Gedanken zum Qualitätsjournalismus

Nachdem das Leistungsschutzrecht am Freitag im Bundestag beschlossen wurde habe ich mir mal ein paar Gedanken über den Zustand des Journalismus in Deutschland gemacht.

Viele Jahre hatte ich die Lokalzeitung hier abonniert, seit mehr als einem Jahr aber nicht mehr. Der Grund lag vor allem darin, dass die Berichterstattung über politische Themen kaum in der Tiefe stattfand die ich gerne gehabt hätte, dafür spendierte man jede Menge Druckerschwärze um am Montag über die Wetten-Das-Sendung vom vorigen Samstag zu berichten. Sorry, aber genau das interessiert mich nicht im Geringsten. Lokale Themen wären durchaus interessant, aber was hier im Stadtteil abgeht seht wieder kaum in der Zeitung und so ist auch der Lokalteil eher untinteressant. Und letzlich trug auch die Erkenntnis, dass wir dank Zeitungsabo immer eine prall gefüllte Papiertonne hatten zum Entschluß bei, das Abo zu kündigen. Besonders in der Vorweihnachtszeit gab es zu ein paar Seiten Zeitung dann jede Menge „Werbebeilagen“ die man auch dann in den Briefkasten geworfen bekommt wenn da ein Aufkleber mit „Bitte keine Werbung“ einwerfen steht.

Vor langer Zeit hatte ich auch mal das Nachrichtenmagazin aus Hamburg abonniert, damals trug es den Titel Nachrichtenmagazin ja noch zu recht und betrieb sogar noch investigativen Journalismus. Und im damaligen Compuserve-Forum war sogar eine sehr anspruchsvolle Diskussion zu politischen Themen im Gange, ein Lob welches ich dort damals gepostet hatte wurde sogar in einer Werbeanzeige eingeblendet.

Doch dann kam im Jahr 1993 ein zweites Magazin auf den Markt welches sich auch „Nachrichtenmagazin“ nannte und die „Fakten, Fakten, Fakten“ reißerisch in seine Werbung einbaute. Ein Blick ins Magazin offenbarte dann aber, dass dieses Nachrichtenmagazin so in etwa das Niveau der Bild-Zeitung hatte und daher hat es dieses Magazin nie geschafft, mich als Leser zu gewinnen. Ja, oft sehe ich die Anzeigen und Werbespots die dann mit „Die 100 besten Unis“ oder „Die 100 besten Ärzte“ usw. werben. Und dann denke ich im Stillen, ob dieses Magazin jetzt zum Posaunenrohr des gelebten Neoliberalismus mutiert ist, denn in einem anständig funktionierenden System braucht es so ein Ranking nicht, da sollte man davon ausgehen können, dass alle Universitäten das gleich hohe Bildungsniveau haben. Denn eigentlich befinden sich Universitäten und Ärzte nicht im Wettbewerb gegeneinander sondern haben einen Bildungs- bzw. Gesundheitsversorgungsauftrag zu erfüllen.

Heute beziehe ich meine Nachrichten somit alle online. Ich habe im Google-Reader eine Menge interessanter Feeds abonniert wobei darunter kaum noch klassische Zeitungen zu finden sind sondern viel mehr Blogs von Leuten, die sich noch die Mühe machen kritisch über das Tagesgeschehen zu berichten. Die zweite Säule der täglichen Nachrichten machen die Social-Networks aus, so manchen Aufreger erfährt man ja mittlerweile zuerst über Twitter oder Google+.

Wobei man sich natürlich Gedanken machten muss, ob der Online-Journalismus in sich eine Faktor ist, der zum Niedergang des klassischen Journalismus geführt hat. Früher in der Zeit der Totholzmedien hatten die Journalisten des Nachrichtenmagazins noch Zeit zum Recherchieren, heute im Zeitalter der 24/7-Verfügbarkeit und der schnellen Nachrichtenstreams sind sie dazu verdammt, möglichst schnell mit der Nachricht online zu gehen, denn wer eine Nachricht zu spät bringt ist „out“. Das führt dann mitunter dazu, dass Online-Nachrichten im Prinzip nur noch 1:1-Kopien der entsprechenden Meldung der Nachrichtenagenturen wie dpa oder Reuters sind. Rechererche und Hintergrundinfos finden nicht mehr statt weil die Schnelllebigkeit des Nachrichtenbusiness mittlerweile Qualität nicht mehr honoriert sondern eher bestraft.

Möglicherweise müssten wir tatsächlichen Qualitätsjournalismus besser honorieren um diese vom Aussterben bedrohte Spezies zu retten. Dinge wie das vorgestern beschlossene Leistungsschutzrecht sind hier aber bestimmt der falsche Weg.

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