Kritik an der Kritik an der Zinskritik

Heute haben die NachDenkSeiten einen Artikel des Spiegelfechters Jens Berger mit dem Titel „Kritik an der Zinskritik“ veröffentlicht den ich als Kritiker des Zinssystems nicht unkommentiert lassen möchte.

Während Jens Berger das Zinssystem aus Sicht von Kreditgeber und Kreditnehmer noch relativ gut darstellt kann ich seinen Ausführungen über die Irrtümer der Zinskritiker ganz und gar nicht zustimmen. Zum Thema „Josephspfennig“ schreibt er:

Beim „Josephspfennig“ gibt es kein Risiko, keine politischen und wirtschaftlichen Krisen und keine Geldreformen. In der Realität wäre zumindest ein Teil des verliehenen Geldes durch Kreditausfälle „vernichtet“ worden und was noch übrig bliebe, wäre teilweise durch Inflation, Währungsreformen oder politische Verwerfungen entwertet oder umverteilt worden. Und wenn die Nachkommen Jesu´ gesetzestreue Bürger gewesen wären, hätten sie auf ihre Zinserträge selbstverständlich auch Steuern zahlen müssen.

Der erste Teil ist relativ lustig, denn Kritiker des Zinssystems benutzen ja die Geschichte vom Josephspfennig um zu verdeutlichen, dass das Zinssystem wegen des exponentiellen Wachstums nicht funktionieren kann und eigentlich darauf ausgelegt ist, dass es periodisch zum Systemcrash und Reset kommt. Und Jens Berger versucht nun mit dem Hinweis auf genau das die Zinskritik zu widerlegen.

Der zweite Teil ist absurd. Auch wenn ich als braver Bürger einen Prozentsatz X von meinen Zinseinkünften als Steuern abführen würde so steigt mein Vermögen zwar langsamer, folgt aber dennoch einer Exponentialfunktion. Als Fazit wäre dann der Josephspfennig heute eben nicht 150 Million mal die Erde aus Gold wert sondern vielleicht nur 100 Millionen mal, aber es würde am Ergebnis rein gar nix ändern.

Im nächsten Abschnitt behauptet Jens Berger zum Thema Geldschöpfung um die Zinsen zu bedienen:

Die Geldmenge, die zur Bedienung der Zinsen benötigt wird, muss nicht geschöpft werden – sie ist vielmehr bereits vorhanden.

Ok, machen wir ein einfaches Rechenbeispiel auf: Ich bin die Bank und die im Geldmenge die ich habe beträgt 1000 Euro. Die verleihe ich nun an 10 Mitspieler, jeder kriegt 100 Euro und muss mir 10% Zinsen im Jahr zahlen. Wenn also nach einem Jahr jeder Mitspieler seine 100 Euro plus 10 Euro Zinsen zurückzahlen will, dann müsste die Geldmenge dafür 1100 Euro betragen.  Tut sie aber nicht, ergo wird der eine oder andere Mitspieler Probleme haben seine Zahlungsverpflichtung zu erfüllen. Systembedingt, auch wenn alle Mitspieler in meiner Simulation sich abrackern wie blöd wächst deswegen die Geldmenge nicht, weil ich (derBanker) der einzige bin der sie wachsen lassen kann.

Interessant ist auch die folgende Aussage von Jens Berger:

Es besteht keine Notwendigkeit, Zinsen und Zinseszinsen durch immer neue Kredite zu bedienen und die Geldmenge bleibt durch den Zins weitestgehend unberührt.

Ach?! (In memorian Loriot der heute verstorben ist). Wenn keine Notwendigkeit besteht, Zinsen und Zinseszinsen durch immer neue Kredite zu bedienen, warum haben wir dann alle paar Wochen das Geeiere um neue Rettungspakete für die hochverschuldeten Staaten?

Jens Berger geht in seiner Argumentation von einem „Geldkreislauf“ aus der funktioniert. Tatsächlich habe ich persönlich jedoch den Eindruck, dass dieser Kreislauf schon lange nicht mehr funktioniert und irgendwelche Blutsauger den Kreislauf an systemrelevanten Stellen anzapfen und der Patient „Geldsystem“ daher kurz vor dem Kollabieren steht. Wie anders ist es zu erklären, dass die Schere zwischen arm und reich immer weiter aufgeht und immer mehr Leute immer weniger haben während auf der anderen Seite die wenigen Reichen immer reicher werden?

