Und? Mit was hat man heute versucht Euch in den April zu schicken? Meinen „gemeinsten“ Aprilscherz habe ich im Jahr 1997 gemacht. Damals war ich Gausportleiter und habe bei allen Meisterschaften die wir im Frühjahr durchführten Zettel zum Mitnehmen ausgelegt die über eine revolutionäre Entwicklung auf dem Gebiet der Schießstandtechnik berichteten. Das Original gibt es nur noch in Papierform in meiner Sammlung aber mit ein wenig OCR ist es mir gelungen, es für die Nachwelt zu konsverieren:
Revolutionäre Neuerung auf dem Gebiet der Schießtandtechnik
Liebe Schützenkameraden,
heute möchte ich, Euer Gausportleiter Rainer König, Euch auf eine interessante Neuerung auf dem Gebiet der Schießstandtechnik hinweisen. Wie lhr vielleicht wisst bin ich beruflich und auch privat oft im lnternet, dem weltweiten Datennetz unterwegs Dort bekam ich schon vor Monaten Kontakt zu einem Amerikaner namens Mark B. Ullet, der ebenso wie wir ein begeisterter Sportschütze ist. Mark ist Mitglied der American Professional Rifle lnterest League (auf deutsch heißt das soviel wie „Amerikanische Professionelle Gewehr lntressen Liga“) und zudem Vertriebsleiter des Schießstandherstellers High Tech Targeting Systems lnc. Mark konnte mir von einer sensationellen Neuerung auf dem Gebiet der Schießstandtechnik berichten und diese Neuigkeiten will ich Euch hiermit weitergeben.
Wie lhr alle zu unserem Leidwesen mitbekommen müsst haben wir in der Öffentlichkeit einen etwas unschönen Ruf als ,,Revolverhelden“ und auch Umweltverschmutzer, fallen doch bei unseren schießsportlichen Aktivitäten jede Menge Bleiabfälle und auch Papierabfälle an. Jeder Schützenverein produziert so jährlich etliches an Altpapier und schwermetallhaltigem Sondermüll. Das muss aber nicht sein, denn die Firma HTTS lnc. bietet nun einen zukunftsweisenden Schießstand an, den ich Euch hier einmal kurz beschreiben will. Der Schießstand ähnelt dem großen elektronischen Schießstand, der derzeit auf der Olympia-Schießanlage in Hochbrück gebaut wird, nur hat er den Vorteil, dass HTTS lnc. diese Technik auch für ,,normale“ Schützenvereine erschwinglich machen will.
Kernstück des Schießstandes für Luftdruckwaffen ist eine 50×50 cm große spezialgehärtete Druckplatte in weißer Farbe, die wir mir Mark mitteilte aus dem selben Material gearbeitet ist wie die Wärmeschutzkacheln am Space Shuttle. Diese Druckplatte wird dort montiert, wo sich normalerweise der Kugelfang befindet. Die Platte ist mit hochempfindlichen elektronischen Sensoren ausgestattet, die genau ermitteln können, wo die Kugel einschlägt.
Zweiter Bestandteil des Schießstandes ist ein Projektions- und Auswertungssystem, das in etwa so groß ist wie ein Aktenkoffer. Dieser Projektor wird in etwa 2 m Abstand zur Druckplatte entweder auf den Boden gestellt, oder stationär an der Decke des SchierJraumes befestigt. Und diese Projektions- und Auswertungseinheit hat es in sich. lm untenstehenden Bild seht lhr den Aufbau in der Variante ,,Projektor am Boden“.
Mit Hilfe des Projektors können auf die weiße Druckplatte beliebige Scheibenformen projiziert werden. Die Standardprogramme enthalten die UIT-Spiegel für Luftgewehr und Luftpistole, erweiterte Programme (auf Diskette nachrüstbar) enthalten auch Gaudischeiben wie ,,Schachbrettmuster“ oder ,,Luftballonscheibe“. Oberhalb der Druckplatte wird für den Schützen deutlich sichtbar das Trefferergebnis auf eine 80×80 cm große Fläche projiziert. Die Auswahl des Schießprogramms und der Anzeige erfolgt über eine lnfrarot-Fernbedienung am Schießtisch. Bei der Trefferanzeige kann der Schütze das Trefferbild des aktuellen Schusses anzeigen lassen oder auch das komplette Schußbild über alle abgegebenen Schüsse. Ebenso wird natürlich der Ringwert und der Teiler des Treffersangezeigt. Und als besonderes ,,Schmankerl“ zeigt die Anlage auch die elektronisch ermittelte Auftreffgeschwindigkeit der Kugel an, Waffen bei denen z.B. die Dichtungen nachlassen können hier schnell erkannt werden, bevor der Schütze einen Leistungsabfall beklagen muss.Sämtliche Daten können natürlich auch an einen zentralen Auswertcomputer weitergeben werden. Die Luxusausführung der Fernbedienung enthält zudem einen kleinen Drucker, der dann das Ergebnis (10er-Serien und Gesamtergebnis) sowie das Schußbild ausdrucken kann. Auch elektronische
Trainingsbücher können geführt werden, der Schütze kann selbst erkannte Fehler (z.B. verrissen nicht lange genug nachgezielt etc) durch Tastendruck in das Trainingsbuch eintragen und so seinen Trainingsfortschritt lückenlos dokumentieren.
