Kampagnenjournalismus?

Gestern abend tauchte ein Artikel der AZ in meinem Newsfeed auf der eigentlich nur unter der Kategorie „Kampagnenjournalismus“ abgeheftet werden kann. Heute sprang mich der Artikel dann von Seite 2 der Augsburger Allgemeinen an. Es geht um die Studiengebühren und die Aussage, dass diese für Studenten nicht abschreckend sind:

Doch all das scheint trotzdem niemanden von einem Studium abzuschrecken: 423 400 Abiturienten haben nach der neuen Hochschulstatistik des Statistischen Bundesamtes in diesem Jahr ein Studium begonnen, das waren drei Prozent mehr als noch im Vorjahr.

Na, das sind ja hervorragende Nachrichten. Am Anstieg eines statistischen Wertes erkennen wir sofort, dass Studiengebühren nicht abschreckend sind. Wenn man sich das ganze ohne die rosa Kampagnenbrille anguckt, fallen einem aber viele Dinge ein.

Wie hat sich im Beobachtungszeitraum die Zahl der Leute mit Hochschulreife entwickelt? Wenn wir hier z.B. 10% mehr Abiturienten hätten, dann wären 3% mehr die ein Studium anfangen eigentlich ein Rückgang.  Diese Frage wird dann sogar eigentlich bestätigt, wenn man ein paar Sätze weiter liest:

„Das liegt vor allem daran, dass immer mehr Menschen eine Studienberechtigung erwerben“, sagt Pia Brugger, Referatsleiterin beim Statistischen Bundesamt.

Also haben wir mehr Menschen mit Studienberechtigung, klar dass wenn der gleiche Prozentsatz wie bisher sich dann fürs Studieren entscheidet das dann einen Zuwachs auch bei den Studienanfängern bewirkt. Apropos Studienanfänger. Vielleicht sollte man auch mal ein wenig über den statistischen Tellerrand hinausgucken und feststellen, dass wir gerade eine gewaltige Wirtschaftskrise haben. Firmen sind froh um jeden den sie „freisetzen“ dürfen und im Herbst durfte man in der Zeitung mehrere Seiten mit Kleinanzeigen bewundern in denen junge Leute verzweifelt einen Ausbildungsplatz suchen. Wäre ich heute mit dem Abi fertig, dann würde ich natürlich mich auch erst mal in Richtung „Studium“ orientieren, sozusagen die „Warteschleife im Jobmarkt mit dem Nebeneffekt der höheren Qualifikation“. Denn auch für Abiturienten scheinen die Ausbildungsplätze in der Wirtschaft rar zu sein.

Was also liegt näher, als in ein Studium einzusteigen. Augen zu und durch. Irgendwie wird es schon gehen. Und wenn es nicht geht, dann muss man eben sehen was man dann macht. Alternativ könnte ich auch jubeln, dass immer mehr Menschen sich als „Selbständige Unternehmer und Existenzgründer“ sehen und ihr Glück im eigenen Geschäftsmodell suchen. Kunststück, wenn am Arbeitsmarkt sonst nix zu holen ist außer ALG II. Diese Euphorie relativiert sich aber sehr schnell, wenn man guckt, wieviele dieser Selbständigkeitsträume zerplatzen und die Menschen danach mit Insolvenz und einem großen Schuldenberg dastehen. Ja, sie haben es versucht, aber sind dann letztlich doch auf der Strecke geblieben.

Die Frage wäre doch, wieiviele Studenten auf der Strecke bleiben, weil die Studiengebühren ja auch irgendwie finanziert werden wollen und man gezwungen ist, nebenbei und damit kontraproduktiv für das Studium zu jobben um das Geld irgendwie aufzutreiben.

Aber klar, da behauptet man lieber dass die Studentenzahlen ja steigen, soo schlimm kann es also gar nicht sein. Ich wage das Gegenteil zu behaupten und bin froh, dass mein Studium schon 25 Jahre her ist. Damals war Bildung noch „ohne“ Studiengebühren und sonstige „Aufwandsentschädigungen“ (Kopiergeld, etc.) zu haben. Aber heute lügt man lieber mit Statistik um Mißstände schönzureden.