Kontraste

Zum Thema Stuttgart 21 gibts auf Twitter ja jede Menge Material. Da habe ich auf die folgenden beiden Videos abgefischt die sehr interessant zu sehen sind. Hier das Werbevideo für Stuttgart 21:

Und hier das Video der Gegner von Stuttgart 21:

Nachdem wir jetzt beide Seiten gesehen haben muss ich das schon kommentieren was zu sehen war:

Das erste Video ist was die technische Umsetzung angeht brilliant. Ein wirklich gut gelungener Animationsfilm und vor allem fällt auf, Sonnenschein überall und der Bahnhof ist fast im Wortsinn blütenweiß rein. Damit versucht man sehr subtil die Zuschauer für dieses Projekt einzunehmen, denn so was sauberes muß doch einfach gut sein. Sogar die Schwellen der Gleise und das Schotterbett sind schön herausgeputzt. Preisfrage: Wer kann mir einen Bahnhof oder eine U-Bahn-Station zeigen die im Betrieb ist und so sauber herausgeputzt ist. Die U-Bahn-Stationen die ich in München kenne sind es jedenfalls nicht und auch der ICE-Umsteigebahnhof Kassel-Wilhelmshöhe ist zwar sauber, aber von „rein“ doch noch ein Stück entfernt.

Das Video der Gegner ist dreimal so lange und hat aber gefühlt ungefähr 10 mal mehr Informationen. Vor allem stellen sie dort eben genau die Fragen, die man auch bei aller futuristischer Technikverliebtheit stellen muss, allen voran die Finanzierungsfrage. Und hier scheint das Projekt (so wie alle anderen öffentlichen Großprojekte) auf dem besten Weg zu sein, ein weiteres Milliardengrab für den Steuerzahler zu werden.

Und dem filmtechnisch hervorragenden Werbefilm könnte man genausogut diese sehr gute technische Analyse gegenüberstellen. Besonders schönes Zitat darau:

Wer einen Tunnel ohne Oberleitung plant, dem hat man, auf gut Schwäbisch, ins Hirn geschissen.

Nachdem man das alles verdaut hat stellt sich einem dann doch die Frage, warum einige Leute in der Baden-Würtembergischen Landesregierung trotz allem dieses Projekt unbedingt haben wollen. Was haben diese Leute davon wenn dieses unsinnige Projekt durchgezogen wird? Aufsichtsratsposten nach ihrem Ausscheiden aus der Politik (was ja hoffentlich schon bald passieren könnte) oder sonstige Vorteile? Und ist das dann ein ausreichender Grund seinen Standpunkt mit Reizgas und Wasserwerfern durchsetzen zu wollen?

Wenn der Staat Amok läuft

Heute am 30. September 2009 ist in Stuttgart ein Stück Demokratie gestorben. Statt einer Herrschaft durch das Volk wurde von den vermeintlich Herrschenden auf das Volk einprügeln lassen. Bei den Demonstrationen gegen das Projekt „Stuttgart 21“ eskalierte die Situation und die gewaltbereite und entsprechend ausgerüsteten Polizeikräfte setzten Wasserwerfer, Schlagstöcke und Reizgas ein.

Etliche hundert Menschen wurden verletzt, von einem Demonstranten wurde gar berichtet dass er mindestens die Sehfähigkeit eines Auges eingebüßt hat. Viele dieser Demonstranten waren zudem Kinder und Jugendliche die sich auf einer bei den Ordnungsbehörden angemeldeten Demonstration befanden. Später wird man dann in den Mainstreammedien wie der Bild-Zeitung wohl lesen, das Pflastersteine von den feigen Demonstranten die sich hinter Kindern verschanzten geworfen wurden.

Twitter brachte mit #s21 sozusagen die embedded Live-Reportage vom Schauplatz des Geschehens. Und was man dort von den Leuten vor Ort gemeldet bekam war angsteinflößend. Ein Polizeikessel und der willkürliche Einsatz von Wasserwerfern und Tränengas gegen Demonstranten egal welchen Alters. In den SWR3-Nachrichten kam meinte dazu der Polizeisprecher,  dass die Leute hätten gehen können nachdem sie aufgefordert wurden und Kinder die Reifen zerstechen eben mit Konsequenzen rechnen müssen.

Wenn diese Eskalation in einem Staat der Achse des Bösen passiert wäre würden sich jetzt die Mainstream-Medien übeschlagen mit der Berichterstattung über die Menschenrechtsverletzungen durch das Terrorregime. Da es aber in Deutschland passiert ist versucht man sich in Ausflüchten.

Für einen massiven und total unverhältnismäßigen gewaltsamen Polizeieinsatz gegen Kinder und Jugendliche gibt es aber keine Ausrede. Die Anwesenheit von Kindern und Jugendlichen war bekannt und wurde aber offensichtlich als Gelegenheit benutzt um unserem Nachwuchs gleich mal zu zeigen, wie wenig sein im Grundgesetz verankertes Recht auf körperliche Unversehrtheit wert ist wenn es darum geht ein vom Volk nicht gewünschtes Milliardenprojekt (oder auch Milliardengrab) umzusetzen.

Nicht mal bei den Montagsdemonstrationen in der damaligen DDR deren Ende wir in 3 Tagen öffentlich zelebrieren wollen hat man sich getraut mit solcher Gewalt gegen die Demonstranten vorzugehen. Wasserwerfereinsätze kenne ich eigentlich nur aus dem vorigen Jahrhundert als es zu Krawallen gegen die Rüstung (Pershing II) , die Startbahn West in Frankfurt oder die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf kam. Oder eben aus Filmberichten aus totalitären Staaten die damit Bürgerrechtler drangsalieren.

Was in Stuttgart heute passiert ist lässt sich nicht mehr ungeschehen machen. Die Landesregierung muss dafür zur Verantwortung gezogen werden und die sollte sich nicht nur auf Rücktrittsforderungen für Ministerpräsident Mappus und Innenminister Rech beschränken, sondern auf orderntliche strafrechtliche Ermittlungen. Körperverletzung im Amt ist das Mindeste was hier in meinen Augen vorliegt.

Hier mal ein paar Links zu weiteren Berichten:

Presse

Blogsphäre

Heute nacht um Mitternacht soll der erste Baum auf dem Gelände gefällt werden. Ein deutlicheres Zeichen für die fehlende Zustimmung des Projekts beim Volk gibt es kaum als die Tatsache, dass man solche Arbeiten mitten in der Nacht machen muss. Aber Nacht- und Nebelaktionen oder geheime Absprachen sind in Deutschland ja mittlerweile schon fast an der Tagesordnung.

Eine Regierung die zu solchen Mitteln wie heute in Stuttgart geschehen greift hat in meine Augen jedenfalls jegliche demokratische Legitimation verloren und sollte schleunigst aus dem Amt gejagt werden.