt transportiert werden muss. Und natürlich nicht unbedingt Gentechnik frei. Dafür revanchiert sich die EU mit Geflügelexporten nach Kamerun. Natürlich nicht ganze Hühner, sondern das was übrig bleibt wenn man Chicken Nuggets oder Hähnchenbrust macht. Also das Zeugs, das hier keiner abnagen will wird total günstig nach Kamerun verschifft, als Tiefkühlware. Wenn es dort ankommt ist es so billig, dass der Geflügelbauer aus Kamerun diesen Preis nicht schlagen kann und deshalb pleite geht. Dafür hält das Importgeflügel auch nicht lange, denn eine funktionierende Tiefkühlkette kann man in Afrika wohl nicht voraussetzen und so sind 80% der Ware die den Konsumenten in Kamerun erreichen schon verdorben.

Schön ist auch ein Artikel über Investmendfonds und deren Investitionen in Hersteller von Landminen. Die Autorin fragte an, ob es irgendwelche moralischen Richtlinien für die Fonds gibt, aber die einzige Richtschnur ist, wie im Kapitalismus üblich die Aussicht auf Profit.

Insgesamt ein sehr gutes Buch, unbedingt empfehlenswert aber eben auch keine „leicht verdauliche“ Kost weil man schon betroffen ist, wenn man liest welche Schattenseiten unsere kapitalistische Konsumgesellschaft mit sich bringt.

Manchmal möchte ich einfach nur kotzen

Sorry für die etwas provokative Überschrift, aber manchmal liest man Dinge wie die heutige Berichterstattung über das Urteil zu den Post-Mindestlöhnen und dann verpürt man ohnmächtige Wut und das Bedürfnis, das Verdauungssystem auf „Rückwärtsgang“ zu schalten.

So schreibt z.B. Birger Nicolai in der Online-Ausgabe der Welt:

Das Urteil gegen den Post-Mindestlohn von bis zu 9,80 Euro ist richtig. Denn die Deutsche Post und die Gewerkschaft Ver.di haben den Lohn mit Tricks erzwungen – gegen den Willen der Wettbewerber. Ohne die fragwürdige Untergrenze wird die Konkurrenz belebt, und neue Jobs können entstehen.

Dort wird auch ganz schön begründet warum der Post-Mindestlohn durch „Trickserei“ zustande kam:

Damals hatte ein Arbeitgeberverband, der ausschließlich von der Deutschen Post besetzt worden war, zusammen mit Ver.di einen hohen Mindestlohn ausgehandelt.

Andere Firmen aus der Branche wie TNT, Pin oder WAZ Post waren gar nicht am Verhandlungstisch. Nur so konnte die Deutsche Post einen Lohn durchdrücken, den die Konkurrenten während ihres Geschäftsaufbaus gar nicht zahlen konnten.

Also echt, das ist unfair wenn der Ex-Monopolist, der wahrscheinlich auch der größte Anbieter von Postdienstleistungen ist seine „Mehrheit“ ausnutzt um einen sauteuren Mindestlohn zu beschließen.

Und dann geht es absolut geil weiter im Kommentar:

Stattdessen hatten diese Firmen eine eigene Lohnuntergrenze mit einer neuen Gewerkschaft festgelegt. Die liegt zwar – im Westen Deutschlands – um rund ein Viertel niedriger als der Post-Mindestlohn, nämlich bei 7,50 Euro statt 9,80 Euro wie der jetzt gekippte Betrag. Sie ist aber verbindlich für alle Firmen und schützt die Beschäftigten daher vor Willkür.

Also nochmal zum Mitschreiben damit es alle auch richtig verstehen:

Wenn die Post zusammen mit der Gewerkschaft ver.di einen Mindestlohn aushandelt, dann ist das illegal und Trickserei weil man die anderen Mitbewerber nicht gefragt hat.

Wenn diese Mitbewerber mit einer neuen Gewerkschaft einen Hungerlohn als Mindestlohn definieren und das unter Ausschluß von Post und ver.di, dann ist das ein gerechter und verbindlicher Mindestlohn und schützt vor Willkür.

Ganz unwillkürlich fällt mir da wieder der Roland Koch ein der dann wieder schwadronieren wird, dass es einem Arbeiter schwer vermittelbar ist arbeiten zu gehen wenn die Hartz-IV-Empfänger das gleiche Geld fürs Nixtun bekommen. Dass man als Gegenmaßnahme statt die Hartz-IV-Empfänger weiter zu entwürdigen auch den Arbeitern einen anständigen Mindestlohn zahlen könnte ist keinem der Politiker eingefallen.

