Große Worte – keine Taten

Heute bin ich bei der morgendlichen Zeitungslektüre über zwei Artikel gestolpert, die sehr deutlich den Unterschied zwischen Theorie und Praxis in der Politik aufzeigen. Der erste Artikel handelt von den Feierlichkeiten zum Gedenkan an den 65. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald bei Weimar.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) erinnerte während der Gedenkveranstaltung an den Schwur der „Buchenwalder“, eine Welt des Friedens und der Freiheit aufzubauen. Dieser Schwur sei noch nicht erfüllt, Freiheit, Demokratie, Toleranz und Menschlichkeit müssten immer wieder verteidigt und errungen werden, sagte Lammert.

Ich höre zwar die schönen Worte, allein mir fehlt der Glaube, denn auf der anderen Seite gibt es gerade auch die Diskussion was mit den Häftlingen aus Guantanamo passieren soll:

Obama will das Lager schließen, den Termin musste er auch wegen der Schwierigkeit, Aufnahmeländer für die Häftlinge zu finden, mehrfach verschieben. Derzeit werden in Guantanamo noch rund 180 Terrorverdächtige festgehalten. Das Bundesinnenministerium prüft nach eigenen Angaben die Aufnahme von Gefangenen. Besonders in den unionsgeführten Bundesländern stößt das aber auf Widerstand.

Ja meine Damen und Herren Unionspolitiker, sind wir mal froh, dass die Befreiung des KZ Buchenwald nicht heute passiert, denn dann hätte man wahrscheinlich auch Probleme, die Insassen unterzubringen. Ja, ich weiß dass ich jetzt ganz hart an Godwin’s Law vorbeischramme, aber in meinen Augen ist Guantanamo ebenso wie Buchenwald ein Konzentrationslager. Der marginale Unterschied mag darin bestehen, dass in Guantanamo kein Holocaust an den Menschen stattfindet, aber der Status der dort inhaftierten Menschen ist ein eklatanter Verstoß gegen die Menschenrechte und die Grundprizipien die unsere sogenannte zivilisierte Welt von den Nazis des dritten Reiches unterscheiden.

Wenn dort auch mehr als 8 Jahre nach dem 11. September 2001 Menschen festgehalten werden die immer noch als „Terrorverdächtige“ bezeichnet werden, dann kommt mir das kalte Grausen. Eines der elementaren Rechte in einem Rechtsstaat besteht auch darin, dass einem Verdächtigen in angemessener Zeit ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren eröffnet wird. Stellt dieses Gericht eine Schuld fest, so wird der Verdächtige verurteilt, kann es keine ausreichenden Beweise für eine Schuld feststellen, so heißt das der Verdächtige ist unschuldig, „in dubio pro reo“ wie der Lateiner sagt, im Zweifelsfalle für den Angeklagten. Das gilt natürlich nicht für die Guantanamo-Häftlinge, denn denen wird ja schon das Grundrecht auf eine ordentliche Anklage verwehrt.

Ja, das Zerstören von menschlichen Existenzen war in Buchenwald deutlich brutaler und endgültiger, aber auch das jahrelange Einsperren von Menschen in Käfigen und unter entwürdigenden Bedingungen fällt in die Kategorie „Wie zerstöre ich eine menschliche Existenz“.  Auch ohne Psychologiestudium kann ich mir vorstellen, dass diese Menschen nach 8 Jahren Gefangenschaft eine leere ausgebrannte Hülle sind die ihrer Existenz und Identität beraubt wurden.

Am vergangen Freitag konnte man auch folgenden Eintrag bei Fefe lesen:

Ein Mitarbeiter von Colin Powell spricht aus, was alle schon längst gewusst haben: George W. Bush wusste, dass die Guantanamo-Insassen zum Großteil unschuldig waren. Er hat sie aber trotzdem dort sitzen lassen, weil ihre Freilassung die Legitimität seines Kreuzzugs unterminiert hätte.

Wir stellen also fest: 65 Jahre nach dem Ende der Nazi-Herrschaft kann man folgende Argumente von Politkern lesen die einer „christlichen“ Partei angehören:

„Nach Bayern kommt mir jedenfalls keiner rein“, sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Die übrigen Bundesländer sind skeptisch. „Bevor über die Aufnahme von Guantánamo-Gefangenen konkret gesprochen wird, sollten die Sicherheitsfragen geklärt sein“, sagte Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU) der WELT. Bei aller Solidarität mit den USA müssten die Sicherheitsinteressen Deutschlands Vorrang genießen.

Offensichtlich haben die CDU Innenminister noch nichts von der „Unschuldsvermutung“ gehört und sehen diese Menschen als Bedrohung an. Angesichts dieser Geisteshaltung erscheinen die Worte von Bundestagspräsident Norbert Lammert bei der Gedenkfeier in Buchenwald dann auch als reine Frace.