Heute sind es drei Jahre her seit wir Zeitzeugen einer Naturkatastrophe wurden die Japan heimgesucht hat und deren Auswirkungen für unseren von manchen Mitmenschen zelebrierten Glauben in die Sicherheit von Atomkraft ähnlich katastophal waren wie damals der Eisberg es für die Titanic war. Und so ein „Jubiläum“ bringt einen einfach zum Grübeln.
Ich kann mich noch gut an mein Studium in den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts erinnern, damals hatte ich „Kernenergie“ als allgemeinwissenschaftliches Wahlpflichtfach und die Fachliteratur beschränkte sich auf wenige Bücher wie z.B. das nebenstehend abgebildete welches 1980 erschienen ist. Die Welt war noch strikt in „Ostblock“ und „Westen“ geteilt, die Atomkraft war sicher und man vertrat die Auffassung, dass ein schwerer Zwischenfall in einem Kernkraftwerk sowieso nur einmal in 100.000 Jahren stattfinden wird. Also kein Grund zur Panik, alle waren glücklich und zufrieden und im nebenstehenden Buch heißt es unter den Sicherheiterwägungen dann auch, dass in 2000 Reaktorbetriebsjahren (Stand 1980 wohlgemerkt) noch kein ernsthafter Zwischenfall passierte und niemand wegen der friedlichen Nutzung der Kernenergie zu Schaden kam. Klar gab es kurz vorher im März 1979 den Störfall im Reaktor „Three Mile Island“ von Harrisburg und passend dazu den Hollywood-Streifen „Das China-Syndrom“, aber das war alles eigentlich noch ganz harmlos und würde ja nie wirklich sich zum GAU ausweiten.
Dann kam der 26. April 1986 und die Explosion des Kernkraftwerkes Tschernobyl auf dem Gebiet der heutigen Urkraine. Das wurde aber von unseren Medien dann eher ausgeschlachtet um den Zerfall der damaligen Sowjetunion zu dokumentieren und natürlich waren die wodkabesoffenen Russen schuld die zu dämlich waren einen Reaktor richtig zu betreiben. Bei uns würde so etwas ja nie passieren.
Und dann kam der 11. März 2011. Vor der Küste von Japan ereignete sich ein Erdbeben der Stärke 9 auf der Richter-Skala. Der Wert 9 ist ein mächtig großes Erdbeben, denn die Richter-Skala ist logarithmisch was bedeutet, dass ein Beben der Stärke 9 also zehnmal heftiger ist als eines der Stärke 8 und 100 mal heftiger als eines der Stärke 7. Das Erdbeben das im April 2009 die italienische Stadt L’Aquila stark mitgenommen hat war mit 6,3 auf der Richter-Skala bewertet. Für mich als Europäer ist daher ein Beben der Stärke 9 kaum vorstellbar. Erschwerend kam in Japan dann der unmittelbar auf das Beben folgende Tsunami hinzu der die gesamte Küstenregion im Bereich Fukushima überspülte und dabei auch das Atomkraftwerk dort stark beschädigte. Gemessen an den Opferzahlen von knapp 20.000 war der Tsunami noch weit hinter den Opferzahlen des Tsunamis vom 26.12.2004 mit geschätzt über 200.000 Toten zurück, die verheerende Wirkung entfaltete er aber im Kernkraftwerk.
Was zunächst als „Kühlprobleme nach dem Tsunami“ gemeldet wurde entpuppte sich dann als Totalverlust und Kernschmelze, also szusagen der Super-GAU was ja an sich schon krass ist, das Wort „Größter Anzunehmender Unfall“ mit der Vorsilbe Super in den Superlativ zu erheben. Da standen wir nun mit einem Reaktor der Schrott war, einer Betreiberfirma die versuchte zu vertuschen und zu verniedlichen und einer stündlich wachsenden Evakuierungszone. Dank dieses Zwischenfalls hat dann auch unsere Kanzlerin den Salto Mortale beim Ausstieg aus dem Ausstieg des Ausstiegs aus der Kernkraft gemacht. Das einzig Positive was man der Katastrophe abgewinnen könnte.
