Auf der Flucht

In meiner Kindheit gab es eine Fernsehserie mit dem Title „Auf der Flucht“ bei der der Protagonist Dr. Richtard Kimble auf der Flucht war um den wahren Mörder seiner Frau zu finden. Auch meine Mutter war ein Flüchtling, geboren wurde sie 1917 irgendwo in der Nähe von Danzig und die Familie musste dann am Ende des 1. Weltkrieges fliehen und so landete sie hier in Bayern. Und obwohl wir nun fast 100 Jahre später haben gibt es immer noch Flüchtlinge vor Krieg und Gewalt. Und damit verbunden eine „Flüchtlingsproblematik“, ein Wort das mir in der Seele bereits weh tut, denn ein Flüchtling hat schon genügend Probleme seine Heimat aufzugeben, so dass er weiteren Stress am Zielort seiner Flucht eigentlich gar nicht braucht.

Europa hat mit einen Flüchtlingsstrom aus den Krisenherden in Nordafrika und dem Nahen Osten zu bewältigen, der wohl hauptsächlich der destabilisierenden Interesenpolitik des US-amerikanischen Imperiums geschuldet ist, welche die Region (die dort als „mittlerer Osten“) bezeichnet wird mit Krieg und Gewalt überzieht. Terrororganisationen wie Al Kaida oder der IS sind Früchte dieser Politik und die Flüchtlinge sind die Opfer. Seit dem schrecklichen Anschlag in der vergangenen Woche in Tunesien ist zudem klar, dass die Region auch als „Tourismusziel“ ausgedient hat, es ist eher ein „Terrorismusziel“. Die Reiseveranstalter haben nun alle Hände voll zu tun, die europäischen Flüchtlinge vor dem Terror mit Sonderflügen in die sichere Heimat zu bringen. Die ebenso bedrohte Bevölkerung in der Region hat diese Option nicht, sie kann nicht einfach in einen günstigen Touristenflieger steigen um dem Terror zu entkommen, denn das verhindert die Fluggesellschaft bereits der wir hier die hoheitliche Aufgabe einer Asyl-Vorselektion übertragen haben. Die Flüchtlinge müssen sich für viel Geld dubiosen Schleusern und Schleppern anvertrauen und dann in kaum seetüchtigen Booten übers Mittelmeer die Flucht ins gelobte Europa zu wagen.

Dort landen sie logischerweise an den Grenzen der südeuropäischen Staaten die mit der Flut an Flüchtlingen tatsächlich massive Versorgungs- und Verwaltungsprobleme haben. Also kam man auf die Idee, Flüchtlinge auf alle EU-Staaten zu verteilen. Auch Deutschland und hier treffen sie leider auf andere Flüchtlinge, nämlich die BILDungsflüchtlinge die sich durch braunes Gedankengut und dem Hang jedem Deppen zu folgen „auszeichnen“. Letzte Woche sah ich beispielsweise einen Hetzbeitrag von Pegida-Gründer Lutz Bachmann in dem er die Bürger von Freital aufforderte sich zu „wehren“ weil mehr Flüchtlinge kämen als angekündigt.

Damit versucht er zu suggerieren, dass er als Blockwart zusuagen ein Recht darauf hätte gefragt zu werden, wer in seiner Nachbarschaft einzieht. Weit gefehlt Herr Bachmann. Auch hier wird gerade ein Haus in unserer Häuserzeile renoviert, ich habe keine Ahnung wer dort irgendwann einziehen wird und es ist mir auch egal. Ich halte mich für weltoffen genug, mit neuen Nachbarn keine Probleme zu bekommen und schon gar nicht versuche ich sie schlecht zu reden bevor ich sie überhaupt gesehen habe.

Klar, die neuerlichen Terroranschläge gießen wieder Öl ins Feuer der Islam-Phobiker, aber ich wage dennoch zu behaupten, dass von den Flüchtlingen keine Terrorgefahr ausgeht. Die Gefahr geht eher von unseren Neonazis aus die in Freital nicht von der staatlichen Ordnungsmacht im Zaum gehalten werden sondern von freiwillen Helfern aus der Antifaschisten-Szene.