Binnennachfrage und Konjunktur liegen am Boden weil das Geld das man reinpumpt an anderer Stelle raussprudelt und verdampft. Rechnen wir nur mal die ganzen Rettungspakete für Banken zusammen, woher kommt dieses Geld und wo geht es hin und welche Auswirkungen hat es auf die Geldmenge?

Im nächsten Abschnitt hat Jens Berger wohl ein Problem mit dem „Wachstumszwang“ das er zu entkräften versucht indem er zeigt, dass niedrige Leitzinsen mehr Investitionen anregen als hohe Zinsen. Logisch, wenn ich Geld billig bekomme, dann ist das verlockender sich zu verschulden als wenn ich dafür hohe Zinsen zahlen muss. Das Problem ist trotz allem, dass ich die Zinsen für meine Investition bedienen muss, egal wie hoch der Zinssatz ist. Und als Mitarbeiter in Aktiengesellschaften lernt man schnell, dass der „Investor“ seine Rendite (sprich Zins) haben will, also entweder Wachstum im zweistelligen Bereich beim Gewinn oder die üblichen Reorganistationen mit Arbeitsplatzabbau.

Hier kommen wir eigentlich zur Crux des ganzen: Zinsen die man bekommt bezeichnet man gerne auch als „Geld das arbeitet“. Tatsächlich arbeit Geld überhaupt nicht. Arbeiten tun die Kreditnehmer die mit ihrer Arbeitsleistung die Zinsen aufbringen müssen. Und wenn die Renditeerwartung dann von den Ackermännern der Nation auf 25% und mehr hochgeschraubt wird, dann wird der Kreditnehmer abgewürgt.

Zum Nachdenken regt allerdings in jedem Fall der letzte Abschnitt des Artikels an:

Eine Hauptursache der Finanzkrise liegt übrigens in einem Denkfehler, den die Zinskritiker und die Finanzalchimisten der großen Investmentbanken teilen. Geradeso als hätten die Zinskritiker mit ihrer Geschichte vom „Josephspfennig“ doch recht, versuchten die Mathematiker der Investmentbanken, synthetische Papiere zu entwickeln, die einen risikolosen Zinsertrag versprechen sollten. Risiko und Zins lassen sich jedoch nicht trennen, mit „mündelsicheren“ Kreditverbriefungen kann man trotz AAA-Ratings keine garantierte Traumrendite erzielen. Um diese bittere Erfahrung zu machen, rissen die Finanzalchimisten das gesamte Finanzsystem in eine der schwersten Krisen seit Menschengedenken.

Und jetzt stellen wir uns die Frage, warum die Luftschlösser der Finanzalchimisten das ganze System bedrohen können? Wo haben wir in der Vergangenheit versagt? Warum konnten hier Leute mit finanziellen Massenvernichtungswaffen spielen ohne dass ihnen einer auf die Finger gesehen hat? Könnte es daran liegen, dass es ja eine Weile gut ging und jeder der die Finger mit drin hatte davon profitieren konnte? Ok, hat mit dem Zinssystem nix zu tun, aber regt doch zum Nachdenken an.

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3 Gedanken zu „Kritik an der Kritik an der Zinskritik

