Qual-Journalismus

Erinnert Ihr Euch noch an 2006. Damals hatten wir einen sehr hitzköpfigen Verteidigungsminister namens Franz Josef Jung und der wollte unbedingt die Ermächtigung haben um von Terroristen entführte Flugzeuge durch die Bundeswehr abschießen zu lassen.

Doch leider hatte er mit seinem Luftsicherheitsgesetz die Rechnung ohne das Bundesverfassungsgericht gemacht. Das entschied nämlich im Februar 2006 so:

Im Februar 2006 erklärte das Bundesverfassungsgericht eine Abschussermächtigung im Rahmen des Luftsicherheitsgesetzes für rechtswidrig. Die Aufrechnung von Menschenleben in der Luft gegen das am Boden sei mit Blick auf die Menschenwürde „schlechterdings unvorstellbar“ hieß es im Urteil.

So weit so gut. Man sollte meinen, damit wäre die Sache erlledigt. Doch eben lese ich in der heutigen Online-Ausgabe der Zeit folgendes:

Nur die gesamte Bundesregierung darf den Abschuss eines von Terroristen gekaperten Flugzeuges befehlen. Das hat das Verfassungsgericht in Karlsruhe entschieden. Auch in Eilfällen könne nicht allein der Verteidigungsminister den Einsatzbefehl geben.

Aber hallo. Ist das nicht ein krasser Gegensatz zu dem was das Bundesverfassungsgericht in 2006 entschieden hat? Im Artikel heißt es weiter:

Die Bundeswehr darf laut einem früheren Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Terroristen entführte Flugzeuge abschießen, um größere Katastrophen zu verhindern.

Folgt man zu dem verlinkten Artikel wird man wieder überrascht. Da steht nämlich wörtlich:

Von Terroristen gekaperte Flugzeuge mit Zivilisten an Bord dürfen aber weiterhin nicht abgeschossen, sondern allenfalls von Kampfflugzeugen mit Warnschüssen zur Landung gezwungen oder abgedrängt werden.

Offensichtlich weiß die Zeit heute selbst nicht, was sie am 17.08.2012 geschrieben hat. Also schauen wir in die Presserklärung des Bundesverfassungsgerichtes. Da finde ich allerdings auch keine Freigabe des Abschusses von Flugzeugen durch die Bundeswehr.

Ok, die Presseerklärung ist schönstes Juristendeutsch. Doch wenn da steht

Hinsichtlich des § 14 Abs. 3 LuftSiG, der die unmittelbare Einwirkung gegen Luftfahrzeuge mit Waffengewalt regelt, wurde der Antrag für erledigt erklärt, nachdem der Erste Senat die Bestimmung mit Urteil vom 15. Februar 2006 – 1 BvR 357/05 – (BVerfGE 115, 118) für nichtig erklärt hatte. Insoweit war das Verfahren einzustellen.

dann heißt das für mich, dass das Bundesverfassungsgericht nicht von seiner Entscheidung aus 2006 abgerückt ist. Und mit diesem Absatz

Gemäß dem heute veröffentlichten Beschluss vom 20. März 2012 ist § 13Abs. 3 Satz 2 und 3 des Luftsicherheitsgesetzes, wonach bei einemüberregionalen Katastrophennotstand im Eilfall der Bundesminister der Verteidigung die Entscheidung über einen Einsatz der Streitkräfte trifft, mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig.

wird eben verhindet, dass der Verteidigungsminister im Alleingang ohne Regierungsbschluss etwas entscheidet. Hat sich also was mit „Nur Regierung darf Abschuss von Terrorflugzeugen befehlen“ wie es die Zeit so schön betitelt hat. Abschießen ist weiterhin keine Option, aber das ist dem Schreiberling dieses Artikels wohl nicht bewusst. Ein typischer Fall von Qual(itäts)-Journalismus eben.

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Ein Gedanke zu „Qual-Journalismus

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