Buchtipp: Einfach abschalten

Gestern abend habe ich das Buch „Einfach abschalten“ von William Powers fertig gelesen. Der englische Originaltitel lautet „Hamlet’s Blackberry“ und in diesem Buch geht es um das Leben in der digitalen Welt. Das Buch wurde auf dem Podcast von „The Productivity Show“ empfohlen und das war für mich dann schon Grund genug, um es auf meine Leseliste zu setzen.

Ich bin online, also bin ich. William Powers befasst sich mit den kleinen Gadgets die heute unser Leben zu bestimmen schienen und philosophiert über die Begleiterscheinungen dieser totalen Vernetzung. Ja, wir alle kennen das Problem, dass unsere Kinder (ja, Tochter Du bist hier auch gemeint) ständig auf ihre Smartphones schauen und mittlerweile gibt es auch schon den Fachbegriff „FOMO“ (Fear of missing out, die Angst etws zu verpassen) was die Leute antreibt ständig „online“ und vernetzt sein zu müssen.

„Ich bin gerade shoppen“, „Werde jetzt duschen“ usw. sind die weltbewegenden Nachrichten die uns über die Kommunkationskanäle im Sekundentakt erreichen. Natürlich gibt es auch bedeutendere Nachrichten, also z.B. dass unser Fußballverein gerade das Tor zum 2:0 geschossen hat oder auch dass irgendwo in Nepal ein Flugzeug vermisst wird, eine Erdbeben am anderen Ende der Welt viele Todesopfer gefordert hat oder ein verrückter Präsidentschaftskandidat in den USA irgend eine Vorwahl gewonnen hat. Das Problem ist allerdings, dass wir ständig mit diesen Nachrichten überflutet werden und man eben keine Zeit mehr hat, einmal innezuhalten und sich tatsächlich mit dieser Nachricht zu befassen. Ein Phänomen das Neil Postman im Jahr 1985 in seinem Buch „Wir amüsieren uns zu Tode“ schon als das große Übel beim Fernsehen angeprangert hat. Alles ist Unerhaltung und nach schlimmen Nachrichten geht man im Sekundentakt zu den Bundesligaergebnissen über oder zur Ziehung der Lottozahlen. Unsere Aufmkersamkeitsspanne geht quasi gegen null und egal welche Nachrichen wir lesen, ein paar Sekunden später heißt es sowieso „and now for something completely different.“

Powers merkt in seinem Buch auch an, dass mit dieser ständigen Nachrichtenflut unser Leben immer oberflächlicher wird und man keinen Distanz oder Ruhe mehr hat um sich tiefer mit einer Sache zu befassen. Er schildert diverse Schlüsselerlebnisse die ihm passiert sind, beispielsweise ein Telefongespräch mit seiner Mutter um ihr zu sagen dass er unterwegs sei und dass er eben danach intensiv nur an seine Mutter gedacht hat und sehr viel positive Emotionen verspürt hat. Oder der Tag an dem er auf seinem Boot im Wortsinn „über Bord“ ging und dabei sein Smartphone das ungeplante Bad im Meer nicht überlebt hat. Und neben der Panik jetzt „offline“ zu sein spürte er plötzlich auch ein längst verschollen geglaubtes Gefühl der Freiheit.

Powers sieht also die Herausforderungen der weltweiten Vernetzung und sucht nach Lösungen. Hierbei geht er zum Teil weit zurück in die Vergangenheit und schaut sich an, wie frühere Denker auf umwälzende Technologien reagiert haben. Er besucht Sokrates und Platon an der Schwelle vom „Geschichten erzählen“ zum „Geschichten aufschreiben“, beleuchtet die Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg und besucht William Shakespeare der damals seine Ideen auf Wachstafeln kritzelte. Wir lernen von Benjamin Franklin und der Erfindung des Telegrafen der er ermöglichte Nachrichten in Sekundenschnelle über den Kontinent zu schicken.

Alles in allem ist „Einfach abschalten“ ein unterhaltsames aber eben auch sehr lehrreiches Buch. Letztlich hat William Powers für seine Familie eingeführt, am Wochenende total offline zu sein um eben Zeit für sich selbst und die Familie zu haben und dem ständigen Informationsfluß zu entkommen. Eine Maßnahme die anfangs schmerzhaft war, doch mittlerweile bei ihm zum Familienritual wurde.

notizbuchAuch bei mir hat das Buch zum Nach- und Umdenken geführt. So habe ich mir heute beim Einkauf ein kleines Notizbuch im Format A6 und im Stil der Moleskine-Notizbücher gegönnt, was meine Frau sehr in Verwunderung versetzte. Aber die Erfahrung mit dem „Notizen auf dem Smartphone“ machen ist eigentlich eher negativ, bei vollem Tageslicht ist das Display kaum lesbar und tatsächlich mag keiner auf der Minitastatur des Smartphones mehr tippen als unbedingt notwendig ist. Hinzu kommt eine sehr bescheidene „Latency“, besonders dann wenn das Smartphone mal wieder mit sich selbst beschäftigt ist anstatt auf die Gestensteuerung des Anwenders zu reagieren. Ich habe mir also vorgenommen, den Selbstversuch zu starten und dieses Papier-Notizbuch einfach ständig bei mir zu haben um irgendwelche Ideen oder was auch immer zu notieren. Es past problemlos in die Gesäßtasche meiner Jeans und kann daher immer dabei sein. Ich bin neugierig, wie dieser Selbstversuch ausgehen wird.

Fazit: „Einfach abschalten“ kann ich uneingeschränkt empfehlen und würde mir wünschen, dass es vor allem die lesen, die rund um die Uhr an ihrem Smartphone kleben. Das Buch kann Nebenwirkungen haben, aber die sind bestimmt nicht verkehrt. Ach ja, natürlich kann man jetzt ablästern weil ich dieses Buch als e-Book auf meinem Kobo gelesen haben. Hier muss ich aber sagen, dass der Kobo als „designiertes Lesegerät“ eben kaum andere Ablenkungen bietet, sprich man hat nicht viele andere Anwendungen offen und wird mit „Benachrichtigungen“ zugemüllt, sondern kann sich voll auf das Buch konzentrieren.

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