Von der Hand in den Mund

Wenn ich zum Zahnarzt gehe, dann scherze ich gerne, dass ich jetzt wieder einen besuche der von der Hand in den Mund lebt. Gestern allerdings fand ich dann einen Artikel, der genau dieses Thema behandelt, nämlich das echte „von der Hand in den Mund leben“ das die Armen dieser Welt jeden Tag aufs neue machen müssen. Linda Tirado hat ein Buch „Hand in Mouth – Living bootstrap in America“ geschrieben und wenn man den Artikel auf BoingBoing dazu liest, dann ist das für mich einfach deprimiend und erschütternd.

Besonders betroffen machte mich die folgende Erkenntnis die in einem schlichten Absatz zusammengefasst ist:

As wealth disparity continues to mount, articles like this are an important reminder of how the winner-takes-all economy works — once you start to lose, you can’t win.

Übersetzt heißt das in etwa „solange die Unterschiede im Wohlstand weiter auseinanderklaffen sind Artikel wie dieser eine wichtige Erinnerung dafür wie unsere ‚Der Sieger nimmt alles‘-Wirtschaft arbeitet, wenn Du angefangen hast zu verlieren kannst Du nicht mehr gewinnen.“

Eine Einschätzung die von allen Statistiken über die Leute in Armut (und bei uns Hartz IV) bestätigt wird, landest Du einmal in dem Schlamassel kommst Du nicht mehr raus. Wobei wir im Vergleich zur USA ja noch relativ gute Zustände haben, bei uns gibt es wenigstens eine Krankenversicherung, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Arbeitslosengeld. In den USA scheint das System hier massive Defizite zu haben und Präsident Obama stößt mit seinem „Obamacare“ auf erbitterten Widerstand. Streng nach dem Motto „warum soll meine ich (sprich meine Krankenversicherung) für die Leber des Säufers zahlen?“. Solidarität scheint dort längst ausgestorben zu sein.

„The winner takes it all“. Linda beschreibt hier wie sie ein Auto „verloren“ hat. Der Wagen war falsch geparkt und wurde abgeschleppt. Das nötige Geld um ihn auszulösen hatte sie nicht flüssig, also blieb der Wagen beim Abschlepp-Unternehmen. Als dann Zahltag war und sie den Wagen auslösen wollte musste sie feststellen, dass der Abschlepp-Unternehmer auch jeden Tag „Standplatzgebühren“ berechnet und die Kosten mittlerweile so hoch waren, dass ihr Geld wieder nicht reichte. Modernes Raubrittertum oder die Methoden von Kredithaien kommen mir bei so einer Erzählung in den Sinn, aber mit armen Leuten kann man es ja machen, die haben eh kein Geld um einen Anwalt zu engagieren.

Insgesamt ein erschütternder Statusbericht. Und vielleicht auch eine Preview auf das was uns erwartet wenn TTIP eingeführt wird und wir unsere sozialen Standards auf das Niveau der USA absenken sollen.

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