Adobe hat den Schuss nicht gehört

Nachdem wir gestern die Schnüffelei von Adobe Digital Editons thematisiert haben legt Adobe heute nach und räumt das Problem ein. So schreibt Heise heute:  „Nachdem enthüllt worden ist, dass die neueste Version von Adobe Digital Editions viele Informationen über die E-Books sammelt und unverschlüsselt an Adobe sendet, will der Konzern nachbessern. Offenbar soll der Datenstrom verschlüsselt werden.

Adobe hat offensichtlich nicht verstanden, dass der Nutzer von eBooks überhaupt nicht ausgespäht werden will. Es ist vollkommen irrelevant, ob die ausgespähten Daten nun verschlüsselt oder unverschlüsselt über die Leitung gehen, sie sollten nämlich überhaupt nicht über die Leitung gehen.

Besonders aufhorchen sollten wir vor allem aber bei Sätzen wie „alle Informationen werden vom Nutzer nur für Zwecke wie die Bestätigung einer Lizenz und die Implementierung unterschiedlicher Lizenzbestimmungen erhoben.

Hallo, ich will ein Buch lesen und ich will dazu keinen Lizenzvertrag mit Adobe, dem Buchverlag oder dem Autor eingehen. Ich zahle einen bestimmten Betrag an Währungseinheiten (egal ob Dollar, Rubel oder Euro) und dann will ich mit dem so erworbenen Buch machen was ich will. Wenn ich in eine Buchhandlung gehe und mir ein Buch kaufe, dann ist dem Buchhändler ja auch egal, ob ich das Buch lese, es im Winter zwecks Heizung verbrenne oder es auf dem Stillen Örtchen als Toilettenpapierersatz verwende. Warum sollte also irgendwer mir eine Lizenz zu irgendwas geben wollen…? Ich bin Leser und kein Jurist.

Adobe hat dann versucht zu erklären was da warum übertragen wird. So heißt es „Dabei handle es sich um mehrere IDs, um zu autorisieren, dass der richtige Nutzer die kopiergeschützten Inhalte öffnen kann.

Sorry, das ist grober Unfug. Ich habe drei eBook-Reader die alle ohne Netzverbindung existieren und trotzem DRM-geschützte eBooks lesen können. Wenn ich das richtig interpretiere läuft der Kaufvorgang mit DRM so ab:

  1. Kunde kauft Buch und erhält einen Link auf eine Datei die nur mit Adobe Digital Editions weiter verwurstet werden kann.
  2. ADE kontaktiert nun den Server des Buchhändlers und schickt dabei die Adobe-ID mit mit der das Buch verschlüsselt wird.
  3. Die verschlüsselte EPUB-Datei wird nun runtergeladen und in der Bibliothek von ADE gespeichert.
  4. Wenn ein eBook-Reader autorisiert wird, dann heißt das, dass dieses Gerät den Schlüssel zum Entschlüsseln erhält, d.h. die verschlüsselte Datei kann auf diesem Gerät dann entschlüsselt und angezigt werden (und wenn man sich den Key vom Gerät holt, dann kann z.B. auch ein Calibre-Plugin entschlüsseln und die entschlüsselte EPUB in seine Bibliothek schreiben).

Der ganze Zirkus mit den IDs findet also nur dann statt, wenn ich die Kauf-Transaktion durchführe. Wenn ich später dann das Buch am PC lesen will und dazu ADE benutze besteht eigentlich kein Grund mehr, irgendwen zu kontaktieren. Stellt Euch mal vor, ihr kauft einen Pornofilm und weil ihr so jugendlich ausseht will der Verkäufer den Ausweis sehen um zu verifizieren dass ihr über 18 seid. Soweit, so gut. Aber was würdet ihr davon halten, wenn Eurer DVD-Player jedesmal den Verkäufer anurfen würde wenn ihr den Film anschauen wollt und dieser erneut nach dem Ausweis fragt… Eben.