Und auch am 3. Jahrestag der Katastrophe ist diese noch längst nicht bewältigt. Täglich fließt radiokatives Wasser ins Grundwasser und ins Meer und mittlerweile interessiert sich aber kaum mehr einer dafür, die Schreckensnachrichten sind längst anderen Nachrichten gewichen. Wenn man aber ein wenig verfolgt, wie die letzten drei Jahre in Fukushima verlaufen sind, dann ist das eine fürchterliche Aneinanderreihung von Stümperei und Dilletantismus. Ich erinnere mich noch an die Messung der Strahlenbelastung bei der man dann feststellen musste, dass der zu messende Wert wohl weit jenseits des Vollausschlages des Messgerätes liegen muss.
Nach drei Jahren zeichnet sich für mich ab, dass Kernkraft alles andere als sicher und beherrschbar ist. Die in oben erwähntem Buch gemachten Sicherheitsprognosen basieren auf Statistik und „ein Störfall in 100.000 Jahren“ heißt nicht, dass wir jetzt 100.000 Jahre warten müssen bis etwas passiert sondern, dass es im schlimmsten Fall eben auch schon morgen passieren kann. Danach haben wir vielleicht 100.000 Jahre Ruhe, aber das ist ein schwacher Trost. Und wenn man die Anzahl der Kraftwerke in die Kalkulation einbezieht, dann ist der nächste große Störfall irgendwo schon vorprogrammiert. Und was wir auch nicht vergessen dürfen ist die Tatsache, dass wir 1980 noch relativ gute Sicherheitsstandards hatten.
Dann kam der Neoliberalismus und die Privatisierung von Infrastruktur und das Paradigma, dass alles möglichst billig zu tun sei. Die Resultate von über 30 Jahren dieser Sparpolitik sieht man heute an allen Ecken und Enden, marode öffentliche Infrastruktur die nicht repariert wird weil es sich keiner mehr leisten kann. Und selbst wenn ich ein gnadenloser Optimist wäre, so bescheuert dass ich annehme bei der Atomkraft wären die Sicherheitsstandards mittlerweile besser als 1980 bin ich nicht. Wir leben im Zeitalter der Profitmaximierung und Sicherheit ist da ein zweitrangiges Thema. Als Beispiele könnte man das Zugunglück bei Lac-Mégantic in Kanada heranziehen bei dem etwa 80 Leute starben und die Bahngesellschaft aufgrund des Unglückes in die Insolvenz ging. Ich selbst hatte mal einen amerikanischen Brieffreund (in Zeiten der Briefpost) welcher mir berichtete, dass es in Amerika nichts ungewöhnliches wäre, wenn ein Zug entgleist. Niemand will die Strecken sanieren, denn das kostet Geld während ein entgleister Zug ja von der Versicherung bezahlt wird.
Wenn ich dann sehe, wie sehr unsere Regierungen angeblich um unsere Sicherheit besorgt sind, dann stößt mich das schon sauer auf. Denn ich wage jetzt mal ganz kühn zu behaupten, dass aufgrund von total bescheuerten „Sparfüchsen“ in den Firmenzentralen mehr Leute zu Schaden kommen als jedes Jahr bei Terroranschlägen zum Opfer fallen. Für die Terroropfer konstruiert man dann aber sogar ein „Supergrundrecht auf Sicherheit“ um die überwachung fürs Volk auszuweiten statt tatsächlich mal die Dinge anzugehen, die tägliche Risiken mit sich bringen.
Rückwirkend betrachtet ist das „Fachbuch“ von 1980 nichts anderes als ein Propaganda-Pamphlet der Atomlobby welches aber damals dank des pseudowissenschaftlichen Anstriches als „glaubhaft“ empfunden wurde. Und heute haben wir die „Mietmäuler“ im Wissenschaftsbetrieb die gegen Geld jede noch so bescheuerte Studie erstellen und diese als „der Weisheit letzter Schluß“ an gutgläubige Politiker verkaufen.
