Rechtsfreier Raum in Sachsen?

Gestern abend hätte ich besser ein Buch lesen sollen statt dem Twitter-Hashtag #Heidenau zu folgen. Denn was ich da lesen musste war mehr als entsetzlich. Da wird ein leerstehender Baumarkt zu einer Flüchtlingsunterkunft umfunktioniert und die NPD macht eine Demonstration dagegen. 600 – 1000 Nazi-Terroristen veranstalten ein öffentliches Besäufnis, errichten Straßensperren und werfen Steine und Böller gegen Polizei und Gegendemonstranten. Die mit 136 Polizisten total unterbesetzte anwesende „Staatsgewalt“ kapituliert vor dem rechten Mob und empfiehlt den Gegendemonstranten, woanders hinzugehen weil für ihre Sicherheit nicht garantiert werden könnte.

Während unsere Politiker gerne tönen, dass man Angriffe auf Flüchtlingsheime mit aller Härte verfolgen würde und sich den Nazis entgegenstellen würde passiert in #Heidenau genau das Gegenteil. Man liest sogar, dass anreisende Nazis von den Polizisten am Bahnhof mit Handschlag begrüßt wurden. Was da in der der Nacht in #Heidenau passiert ist erinnert in katastrophalerweise an die Auschreitungen in Rostock-Lichtenhagen vor 23 Jahren. Die Nazis wissen das und sie lassen die Sau raus, so als ob sie an der Regierung wären und nicht der Rechtsstaat.

Die offiziellen Nachrichtenkanäle halten sich mit Berichterstattung auffallend zurück. Marc Krüger hat hier eine interessante Analyse gezogen, warum das wohl so war. Erste Schlagzeilen sprechen dann noch von „Asylkritikern“, doch dann editiert man das und schreibt vollkommen zu recht „Rechtsradikale“. Mittlerweile hat es Heidenau in viele Nachrichtenticker geschafft, auch Telepolis berichtet darüber. Schaut man dort in die Kommentare kommt einem wieder das kalte Grausen, so viele rechte Trollkommentare und auch welche die versuchen den Aufmarsch zu verteidigen weil man ja die Bewohner sozusagen überrumpelt hat. Was wieder suggerieren soll, dass man als Anwohner mitbestimmen kann wer in der Nachbarschaft einzieht. Glaubt man zumindest wenn man der Argumentation des Pegida-Gründers Lutz Bachmann folgt und ansonsten den Intelligenzquotienten einer Billiardkugel hat.

Es bleibt wohl uns Bloggern überlassen, den angeblich besorgten Bürgern die Leviten zu lesen. Christian Dingler hat das sehr eindrucksvoll getan. Doch viel mehr würde ich mir einen eifrigen Staatsanwalt wünschen der jetzt in Heidenau zeigt, dass mit dem Rechtsstaat eben nicht zu spaßen ist. Wer Steine und Böller auf andere Menschen wirft sollte mindestens wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung verfolgt werden, wer Straßensperren errichtet wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Und wer Nazi-Parolen brüllt sollte ein Verfahren wegen Volksverhetzung am Hals haben. Aber ich fürchte, dass nichts von alledem passieren wird, denn natürlich war Heidenau ein Nazi-Aufmarsch mit Ansage. Und wenn die Polizei dann nur mit einer Alibi-Präsenz anrückt, dann ist die unterschwellige Botschaft dahinter doch eindeutig die, dass diese Aufmarsch von der Landesregierung politisch so gewollt ist. Bei anderen Gelegenheiten in denen besorgte Bürger z.B. gegen den Kohle-Tagebau demonstrieren oder gegen das Tieferlegen von Bahnhöfen ist es ja offensichtlich kein Problem sehr viele Poliziisten zu mobilisieren und den Volkssouverän mit ein paar Knüppelhieben seine demokratischen Flausen auszutreiben. Doch wenn Rechtsradikale ihre fremdenfeindlichen Phantasien ausleben, dann zieht sich die Staatsgewalt bis auf ein paar Alibi-Polizisten zurück? Selbst bei einem Fußballspiel in der Bundesliga sind gefühlt mehr Polizisten im Einsatz als gestern abend in Heidenau. Wird der sächsische Innenminister die politische Verantwortung für diesen Schlamassel tragen? Wohl eher nicht.

Mein Fazit heute nachmittag ist, dass Deutschland wohl ein massives Nazi-Problem hat. Es ist an der Zeit, dass jeder dagegen aufsteht und etwas dagegen unternimmt. Wir müssen dem braunen Pack zeigen, dass sie in der Minderheit sind, nicht für uns sprechen oder gar handeln und dass wir nicht mehr schweigen oder wegsehen werden, wenn sie ihre Hetzparolen absondern.

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