Noch bizarrer wird es dann aber mit weiteren Daten und ihrer Erklärung: „Darüber hinaus werde die IP-Adresse übertragen, um eine grobe Geolokalisierung zu ermöglichen, da einige Anbieter national unterschiedliche Preismodelle hätten.“ Ähm? Geht es noch? Das ist ja in etwa so wie wenn ich mir ein gedrucktes Buch in den Urlaub mitnehme und am Zielort kommt dann ein Vertreter des Verlages und meint „Sorry, das Buch kostet in diesem Land mehr als bei ihnen in Deutschland, sie müssen also eine Nachgebühr entrichten um es hier lesen zu dürfen.“

Endgültig nach Absurdistan versetzt sehe ich mich dann aber bei der nächsten Begründung für erhobene Daten: „Hinzu komme die Zeit, die der Leser mit einem Buch verbracht habe und wie weit er dabei gekommen sei. Das geschehe etwa für die Anbieter, die einen Preis abhängig von der tatsächlichen Lesezeit oder dem Lesefortschritt verlangen.“ Hier frage ich mich, welcher Anbieter denn tatsächlich sein Preismodell nach solchen Kriterien gestaltet und vor allem welcher Kunde so dämlich ist, darauf einzugehen. Wie lange ich mich mit einem Buch beschäftige muss niemand erfahren, zumal es ja eh nicht klar ist, wie lange ich für eine Seite brauche wenn ich das Buch hin und wieder zur Seite lege. Ein Lesegerät kann zum Glück nur Umblätter-Vorgänge feststellen, aber ob die Zeitspanne dazwischen tatsächlich mein Blick auf das Buch gerichtet war oder ob ich derweil mit dem Hund draußen war kann das Ding (zum Glück) noch nicht feststellen.

Angesichts dieser total bekloppten Argumente von Adobe kann ich nur hoffen, dass diese Firma bald das Schicksal der Dinosaurier erleidet und ausstirbt. Und dass die Buchverlage schneller durch die „wir brauchen einen Kapierschutz“-Lernkurve fahren als seinerzeit die Musikindustrie. Allerdings sieht es leider gar nicht danach aus.

[ratings]

 

 

4 Gedanken zu „Adobe hat den Schuss nicht gehört

  1. Naja,

    Adobe meint, das Recht haben zu dürfen, über diesen Weg Marktforschung (also Kundenausspähung) vornehmen zu dürfen.

    Damit dann Buchhandlungen in der Nähe Deiner User-Id (Geolokalisierung) Dir in Deinem Preisniveau Bücher per elektronischer Werbung zuschicken können. Am besten als Pop-Up während Du versuchst das Buch zu lesen.

    Der Vergleich zu Payback ist da nicht weit hergeholt.

    Es wird registriert was Du kaufst.
    Wie schnell Du liest.
    daraus ermitteltes Profil (Genre, Lesezeit und was Du bereit bist für ein Buch auszugeben)

    So ermittelt Payback

    was Du kaufst
    wo Du kaufst
    welche Preise Du bereit bist zu zahlen
    zu welchen Uhrzeiten Du kaufst
    usw. usf.

    Dann wird die Schnittmenge der Payback-Kunden bzw. Adobe-Kunden genommen um:

    hier das Angebot um Deinen Lebensmittelpunkt herum (Lokalisierung) anzupassen.

    Den Händlern, der Industrie und bei Ebook halt den Verlagen wird das Kundenverhalten exakt aufgeschlüsselt, damit diese ein schön uniformes Angebot bieten.

    Entsprechend sollen, an der Uniformität entlang, dann Produkte hergestellt werden.

    Im Zweifel wird es auch Verlage dazu animieren, nur noch das zu verlegen, was die breiteste Nutzerfront bietet und am schnellsten gelesen (verzehr) wird, damit dann entsprechender Nachschub vorhanden ist.

    Eine Bündelung der Verlage hat ja schon stattgefunden.

    Und hier wird die Vielfalt dem Marktinteresse untergeordnet werden. Ebenso wie es in der Medienbranche bereits geschehen ist.

    Und nein, es ist keine „schöne neue Welt“, wenn ich in einer Gegend leben würde, wo die meisten Leser (so sie denn lesen) sich mir Groschenromanen beschäftigen und ich aus dem Grunde auch entsprechend nur auf dieses Genre einen schnellen Zugriff habe.

    Der gläserne Konsument, der meint, dass er noch eine Entscheidungskraft besitzt, wird hier mit Absicht manipuliert. Und das hat nicht nur Auswirkungen auf das Angebot von Waren, sondern diese Daten werden auch geschickt für andere Lebensbereiche genutzt