Von der beschriebenen Anlage gibt es auch eine Sonderausführung (Codename ,,Running Bull“) mit einer auf 200 cm breiten Druckplatte, die wahlweise 2 nebeneinander liegende Schießstände ersetzt oder per Programm dann auch Schießdisziplinen wie ,,laufender Keiler“ (in Amerika ist das die beliebte Disziplin ,,Laufender Büffel“) ermöglicht. Hier wird die laufende Scheibe auf der kompletten Breite projiziert.
Vorteil der neuen Anlagen ist, dass keine umständlich zu montierenden Seilzuganlagen mehr notwendig sind und natürlich, dass keinerlei Scheiben mehr als Verbrauchsmaterial eingekauft werden müssen, da alle Scheiben ja vom Projektor erzeugt werden. Das senkt die Betriebskosten einer solchen Anlage gigantisch und bei einem angestrebten Endverkaufspreis von ca. 1000 DM pro Anlage macht sich die Anschaffung schon innerhalb weniger Jahre bezahlt. Da keine Papierabfälle mehr anfallen wurde diese Technik schon für das Umweltabzeichen ,,Blauer Engel“ vorgeschlagen und laut Mark B. Ullet ist HTTS lnc. in Verhandlungen mit dem Umweltbundesamt, ob derartige Neuanschaffungen eventuell bezuschusst werden können.
HTTS lnc. geht jedoch noch einen bedeutsamen Schritt weiter. Nachdem die Diabolo-Kugel ihre Einschlagenergie an der Druckplatte abgegeben hat würde sie nun als flacher Bleiklumpen zu Boden fallen und müsste mühevoll zusammengekehrt und entsorgt werden. Da hier jedoch wirklich nur Blei anfällt und keinerlei störende Papierreste kann dieses Blei sofort recycled werden. Die Firma bietet hierzu eine Bleiauffangrinne an, die ein integriertes Förderband enthält. Dieses Förderband transportiert die Bleireste zu einer BMU (Bullet Manufacturing Unit), einem kleinen elektrisch betriebenen Schmelzofen, der die Bleireste sammelt, einschmilzt und daraus neue kalibrierte Diabolo-Kugeln gießt. Somit muss auch niemals mehr neue Munition angeschafft werden, alles läuft in einem in sich geschlossenen Kreislauf ab und wir Sportschützen werden den Ruf als ,,Umweltverschmutzer“ wohl bald los. Wie mir Mark mitteilte ist der ,,große Bruder“ dieser patentierten Anlage für Bleigeschosse des Kalibers .38 special seit einigen Monaten bei der FBl-Akademie in Quantico (US-Bundesstaat Virginia) im Einsatz und hilft so dem amerikanischen Steuerzahler, Geld für Bleigeschosse und Schießscheiben zu sparen. Die FBl-Agenten trainieren hier mit ihren Dienstwaffen vom Kaliber .38 special und nach Abschluß des Trainings stehen bereits neu gegossene Geschosse zum Wiederladen bereit.
Und nun, liebe Schützenkameraden kommt die große Überraschung. HTTS lnc. will diese Neuentwicklung nicht nur den amerikanischen Schützenvereinen anbieten sondern auch in Europa auf den Markt gehen. Mark will hierzu direkt nach Ostern eine Werbekampagne starten und hat mit mir bereits einen Vorführtermin vereinbart. Wer also lnteresse an diesen neuen Schießanlagen hat ist gerne eingeladen, die Europa-Premiere am Dienstag, dem 01.04.1997 ab 19 Uhr im Vereinsheim der Thomas-Schützen Haunstetten zu besuchen. Mark und ich würden uns sehr über Euren Besuch freuen und Mark hat auch schon anklingen lassen, da HTTS lnc. ein Preisausschreiben veranstalten will. Erster Preis soll ein Ausflug zur FBl-Akademie in Quantico sein und die Gelegenheit, dort mit Special Agents einen sportlichen Wettkampf auf den neuen Schießanlagen zu bestreiten.
Euer Gausportleiter
Dieser Zettel sorgte damals für sehr viel Heiterkeit bei den Teilnehmern der Meisterschaften. Und obwohl ich eigentlich dachte, dass ich da ja so heftig geflunkert habe dass jeder merken müsste dass das ein Aprilscherz war kam dann am 1. April 1997 ein recht aufgeregter Sportschütze um 19:15 ins Vereinsheim gestürmt und fragte ob die schon mit der Vorführung angefangen hätten. Extra aus Biberbach ist der arme Kerl an diesem Abend nach Haunstetten gefahren. Na ja, nachdem die Kinder kamen habe ich das Amt des Gausportleiters abgegeben und heute hat das der Kamerad der damals zur Vorführung kam.