Meine Erkenntnis zum 11. März ist jedenfalls die, dass wann immer Profitinteressen mit im Spiel sind die Sicherheit zurückstehen muss und das Ding früher oder später total katastophal gegen die Wand fährt. Egal, ob Atomkraftwerk, Eisenbahn, Versorgung mit fossiler Energie oder was auch immer, die Profitgier wird langfristig für das Verschwinden der Spezies Mensch sorgen. Und keiner wird sie danach vermissen.
[ratings]
Danke Dir für diesen Artikel. Diese Erinnerungen und Ermahnungen sind sehr, sehr nötig.
Nicht nur bezogen auf Fukushima und wie es dort weitergeht/bisher weitergegangen ist. Auch im Hinblick auf die Entwicklung der nächsten Jahrzehnte. Gerade kämpfe ich mich durch die mindestens abendverderbende Lektüre „Zehn Millionen“. Wir werden bis zum Jahr 2050 ein voraussichtlich derart großes Energieproblem haben, dass ich mir nicht sicher bin, ob die Regierungen, die gerade vollmundig den Ausstieg versprechen, nicht in ein paar Jahren ihr beliebtes Spiel „Was kümmert mich mein Gewäsch von gestern“ spielen. Denn Atomkraft ist momentan so ziemlich die einzige Energiequelle, die auch in 40 Jahren unseren wachsenden Bedarf tatsächlich decken kann – es sei denn wir ändern endlich unser eigenes Verhalten. Das müsste aber leider global geschehen, und zieht so notwendige Konsequenzen wie den Verzicht auf einen Großteil unseres Konsums nach sich.
Da Atomkraft weder sicher noch sauber ist, und wir alle, sollte es nicht zu einem baldigen Ausstieg kommen, noch einen GAU erleben werden (Scheiß auf die Statistik, die ist blödsinnig), sind die Katastrophen, die bereits passiert sind, unsere stärksten Argumente. Sie müssen dringend in Erinnerung gehalten werden. Ich habe das Gefühl, man ist auch hier bereits dabei, die Folgen von Fukushima großflächig unter den Teppich zu kehren – falls man die eigene Strategie in Kürze ändern muss.
Und dann verlasse ich den Planeten. Der Mars soll schön sein. Gab angeblich sogar mal Wasser da oben.
Ja, die nächste Energiekrise wird kommen. Und es gibt genügend Stimmen die sagen, dass das was jetzt gerade in und wegen der Ukraine passiert nicht wegen den Menschenrechten oder Demokratie passiert, sondern wegen Erdgaspipelines. Peak Oil wurde ja schon lange vorhergesagt und wenn Du dazu was lesen willst, dann auf den Webseiten von Chris Martenson.
Keine schöne Welt, die wir unseren Kindern da hinterlassen. Und ja, es wäre an uns, aufzustehen und etwas zu tun, nur eben was? Manchmal neige ich angesichts der Idiotie und Ideologie unserer Machthaber wirklich zur Resignation.
Zitat: “ Denn ich wage jetzt mal ganz kühn zu behaupten, dass aufgrund von total bescheuerten “Sparfüchsen†in den Firmenzentralen mehr Leute zu Schaden kommen als jedes Jahr bei Terroranschlägen zum Opfer fallen. “
*Ironie on* das bilden wir uns aber nur aufgrund fehlgeleiteter „Propaganda“ durch mündige Bürger nur ein. *Ironie off*
http://www.heute.de/Europ%C3%A4ische-Union-Pheme-Internet-Forschungsprojekt-EU-32199156.html
da passt dieser Link zu …………
Wie war das noch mit „Brot und Spiele“ *grübel*
Soll mit diesem Programm versucht werden, per Nachrichten die inoffizielle Meinungsbildung, zu attakieren?
Danke für diesen Link. Das werde ich später im Blog behandeln, das schreit förmlich danach.
🙂 😆 DAS dachte ich mir 😉