Mittlerweile brennen auch wieder geplante Flüchtlingsunterkünfte wie in Meißen oder in Lübeck. In Meißen laut Besitzer sogar mit Ansage, denn die örtliche Polizei hat seine Anzeige der Gefahr wohl ignoriert. Ich bin mal gespannt, ob das in Sachsen zu einem Ermittlungsverfahren wegen „Strafvereitelung im Amt“ führen wird oder ob wir Sachsen als „No-Go-Area“ ausweisen müssen.

Die Frage die sich mir immer wieder stellt, ist ob diese braunen Aufmärsche politisch so gewollt sind. Unser Innenminister besucht den Tatort des Terrors in Tunesien um sein Mitgefühl mit den Opfern zu demonstrieren, die Flüchtlingsunterkunft in Freital besucht er aber nicht um sich dort vor Ort ein Bild von der Situation zu machen.

Derweil erteilt unsere Bundesregierung die Erlaubnis für weitere Waffenexporte in die Krisenregion. Saudi Arabien, das wir dank des Umgangs mit dem Blogger Raif Badawi als Wiege der Menschenrechte kennen und schätzen gelernt haben bekommt neue Patroulienboote um ihre offshore-Ölplatformen vor Terroranschlägen zu schützen. Und Katar und Oman bekommen erhalten jeweils einen Leopard-Kampfpanzer der aber nicht militärisch eingesetzt werden soll. Anscheinend hofft man, dass die Scheichtümer sich die Ideen, was man sonst noch so mit einem Kampfpanzer machen kann hier in Augsburg im Textilmuseum besorgt haben. Leider hat die Bundesregierung offensichtlich noch nicht begriffen, dass jeder Waffenexport dazu führt, dass weitere Flüchtlinge generiert werden, denn Kriegsgerät wird eben nicht benutzt um es mit Garn einzustricken, sondern um damit Drohkulissen schaffen und Gewalt auszuüben.

Natürlich wäre es schön, wenn es keine Flüchtlinge gäbe. Doch solange wir nichts gegen die absichtliche Destabilisierung der Region tun, solange wir weiterhin nur unseren Ruf als Exportweltmeister (auch bei den Waffen) verteidigen wollen und solange wir uns einer Ideologie verschrieben haben, die auf Entsolidarisierung basiert und Menschen mit Abstiegsängsten konfrontiert, solange werden wir weiterhin brennende Flüchtlingsunterkünfte haben, werden weiterhin die hässlichen Szenen wie in Freital zu sehen bekommen und die Flüchtlinge werden weiterhin vom Regen in die Traufe kommen.

Doch immerhin, es gibt auch Lichtblicke. So gab es in Essen ein mit versteckter Kamera gefilmtes Experiment bei dem in den öffentlichen Verkehrsmitteln bestimmte Plätze „nur für Deutsche“ ausgewiesen wurden. Und die dann natürlich von Schauspielern die Nicht-Deutsche waren in Anspruch genommen wurden.  Und dann wurde die Reaktion der Fahrgäste gefilmt wenn ein Deutscher seinen „rechtmäßigen“ Platz einfordert. Also Zustände wie zu Zeiten der Rassentrennung in den USA oder Südafrika. Und immerhin haben sich in 80% der Fälle die Fahrgäste mit den „Ausländern“ solidarisiert und sie gegen dieses Diskriminierung verteidigt. Die Frage stellt sich natürlich, wie so ein Experiment in anderen Teilen der Republik ausgehen würde.

Eine Patentlösung habe ich leider auch nicht. Außer, dass jeder Mensch hier in Europa ein Anrecht auf Schutz durch die Gemeinschaft haben sollte, ganz unabhängig von seiner Hautfarbe oder der Religion. Aber leider kommt es mir häufig so vor, als stünde ich mit so einer verwegenen Idee allein auf weiter Flur.

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