Interessant sind bei diesem Kommentar aber auch noch zwei Dinge:

  1. Die Kommentarfunktion wurde von den Admins gerade deaktiviert, wahrscheinlich passen die Kommentare so gar nicht zur neoliberalen Ausrichtung der „Welt“.
  2. Eine Online-Umfrage sagt nach knapp 2000 Stimmen aus, dass 41% der Meinung sind, dass Mindestlohn noch höher als die 9,80 Euro liegen müsste. 40% halten den Mindestlohn für gerecht und nur 19% für zu hoch. Bin mal gespannt, wann diese Umfrage ausgeblendet wird.

Aber vielleicht sollte man das Urteil einfach als Steilvorlage nehmen und gegen alles mögliche klagen, also z.B. gegen die Abkehr von der paritätischen Verteilung bei den Krankenkassenbeiträgen die ja auch ohne die Beitragszahler zu fragen beschlossen wurde.

Weihnachtsbücher fertig gelesen

Heute habe ich das zweite meiner beiden Bücher, die ich zu Weihnachten bekam fertig gelesen.Es waren zwei Bücher von Vandana Shiva und vom Thema her waren diese sehr interessant zu lesen. Interessant vor allem auch aus dem Grund weil man hier als Europäer ein wenig Einblick in die indische Kultur und Geschichte bekommt und eben auch die Probleme die Indien aktuell betreffen und die vor allem der Agro-Industrie wie Monsanto und Konsorten anzulasten sind.

Shiva ist eine heftige Verteidigerin der These, dass natürliche Ressourcen wertvoll sind und vor allem Allgemeingut, es daher ein Verbrechen ist, wenn man versucht Organismen zu patentieren oder Wasser zu privatisieren. Damit rennt sie bei mir jedenfalls offene Türen ein, denn natürlich ist es ein Unding, wenn Saatgut patentiert wird und der freie Tausch mit Saatgut unter den Bauern dann kriminalisiert wird.

Shiva ist allerdings anstrengend zu lesen. Man hat das Gefühl, dass sich die Bücher ständig im Kreis drehen, mal ein Kapitel über Saatgut, eines über Biodiversität, eines über genetisch veränderte Organismen (GVO) und dann wieder zurück zum Saatgut. Mir als Pragmatiker fehlt da irgendwie die klare Linie, also beschreiben was schlecht ist, wie es früher war und was zu tun ist um es wieder besser zu machen.

Insgesamt trotzdem zwei empfehlenswerte Bücher mit vielen Hintergrundinformationen aus Indien. Vor allem sieht man nach der Lektüre dieser Bücher den Begriff „geistiges Eigentum“ unter einem anderen Blickwinkel als zuvor. Es geht eben nicht nur um die Unterhaltungsindustrie (das was wir in Deutschland merken), sondern auch um den Diebstahl von Naturressourcen, die plötzlich als „geistiges Eigentum“ von Konzernen deklariert werden. Hier nochmal die Links zu den Büchern:

Geld macht glücklich!

Zumindest scheint das jetzt das Credo der neuesten Studie der INSM (Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft) zu sein. Die hat nämlich jetzt das Glücksgefühl der Deutschen gemessen und wie es sich für eine anständige neoliberale Vereinigung gehört auch gleich die zum Messen notwendige Messlatte definiert, mit der man „Glück“ quantifizieren kann.

Positiv auf das Glücksgeführ sollen sich folgende Faktoren auswirken (INSM-Messwerte in Anführungszeichen, mein Senf danach):