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  2. „Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit. (1943)
    Gegen das Böse läßt sich protestieren, es läßt sich bloßstellen, es läßt sich notfalls mit Gewalt verhindern, das Böse trägt immer den Keim der Selbstzersetzung in sich, indem es mindestens ein Unbehagen im Menschen zurückläßt. Gegen die Dummheit sind wir wehrlos. Weder mit Protesten noch durch Gewalt läßt sich hier etwas ausrichten; Gründe verfangen nicht; Tatsachen, die dem eigenen Vorurteil widersprechen, brauchen einfach nicht geglaubt zu werden – in solchen Fällen wird der Dumme sogar kritisch -, und wenn sie unausweichlich sind, können sie einfach als nichtssagende Einzelfälle beiseitegeschoben werden. Dabei ist der Dumme im Unterschied zum Bösen restlos mit sich selbst zufrieden; ja, er wird sogar gefährlich, indem er leicht gereizt zum Angriff übergeht.
    Daher ist dem Dummen gegenüber mehr Vorsicht geboten als gegenüber dem Bösen. Niemals werden wir mehr versuchen, den Dummen durch Gründe zu überzeugen; es ist sinnlos und gefährlich.
    Um zu wissen, wie wir der Dummheit beikommen können, müssen wir ihr Wesen zu verstehen suchen. Soviel ist sicher, daß sie nicht wesentlich ein intellektueller, sondern ein menschlicher Defekt ist. Es gibt intellektuell außerordentlich bewegliche Menschen, die dumm sind, und intellektuell sehr Schwerfällige, die alles andere als dumm sind. Diese Entdeckung machen wir zu unserer Überraschung anläßlich bestimmter Situationen. Dabei gewinnt man weniger den Eindruck, daß die Dummheit ein angeborener Defekt ist, als daß unter bestimmten Umständen die Menschen dumm gemacht werden, bzw. sich dumm machen lassen. Wir beobachten weiterhin, daß abgeschlossen und einsam lebende Menschen diesen Defekt seltener zeigen als zur Gesellung neigende oder verurteilte Menschen und Menschengruppen.
    …Daß der Dumme oft bockig ist, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß er nicht selbständig ist. Man spürt es geradezu im Gespräch mit ihm, daß man es gar nicht mit ihm selbst, mit ihm persönlich, sondern mit über ihn mächtig gewordenen Schlagworten, Parolen etc. zu tun hat. Er ist in einem Banne, er ist verblendet, er ist in seinem eigenen Wesen mißbraucht, mißhandelt. So zum willenlosen Instrument geworden, wird der Dumme auch zu allem Bösen fähig sein und zugleich unfähig, dies als Böses zu erkennen.
    …Aber es ist gerade hier auch ganz deutlich, daß nicht ein Akt der Belehrung, sondern allein ein Akt der Befreiung die Dummheit überwinden könnte. Dabei wird man sich damit abfinden müssen, daß eine echte innere Befreiung in den allermeisten Fällen erst möglich wird, nachdem die äußere Befreiung vorangegangen ist; bis dahin werden wir auf alle Versuche, den Dummen zu überzeugen, verzichten müssen.“

    Bis hierhin eine erstaunlich korrekte Analyse. Hätte sich Dietrich Bonhoeffer (1906 – 1945) die Ursache der Dummheit bewusst machen können, wäre er kein Theologe mehr gewesen:

    http://opium-des-volkes.blogspot.de/2012/07/der-zins-mythos-und-wahrheit.html

  3. „Auch wenn ich als braver Bürger einen Prozentsatz X von meinen Zinseinkünften als Steuern abführen würde so steigt mein Vermögen zwar langsamer, folgt aber dennoch einer Exponentialfunktion. “
    Nicht das Vermögen steigt in einer Expotentialfunktion, sondern das Geld. Das auch nur diesem idealisierten Beispiel.

    „Als Fazit wäre dann der Josephspfennig heute eben nicht 150 Million mal die Erde aus Gold wert sondern vielleicht nur 100 Millionen mal, aber es würde am Ergebnis rein gar nix ändern.“
    An dieser Aussage zeigt sich der Unterschied zwischen Vermögen und Geld. Die Geldmenge die so stark angewachsen wäre, wäre keine 100 Millionen Golderden Wert. Dafür müsste man davon ausgehen, dass die Kaufkraft des Geldes immer gleich bleibt. Gerade in Deutschland sollte man nach der Hyperinflation wissen was Geldentwertung bedeutet.

    Somit lässt sich also zusammenfassen, dass die Kritik der Zinskritik durchaus berechtigt ist. Wenn man sich näher mit dem Thema Geldschöpfung und Geld an sich auseinander setzt, dann werden bestimmte Zusammenhänge klarer. Anfangs konnte ich der Zinskritik auch folgen. Mittlerweile habe ich verstanden, wieso diese Kritik haltlos ist.
    In meinen Augen liegt das Problem eher an der Verteilung der Güter und Vermögen. Wer viel besitzt, der hat Macht und Einfluss diesen Besitz zu verteidigen und zu vermehren. Die Geschichte und die Gegenwart zeigt dies.

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