    • Ein sehr guter Kommentar, Anita. Und ja, ich kann das gesagte aus eigener Erfahrung bestätigen. Wir haben hier in der Nähe 2 Filialen einer bekannten Discounter-Kette, eine im Nachbarort dessen Bevölkerungsstruktur als wohlhabende Mittelschicht beschrieben werden kann und eine in einem Stadtviertel in dem eher die Unterschicht wohnt, viele Migranten und eben eher die nicht finanzkräftige Kundschaft. Früher haben wir im Nachbarort eingekauft, aber da die andere Filiale mehr Gimmicks hat die meinen autistischen Sohn ansprechen kaufen wir eben nun auch häufig dort ein. Was auffällt ist das Zeitschriftenangebot. Mein monatliches Gitarrenmagazin bekomme ich in der Filale im Nachbarort problemlos, die andere führt das nicht, wohl weil die Leute sich dort mit etwas anderem beschäftigen. Und auch das übrige Zeitschriftenspektrum hat dort eher den Schwerpunkt auf der Regenbogenpresse. Interessant ist auch der Unterschied beim Toilettenpapier. Im Nachbarort bekomme ich die Großpackung von Hakle mit Parfümierung, die halt auch ein wenig mehr kostet, im Stadtviertel gibt es nur das ganz billige von Hakle, wahrscheinlich weil keiner das andere nachfragt.

      Also Filmtipp kann ich an dieser Stelle nur wieder „Free Rainer“ erwähnen, der mit mir so gar nix zu tun hat (außer dem Namen), der aber sehr schön dieses Profiling der Kundschaft auf die Schippe nimmt. Sollte man mal gesehen haben und ein paar Schlußfolgerungen daraus ableiten.

  2. Das von Dir beobachtete Procedere gibt dann aber auch den Kindern und Jugendlichen aus dem einen Stadtviertel eine geringere Chance als aus dem anderen Stadtviertel.

    Ich kann mir da durchaus ein Urteil erlauben, denn ich weiß wo mein Zwerg drauf abfährt. Wenn man dann unsere (autistischen) Kinder betrachtet, dann haben sie Glück, dass wir das Eine zulassen und zusätzlich Anderes anbieten.

    Diese Chance haben aber die Kinder aus dem einen Viertel leider selten. (die dann auch eher nicht von dieser Behinderung betroffen sind)

    Das bedingt dann, dass aus den erhobenen Daten nicht nur die Marktstruktur und das Angebot angepasst wird (was bei Toilettenpapier ja kein Problem ist, hat das doch ein erfahrerener Geschäftsführer früher selber gesehen) sondern auch das Medienangebot (Zeitschriften, Bücher usw. usf.) nicht zur Horizonterweiterung genutzt werden kann.

    Ein Nebeneinander von verschiedenen Angeboten, wie zB durch lokale kleine Einzelhändler wird hier geschickt umgangen. Denn in den großen Märkten bekommst Du ja alles, gibst freiwillig Deine Daten preis und gibst Dich quasie der „Rasterfahndung“ hin. Dies ist durch das, durchaus von mir geliebte, Internet nicht besser geworden.

    Wenn man dann Adobe und seine Datenermittlung weiterdenkt, dann würdest Du Werbung für intellektuelle Literatur erhalten und von so manchem Schund bleibst Du verschont. Andersherum werden andere Nutzer eben mit Werbung für Schund zugemüllt. Kennt man ja von Amazon und Ebay zur genüge.

    Ich denke allerdings auch, dass dies TV und Radio stark beeinflusst.

    Wie gesagt, ich glaube nicht, dass die erhobenen Daten nur von einem Interessenten benutzt werden.

  3. So, habe jetzt mal die Story zu „Free Rainer – Dein Fernseher lügt“ gelesen.

    Auffällig ist die Kritik zum Film von der GfK. Die Manipulationen ausschließt. Aber eine Offenlegung der Daten gleichzeitig nicht vornimmt. Es gab da auch mal spät Abends einen Bericht über die GfK auf der ARD.

    Payback, Adobe und andere werden selbstverständlich dementieren, wofür die Daten wirklich genutzt werden. Das ist ebenso „unauffällig“ wie die regelmäßige Frage an der Kasse, wo man wohnt (PLZ reicht). Wenn man nun Payback und diese Frage in Zusammenhang bringt, dann ist meine obige Schlussfolgerung nicht unwahrscheinlich. (Man kann ja durchaus irgendeine PLZ angeben, aber tun dies wirklich alle??)

    Die Frage ist, warum Menschen aus einem doch eigentlich so Wissensorientierten Land wie Deutschland nicht merken, wie sehr sie manipuliert werden.

    Meine Antwort auf die regelmäßige Frage nach Payback „Ich werde schon kontrolliert genug“ hat an der Kasse schon so manche/n staunende/n Kassierer/in zurückgelassen.

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