  1. „Wachstum des Bruttoinlandsproduktes“ – Also ehrlich, ohne hier bei Wikipedia nachzuschlagen könnte ich aus dem Stegreif gar nicht exakt sagen, wie das BIP definiert ist. Und die INSM will mir erzählen, dass dieser Wert mein Glücksgefühl beeinflusst?
  2. „Ungleichheit der Einkommensverteilung“ – Genauso wie die relative Dauer einer Minute davon abhängt auf welcher Seite der Toilettentür man sich befindet dürfte das aus der Einkommensungleichheit generierte Glücksgefühl davon abhängen, auf welcher Seite der Einkiommensschere man sich befindet. Und ich wage die Behauptung, dass der Großteil der Deutschen sich wohl auf der benachteiligten Seite befindet. Denen wird dann natürlich wieder eine Neiddebatte angedichtet wenn sie sich über die Ungleichheit bei den Einkommen beschweren.
  3. „Realisierung gewünschter Arbeitszeit“ – Ach deswegen werden so viele Leute entlassen, ein Versuch sie durch das Erreichen des Wunsches weniger arbeiten zu müssen glücklich zu machen…
  4. „Arbeiten im erlernten Beruf“ – Ja, wer seinen Beruf noch als Berufung und nicht als Belastung empfindet kann hier sicher postive Emotionen erzeugen. Noch schöner wäre es aber bestimmt, wenn man von der Arbeit im erlernten Beruf auch noch leben könte, aber diese Option wurde ja schon vor langem von Hans Werner Sinn als die dümmste Idee des Jahres verneint.
  5. „Chance, eine gleichwertige Stelle zu finden“ – Ja, es würde unter dem Aspekt der freien Wahl des Arbeitsplatzes durchaus positiv anzusehen sein, wenn man diese Chance hätte. Die aktuellen Zahlen aus dem Arbeitsmarkt sprechen aber eine deutlich andere Sprache.
  6. „Jährliches Nettohaushaltseinkommen nach Steuern“ – Sehr seltsam. Eingangs noch mit dem Fachbegriff des BIP um sich geworfen und nun zählt nur noch das Nettohaushaltseinkommen nach Steuern. In der Finanzwelt misst man den Erfolg ja oft als EBIT (Earnings Before Interest & Taxes). Also das Einkommen vor Steuern und Zinsen. Ja, mein Glücksgefühl wäre wahrscheinlich höher, wenn ich nicht einen Teil meines Nettohaushaltseinkommens nach Steuern als Zinsen bezahlen müsste. Und was die Steuern angeht, hier wird unterschwellig wieder suggeriert, dass niedrigere Einkommenssteuern mehr Glücksgefühl erzeugen, dass dieses Einkommen nach Steuern aber dann von Verbrauchssteuern mehr als aufgezehrt wird wird verschwiegen.
  7. „Wohneigentum“ – Ja, ich habe Wohneigentum das bislang noch zu großen Teilen der Bank gehört und weswegen ich die unter Punkt 6 erwähnten Zinsen zahlen darf. Macht mich mein Haus glücklicher? Schwere Frage, kaum aus dem Stegreif zu beantworten.
  8. „Guter Gesundheitszustand“ – Zustimmung, ohne Gesundheit ist alles nichts. Schade nur, dass dieser Punkt in der INSM-Liste ganz hinten steht.

Das Glücksgefühl kann aber auch durch folgende Punkte vermiest werden:

  1. „Arbeitslosenquote der abhängigen ziv. Erwerbspersonen“ -  Was sind abhängige ziv. Erwerbspersonen? Klar kann einem die Arbeislosenquote das Gemüse verhageln, vor allem weil man da schön sieht, wie erpressbar man ist denn die unter Punkt 5 bei den positiven Dingen erwähnte Chance existiert real eben nicht mehr.
  2. „Sorge um den Arbeitsplatz“ – Ist eigentlich kein eigener unabhängiger Punkt. Sondern eben mit der obigen Arbeitslosenquote und der Chance auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz gekoppelt. Also eine abhängige Größe die sich wohl mit ein wenig „wissenschaftlichem Brimborium“ durchaus aus den anderen Faktoren errechnen kann. Daher eigentlich als „Messpunkt“ irrelevant.
  3. „Sorge um die finanzielle Sicherheit“ – Womit wir wieder bei der Überschrift sind. Macht Geld glücklich?

Telepolis hat heute auch über diese Studie berichtet und dabei wohl dann Feuer aus Richung der INSM bekommen, anders lassen sich die Zensurvorwürfe aus dem INSM-Watchblog nicht erklären.

Mein Fazit: Geld macht nicht glücklich! Ich bin aber gerne bereit, mich als Versuchsperson zur Verfügung zu stellen um festzustellen, ob mein persönliches Glücks- und Zufriedenheitsgefühl steigt wenn ich mehr Geld habe. Was mich tatsächlich glücklich macht sind meine Familie und meine sozialen Bindungen. Seltsam, dass diese bei einer sozialen Initiative gar keine Beachtung erfahren.

Links für 2009-11-19

So, bevor ich mit dem Hund rausgehe noch ein paar Links auf sehr lesenswerte Artikel:

  • Wir riestern uns arm“ – Der Spiegelfechter mit einem Artikel zur Riesterrente und ihren Konsequenzen für die Konjunktur
  • Verleger wollen neues Leistungsschutzrecht“ – Ingo Jürgensmann über die neuen Lüftschlösser der Verleger die das Internet nicht verstanden haben. Ich denke, da wird irgendwann eine GEZ für Blogger herauskommen.
  • Zahl des Tages“ – Der heutige Wirtschafsquerschuss beleuchtet die finanzielle Situation der USA heute. Passt wunderbar zur Analyse von Freeman von gestern.

