Ich verklage unseren Staat

Ich kann mich noch gut erinnern, damals, noch vor der Euro-Einführung, als wir die Finanzierung für unser Haus abschlossen. Wie uns der Bankberater lächelnd erklärte, dass die Raten am Anfang schon hoch erscheinen, aber „denken sie mal daran, wie in den nächsten Jahren ihr Gehalt steigen wird, da wird dann die Belastung immer weniger“. Ja, super also haben wir das so gemacht. Dann kam Gerhard Schröder, Rot-Grün und Peter Hartz. Der Niedriglohnsektor wurde dramatisch erweitert und seitdem stagnieren die Löhne und Gehälter. Entsprechend heftig war auch die Belastung für die Hausfinanzierung. Hätte unser Staat nicht so derb die Löhne sabotiert, dann wäre ich jetzt reicher als ich jetzt bin. Grund genug, eine Schadenersatzklage gegen den Staat anzustrengen.

Jetzt sagt ihr bestimmt „Nun ist er total irre“. Dann schaut euch mal folgendes Video an:

Ja, momentan wird hinter verschlossenen Türen über das sogenannte Freihandelsabkommen verhandelt. Sollte das in Kraft treten, dann können Konzerne souveräne Staaten auf Schadenersatz verklagen wenn ihre Zukunftsträume nicht wahr werden. Natürlich werde ich als Bürger eines Staates diesen nie verklagen können weil das was ich mir für die Zukunft vorgestellt habe nicht eingetreten ist. Aber ich bin ja auch nur ein Bürger und damit gar nicht systemrelevant.

Großkonzerne und Investoren hingegen scheinen die Gabe zu haben zukünftige Entwicklungen genau vorherzusehen und wenn es dann anders kommt braucht man natürlich einen Schuldigen, im Zweifelsfall muß halt der Staat für entgangene Gewinne haften. Sprich: Wir brauchen keine Marktwirtschaft nach dem Motto „Konkurrenz belebt das Geschäft“ mehr, sondern jede Firma gibt nur noch ihre Umsatz- und Rendite-Ziele ab und wenn die nicht erreicht werden dann verklagt man halt den Staat, denn der muß ja schuld sein.

Letztendlich wird damit das Recht auf Profit als übernationales Grundrecht der Wirtschaft implementiert und alle nationalen Gesetze werden ausgehebelt. Anwälte werden sich eine goldene Nase verdienen. Und Wertschöpfung wird entwertet. Das ist wahrhaft eine so großartige Zukunftsperspektive dass man diesen Schwachsinn mit allen Mitteln (inklusive Artikel 20 Absatz 4) verhindern muss.

Natürlich werde ich unseren Staat nicht verklagen, denn ich habe ja noch das, was man gemeinhin als gesunden Menschenverstand bezeichnet. Und mein Rechtsempfinden sagt mir, dass man die Unterhändler welche bereit sind das für Deutschland zu unterzeichnen wegen Hochverrat vor Gericht stellen sollte.

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8 Gedanken zu „Ich verklage unseren Staat

  1. Sie haben es im letzten Absatz ganz korrekt gesagt: Verklagen Sie die Unterhändler, aka Regierung, die diese Abkommen unterzeichnet hat. Den Staat zu verklagen, macht nicht viel Sinn, da wir alle den Staat ausmachen (ich weiß aber, was Sie meinen).
    Nicht zu verklagen (wen oder was auch immer) hat jedoch nichts mit gesundem Menschenverstand zu tun, sondern einzig und allein etwas mit der Erkenntis, dass, wer den „Staat“ verklagt, hat meistens schlechte Karten, denn der „Staat“ sitzt am weitaus längeren Hebel.
    Übrigens gibt es noch eine ganze Menge mehr, weswegen man die Regierungen der letzten Jahre verklagen könnte: ESM, EEG, GEZ, Politabzocke, Selbstbedienung der politischen upper class etc. Man braucht aber gar nicht zu klagen, man muß sich nur wehren. Und das auch nicht alleine im stillen Kämmerlein oder am Stammtisch, sondern mit mehreren und/oder vielen. Ich selbst habe dies schon durchexerziert im Protest gegen überhöhte Gas- und Stromrechnungen. Zunächst mit großem Erfolg; aber der „Staat“ ist geschmeidig und erläßt unternehmens-genehme Gesetze, die weiteren Protest ins Leere laufen lassen.

