Miranda ist keine Limonade

Die letzten Tage war die Welt in hellem Aufruhr, denn eine Stadt in den USA war sozusagen im Ausnahmezustand. Nachdem es beim Boston-Marathon zu Bombenanschlägen gekommen war wurden schnell Tatverdächtige ausgemacht und gejagt. Nebenbei wurde eine Ausgangssperre verhängt und das öffentliche Leben in Boston und Umgebung kam zum Erliegen, wegen der Jagd auf die Verdächtigen.

Boston ist ja nun kein kleines Dorf sondern dürfte in der Größenordnung von Augsburg liegen. Man stelle sich nur mal vor, beim letzten Verbrechen das hier verübt wurde hätte man auch die Stadt für ein paar Tage abgeriegelt und Ausgangssperren verhängt, also ich hätte da schon angefragt ob die Verantwortlichen noch alle Latten im Zaun haben.

In Boston hat sich die Bevölkerung brav daheim verkrochen, denn die Anweisungen der Autoritäten stehen ja ganz über allem. Und mittlerweile ist der zweite Tatverdächtige aufgespürt worden, es kehrt also langsam wieder die Normalität nach Boston zurück.

Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass dem zweiten Verdächtigen seine „Miranda-Rights“ nicht vorgelesen wurden. Angesichts der Tat gilt er wohl nicht mehr als simpler Krimineller sondern als „feindlicher Kombattant“ und damit hat er für die amerikanische Justiz keine Rechte mehr. Also kein Recht auf Aussageverweigerung, kein Recht auf einen Anwalt und womöglich wie die Leute in Guantanamo auch kein Recht auf ein ordentliches Gerichtsverfahren.

Einer der elementarsten Stützpfeiler eines Rechtsstaates ist aber der, dass jeder Verdächtige solange als unschuldig zu gelten hat bis man ihm seine Schuld nachgewiesen hat (Unschuldsvermutung). In den USA scheint dieser Stützpfeiler spätestens seit der Präsidentschaft von George W. Bush zerbröselt zu sein, denn diesem Präsidenten haben wir ja Guantanamo und die damit verbundenen Menschenrechtsverstöße zu verdanken.

Und hier in Deutschland? Was ist nach den Bombenanschlägen passiert? Ein Hans-Peter Uhl konnte gar nicht abwarten bis die Trümmer der Explosionen zusammengekehrt waren um für Deutschland gleich eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung zu fordern. Unser Innenminister teilt mit seinem Parteigenossen nicht nur den Vornamen sondern auch die feuchten Überwachungsträume, Innenminister Friedrich fordert nun ganz ungeniert die totale Videoüberwachung, denn Boston hat ja gezeigt, wie toll man dank Videoüberwachung nun Straftaten aufklären kann.

Was Herr Friedrich leider übersehen hat ist die Tatsache, dass all die Video-Überwachung die Anschläge nicht verhindert hat. Es ist also mal wieder typischer Bullshit wenn man behaupten wolle, Videoüberwachung wüde die Sicherheit vergrößern. Apropos Sicherheit, hier mal ein sehr gutes Zitat von einem anderen Präsidenten:

Those who would give up Essential Liberty to purchase a little Temporary Safety, deserve neither Liberty nor Safety.

Der Mann, der das gesagt hat war Benjamin Franklin, ein Mitbegründer der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung.

Das ist eine sehr elementare Erkenntnis zu der man aber wohl mehr Weisheit benötigt als unsere gegenwärtigen Politiker aufbringen können. Und natürlich sind die Medien wieder die Trommelschläger unserer politischen Allmachtsphantasien. Guckt man auf die Webseite des Schmierblattes aus dem Springer-Verlag (auf das ich aus naheliegenden Gründen nicht verklinken werde) dann springt einem die „Jagd auf die Boston Bomber“ ins Gesicht. Und zur Schlagzeile kommt auch gleich der Text „Nach 4 Tagen sind die Attentäter überführt“. Soviel also zum Stellenwert der Unschuldsvermutung im deutschen Blätterwald.

Auch im TV scheint Boston nicht unbemerkt geblieben zu sein. Die ARD hatte wohl einen ihrer Brennpunkte zu Boston am Laufen als folgender Tweet in meiner Timeline ankam:

„Was genau macht die da mit ihrem Brennpunkt? Werbung für den nächsten Schritt zur flächendeckenden Videoüberwachung in D?
— R3obin – 

Die nächsten Tage werden zeigen, wie es weitergeht. Da der Verdächtige schwer verletzt ist stellt sich die Frage, ob er überleben wird. Und wie die amerikansiche Justiz dann mit dem Fall umgehen wird. Und ob ein deutscher Politiker genügend Arsch in der Hose hat um die Freunde in Amerika zur Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien zu ermahnen.

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