150 Euro für die Bildung

Heute nachmittag im Autoradio gehört und jetzt bei der TAZ gefunden:

Die neue Bundesregierung werde „jedem neu geborenen Kind ein Zukunftskonto mit einem Startguthaben von 150 Euro einrichten“, heißt es in dem Papier, das der taz vorliegt. Darüber hinaus wolle man Einzahlungen bis zur Volljährigkeit mit einer Prämie unterstützen. Die Initiative, die sich an der bisherigen Förderung des Bausparens orientiert, solle „ein wirksamer Anreiz für mehr private Bildungsinvestitionen“ sein.

Na, das hört sich ja wieder toll an. „Zukunftskonto“. So wie es da oben steht entnehme ich, dass das ein Sparbuch wird welches am 18. Geburtstag fällig werden wird und mit 150 Euro Startkapital ausgestattet wird. Und wer seinem Kind da was einzahlt bekommt Prämien auf die eingezahlten Beiträge, die dann auch erst mal auf diesem Zukunftskonto gebunkert sind.

Warum nur erinnert mich das ganze irgendwie an die Riester-Rente. Hier ist der Köder der einem hingeworfen wird nicht die angebliche „Versorgungslücke“ im Alter, sondern natürlich die Zukunft der Kinder. 150 Euro sind, wenn es um die Ausbildung der Kinder geht nicht viel, das reicht aktuell gerade für einen guten Schulranzen und Turnbeutel im Set. Aber halt, das Geld gibts ja erst mit 18, also nix mit Schulranzen.

Hier wird unterschwellig ein Druck auf die Eltern aufgebaut, fleißig für die Zukunft ihres Nachwuchses zu sparen damit der dann später seine Studiengebühren bezahlen kann. Wobei es ja nicht so ist, dass ich meinen Kindern keine Ausbildung finanzieren will, wer es sich leisten kann hat jetzt schon so etwas wei eine „Ausbildungsversicherung“, also eine spezielle Kapitallebensversicherung die im Falle des Todes dann auch den Betrag auszahlt und man so den Kindern in jedem Fall eine Ausbildung ermöglichen kann. Wie gesagt, wenn man es sich leisten kann, denn pro Kind wollen die Versicherungskonzerne hier im Monat schon um die 50 Euro.

Also wird nun für die Geringverdienenden ein „Zukunftskonto“ angelegt, damit die halt das Geld, was eventuell (wenn auch sehr unwahrscheinlich) am Monatsende noch übrig ist vorbildlich in dieses Zukunftskonto stecken und so das Geld erst mal den Banken zum Spekulieren geben.

Statt nach dem Gießkannenprinzip 150 Euro über jedes Neugeborene auszuschütten (Kinder der „Reichen“ werden das sicher nicht nötig haben) hätte man eher die zukünftigen Kosten der Bildung der Kinder angehen können. Der Wegfall von Studiengeübhren dürfte um einiges sinnvoller sein, als dieses angebliche „Zukunftskonto“.

Nur meine Meinung und vielleicht irre ich mich hier ja auch, aber ich bin zu oft schon von unserer neoliberalen Elite veräppelt worden um so etwas ohne es gründlich zu hinterfragen zu bejubeln.

Update: Das ganze steht jetzt auch im Koalitionsvertrag ab Zeile 2594 also kriegt der Artikel jetzt auch „Koalitionsvertrag“ als Stichwort..

Die unterste Schublade

Heute bin ich über einen Artikel bei der Süddeutschen Zeitung gestolpert den ich nicht unkommentiert lassen möchte. Unser allseits „beliebter“ Golfspieler- und Golfklubförderer Thilo Sarrazin hat wieder mächtig vom Leder gezogen. Nicht nur über die Bundeshauptstadt hat er kräftig abgelästert, sondern natürlich auch wieder die unterste Schublade aufgezogen um über das „Prekariat“ zu lästern.

Es gebe auch das Problem, „dass 40 Prozent aller Geburten in der Unterschicht stattfinden“, sagt er, und sie füllten die Schulen und die Klassen.

Tja, Herr Sarrazin, die „elitäre Oberschicht“ behauptet von sich ja immer, sie würde 50% des Steueraufkommens bestreiten, da bin ich schon froh, dass die „Unterschicht“ 40% der Geburtenrate hat, denn diese Kinder zahlen irgendwann mal meine Rente. Und wenn diese Geburtenrate tatsächlich so hoch ist, wie vereinbart sich das dann mit dem „demographischen Problem“ das immer dann hervorgezaubert wird wenn man die gesetzlihce Rente schlechtreden will?

