Sie haben es tatsächlich gewagt

Gestern war ein denkwürdiger Tag. Die Regierungskoalition hat die Websperren beschlossen und damit faktisch den Grundstein für eine universelle Zensur von beliebigen Inhalten gelegt.

Da war es egal, daß bei der größten Petition aller Zeiten sich knapp über 134.000 Mitbürger gegen ein solches Vorhaben ausgesprochen haben. Da war es egal, daß unzählige Experten davon abgeraten haben, wohl wissend daß so ein Beschluß die Büchse der Pandora öffnet und man die Geister die man damit ruft nie mehr los wird.

In ihrer absoluten Überheblichkeit sind unsere Volksvertreter leider zu weit gegangen. Offensichtlich ist es bei ihnen noch nicht angekommen, daß sie damit nicht Lieschen Müller verarschen sondern „Netizens“, also Leute die über ein gewaltiges Netzwerk an Kontakten zu anderen Leuten verfügen und dieses nun auch für einen Wahlkampf nutzen werden, dessen oberstes Ziel nur lauten kann: Jagt diese Regierung zum Teufel!

Wie ein Oppositionsredern der FDP angemerkt hat ist dieses Gesetz nicht nur verfassungswidrig weil es der Zensur Tür und Tor offnet sondern es ist in sich schon verfassungswidrig weil der Bund damit in die Kompetenzen der Ländergesetzgebung eingreift.

Ab heute herrscht Infokrieg und auch wenn die Regierung die weitgehende Kontrolle über die Printmedien hat und in der Bild-Zeitung sozusagen ihr offizielles Propaganda-Sprachrohr hat schläft das Netz nicht.

Bereits heute morgen war eine Seite online, auf der man nachsehen kann welcher Abgeordnete wie abgestimmt hat. Hier der Dank an Jörg Tauss und die anderen Abgeordneten die genügend „Arsch in der Hose hatten“ bei diesem wichtigen Thema eine namentliche Abstimmung zu erzwingen. Jörg Tauss hat natürlich gegen das Gesetz gestimmt und das auch sehr gut begründet.

Bislang habe ich meinen RSS-Reader noch gar nicht angeworfen um die üblichen Seiten abzugrasen, aber über die Kommentare des Heise-Forums zum Thema habe ich mittlerweile wieder Links auf soviele neue interessante Blogs erhalten, dass meine Blogroll wohl bald in die dreistelligen Bereiche geht.

Auch wenn ein einzelner Blogger vielleicht nicht die gleiche „Reichweite“ hat wie eine gedruckte Zeitung, so sind wir den Print-Medien trotzdem zahlenmäßig weit überlegen. Und als besonderer Vorteil kommt die direkte Verfügbarkeit der Informationen im Netz (wenigstens solange die Sperr-Infrastruktur noch nicht aktiv ist) hinzu was bedeutet, dass jede „Netzbürger“ sich blitzschnell aus diversen Quellen informieren kann und nicht mehr auf die Informationen aus einer Tageszeitung angewiesen ist.

Zudem werden am morgigen Samstag in vielen deutschen Städten Demonstrationen stattfinden. Es werden also „Netzbürger“ auf die Straße gehen um den „Normalbürger“ zu informieren, daß unsere Regierung gerade eines der elementarsten Grundrechte außer Kraft gesetzt hat.

Natürlich wird es Verfasungsbeschwerden gegen dieses Gesetz geben. Aber bis die verhandelt sind wird noch viel Zeit vergehen. Und da wir ja jetzt die Endphase des Bundestagswahlkampfes haben kann unser aller Aufgabe nur darin bestehen, den Dialog mit den von der Propaganda manipulierten Massen zu suchen und unseren Standpunkt deutlich und nachdrücklich darzulegen.

Den kann man übrigens in Artikel 5 des Grundgesetzes nachlesen:

„Eine Zensur findet nicht statt.“

Eine weitere wichtige Funktion ist, das Thema auch in die Welt zu tragen. Gerade eben habe ich ein paar Links auf englischsprachige Seiten via IRC in die Welt geschickt, denn die Chat-Freunde aus anderen Staaten sind durchaus an der politischen Entwicklung in anderen Staaten interessiert.

Lasst uns diese Regierung am 27. September dermaßen abwatschen, daß sie sich ihr Leben lang an diesen Denkzettel erinnern werden. Und vielleicht merken sie dann, daß das Netz lebt und ähnlich wie ein Organismus auch Abwehrkräfte gegen Angreifer auf die Freiheit im Netz mobilisieren kann.

Wobei hier nochmals ganz klar hervorgehoben wird, daß wir unter Freiheit nicht das Recht verstehen strafbare Inhalte im Netz zu verteilen und abrufen zu können. Aber darum geht es letztlich auch gar nicht, wie der CDU-Politiker Thomas-Strobl aus Baden-Württemberg (übrigens der Schwiegersohn von Bundesinnenminster Schäuble) heute der erstaunten Welt präsentiert hat. Das Protokoll der Bundestagssitzung war wohl noch nicht mal fertig getippt, da fordert er schon eine Ausweitung der Sperren auf Killerspiele. Und ich würde nicht dagegen wetten, daß nicht schon ganz andere Begehrlichkeiten in der Warteschlange stehen, wie z.B. das Sperren von Filesharing-Seiten, das Sperren von unliebsamer Kritik und vielleicht sogar das Sperren meines Blogs. Ok, vielleicht messe ich mir hier jetzt zuviel Bedeutung bei, aber ausschließen möchte ich aktuell gar nichts.

Ich bin jedenfalls der Ansicht, daß ich es meinen beiden Kindern schuldig bin dafür zu sorgen, daß der Rechtsstaat wiederhergestellt wird. Schließlich haben sie ein Recht darauf in einer Demokratie aufzuwachsen.