  2. Danke für den Link!

    Ist der tatsächlich mittlerweile menschenverachtende Kapitalismus eigentlich noch zu stoppen?

    Ich habe schon länger das Gefühl, dass wir zu realen Sklaven des o.g. geworden sind. Politik nur noch als Marionette fungiert und wir es „klaglos“ ertragen.

    Wie viel muss eigentlich noch geschehen, bevor WIR, die Gesellschaft, dem ganzen einen Riegel vorschiebt??

    • Ich für meinen Teil habe entschieden, dass irgendwelche Gesetze und Regeln die in geheimen Verhandlungen von irgendwelchen Lobbyisten „beschlossen“ werden für mich nicht bindend sind. Und sollten sie Auswirkungen auf mich haben, dann scheue ich auch nicht den Gang bis vors Bundesverfassungsgericht. Ansonsten bleibt leider nur der Widerstand gemäß Artikel 20 Abs. 4 GG.

  3. Sehr treffend, die eigenen Träume jenen von Unternehmen gegenüber zu stellen. Das veranschaulicht einiges…

    Ein weiteres Muster aus der Rubrik: Schulden verstaatlichen, Gewinne privatisieren…? Ich kenne diese Freihandelsabkommen nicht und kann daher auch nicht über die Konsequenzen urteilen. Dafür habe aber auch ich erfahren, wie Bankangestellte ihre Kunden einlullen, um mit ihnen (für die Bank) möglichst gewinnbringende Geschäfte abzuschliessen. Hier mein ausgeweiteter Erfahrungsbericht: http://cuirhommeblog.wordpress.com/2012/06/20/krise-welche-krise/

    Ich ignoriere mittlerweile jegliche Kontaktaufnahmen von Bankangestellten. Too big to fail gilt wohl nicht nur für „systemrelevante“ Banken sondern alsbald auch für andere Grossunternehmen. Warum nicht gleich verstaatlichen….?

    • Na ja, ich mache dem Banke nicht mal einen Vorwurf, denn aus der Perspektive damals war durchaus nicht absehbar, dass eine rot-grüne Koalition das Volk an die Finanzmafia verkauft. Aber es schaudert mich bei dem Gedanken, dass Firmen mehr Rechte eingeräumt werden sollen als Menschen. Und dasss die Zeichen der Zeit wohl so zu deuten sind, dass man das Geschäftsmodell „reale Wertschöpfung“ zugunsten des Geschäftsmodells „alle wegen irgendwelcher windigen Paragraphen auf maximalen Schadenersatz verklagen“ über Bord wirft.

  4. schon gesehen?

    http://www.avaaz.org/de/no_champagne_for_monsanto_loc/?bbFQLab&v=32145

    zitat:

    „Die Transpazifische Partnerschaft ist ein Geheimabkommen zwischen zwölf Staaten, das Unternehmen beispiellose Macht verleihen würde. Vor globalen Gerichtshöfen könnten sie unsere Regierungen wegen Gesetzen verklagen, die Bürgern den Vorrang vor Unternehmen geben! Von der Kennzeichnung von Gen-Lebensmitteln bis zur Internetfreiheit ‒ alles könnte davon betroffen sein. Wikileaks hat die Geschichte aufgedeckt und nun bildet sich Widerstand. Doch in 48 Stunden wollen die Unternehmen den Deal bereits besiegeln. „

  5. Laut aktueller Tagesschau, wurde zumindest ein Teil der Verhandlungen zu dem Freihandelsabkommen gestoppt. und eine öffentliche Befragung innerhalb der EU soll im 1. oder 2. Quartal erfolgen.

    Der Investitionsschutz scheint nun doch einigen Politikern „Sorge“ zu machen. Oder die Bevölkerung scheint ihnen etwas nervend daher zu kommen.

    Ob da nun mehr, als „Opium für`s Volk“ bei raus kommt, wir werden sehen.

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