Zudem gebe es in Berlin stärker als anderswo das Problem „einer am normalen Wirtschaftskreislauf nicht teilnehmenden Unterschicht“, so Sarrazin. „Wir müssen in der Familienpolitik völlig umstellen: Weg von Geldleistungen, vor allem bei der Unterschicht.“

Sehr gut beobachtet Herr Sarrazin. Um am sogenannten Wirtschaftskreislauf teilzunehmen braucht man das,. was den Kreislauf in Gang hält. Beim Menschen ist es Blut und bei der Wirtschaft ist es… na, was wohl? Richtig G-E-L-D. Und genau das wollen sie ja der „Unterschicht“ vorenthalten und den Leuten die sie nicht unterstützen wollen dann auch noch „Konsumverweigerung“ (ein anderes Wort für „nicht am Wirtschaftskreislauf teilnehmen“) vorwerfen?

Und die „Unterschicht“ wäre auch keine „Unterschicht“ wenn nicht Leute wie sie da wären die sich selbst als „Elite“ bezeichnen und hemmungslos die Umverteilung von unten nach oben propagieren würden. Ja, ich kann mich noch an Zeiten erinnern, da hatten wir noch keine neoliberalen Politiker und sonstige Mietmäuler, da ging es den Menschen noch vergleichsweise gut und alle konnten am Wirtschaftskreislauf teilnehmen.

An dieser Stelle möchte ich besonders dem Artikelschreiber der Süddeutschen Zeitung für folgende Zeilen danken:

Dabei ist Sarrazin, der auch schon mal Vorstand der Deutschen Bahn war, in Frankfurt ausgerechnet für Risikocontrolling zuständig.

Er selbst ist derzeit das größte Risiko der Bank.

Das Geschwalle von Sarrazin ist heute auch Thema bei Radio Utopie.

Links für 2009-08-28

Heute wieder einige Links auf sehr lesenswerte Artikel im Netz.

Das Chaos von Berlin

Nein, diesmal meine ich ausnahmsweise mal nicht unsere Bundestagsabgeordneten sondern die Berliner S-Bahn. Dort spitzt sich die Situation dramatisch zu und auf FTD gibt es einen netten Artikel dazu. Besonders lustig ist folgendes Zitat:

Bahn-Personenverkehrsvorstand Ulrich Homburg entdeckte gar Positives in der jetzigen Situation. „Die Talsohle ist erreicht“, sagte er. Nun gebe es eine verlässliche Grundlage für die weitere Planung.

Die S-Bahn in Berlin ist auch seit einiger Zeit immer wieder Thema beim Schockwellenreiter, der als Berliner das Desaster hautnah miterleben darf:

Ich weiß nicht, was in den Köpfen der Bahnmanager vorgeht: 2.000 Menschen entlassen, drei von vier Werkstätten schließen, und das alles ohne Rücksicht auf die Sicherheit der Fahrgäste und nur damit man jährlich 86 Millionen an den Mutterkonzern überweist, das kann doch nur schiefgehen, das sieht doch ein Blinder mit dem Krückstock.

Heute im Autoradio haben wir auf Klassik-Radio dann auch eine längere Reportage gehört in der diese Argumente ebenfalls kamen. Vor lauter Sparzwängen wegen der geplanten Privatisierung der Bahn hat man das Qualitätsmanagement und die Wartung sträflich vernachlässigt. Damit reiht man sich in die Galerie der Bahn-Privatisierungs-Desaster wie in England oder Neuseeland nahtlos ein.

Und vor lauter Renditezielen und Privatisierungsvorhaben hat die Bahn offensichtlich total vergessen, dass ihr primärer Zweck nicht die Gewinnmaximierung sondern die Beförderung von Reisenden und Wirtschaftsgütern zu angemessenen Preisen ist. Dank der Wirtschaftskrise ist die Bahnprivatisierung momentan in der Warteschleife, aber die Berliner S-Bahn und ihr aktuelles Chaos sollten jedem ein mahnendes Beispiel sein.

Und Berlin kann noch froh sein, dass das jetzt im Sommer passiert, zu einer Zeit in der viele S-Bahn-Nutzer wohl im Urlaub sind oder notfalls auf individuelle Verkehrsmittel wie Auto oder Fahrrad umsteigen können. Im tiefsten Winter sind die Alternativen weniger und wenn dann der Lebensnerv des öffentlichen Nahverkehrs betäubt ist, dann macht das sicher absolut keinen Spaß.