Artikel 11 und RSS?

Heute habe ich mir einige Gedanken zum gestern im EU-Parlament beschlossenen Artikel 11 (Leistungsschutzrecht auf europäischer Ebene) gemacht. Der Vorschlag zu Artikel 11 steht auf der Webseite von Julia Reda.  Und dort ist relativ schwammig formuliert „Das gilt auch für Dienste, die Nachrichten systematisch auswerten, beispielsweise Aggregatoren, Medien-Monitoring oder Faktencheck-Dienste.“

Wie passt das zu meiner Realität des Nachrichtenkonsums?

Die Intention des Artikel 11 ist ja, dass man Google abkassieren will weil es ja auf der News-Seite die Nachrichten der Verleger verlinkt und über die Werbeeinnahmen Milliarden scheffelt während die Verleger leer ausgehen. Tatsächlich habe ich heute mal wieder news.google.de aufgerufen, aber irgendwie sehe ich da keine Werbung und auch mein Adblocker sagt mir, dass er einzig Google-Analytics geblockt hat. Seltsam.

Aber ok, mein Nachrichtenkonsum findet eh nicht mehr über Google News statt. Als es noch den Google Reader gab, da habe ich die Nachrichten dort gelesen, als dieser Dienst eingestampft wurde bin ich zunächst zu Feedly und später dann zu Inoreader  gewechselt. Das sind RSS-Feedreader im Netz.

Gemäß Artikel 11 könnte man jetzt diese Dienste als „Aggregatoren“ sehen, was sie ja theoretisch auch sind. Allerdings sind diese Dienste keine Plattform die Nachrichten „klaut“ und veröffentlicht, sondern holen die RSS-Feeds die der jeweilige Nutzer haben will und stellen ihm diese über ein Web-Frontend zur Verfügung. Die gleiche Funktionalität könnte ich auch hier lokal auf meinem PC haben indem ich eine RSS-App installiere. Der Nachteil für mich wäre, dass ich dann meine Nachrichten nur auf diesem PC lesen kann, weil eben die Information was ich schon gesehen habe und was nicht nur dort vorhanden ist. Mit Feedly oder Inoreader hingegen kann ich mit jedem beliebigen Endgerät meine Nachrichten sehen, denn die lokale Funktionaliät „RSS Feeds holen“ habe ich an eine Appliance im Web ausgelagert. Dafür zahle ich sogar meinen monatlichen Obolus an Inoreader und habe dafür nette Features wie das Einsortieren von Artikeln mit bestimmten Schlagwörtern und das Hervorheben von Suchwörten in den angezeigten Inhalten.

Damit sind diese Feedreader Dienste eben keine Schnorrer die bei den Zeitungsverlagen Nachrichten klauen um sie einer Millionen Nutzer anzuzeigen, sondern sie holen für eine Millionen Nutzer individuell die Feeds, die der jeweilige Nutzer sehen möchte. Klar, dass man hier den Speicherplatz optimieren kann und den Feed von sagen wir mal der FAZ nur einmal holt, auch wenn er von 100.000 Benutzern gelesen wird. Aber die Dienstleistung für die ich bezahle (und für die damit der Dienstanbieter Geld verdient) besteht eben darin, diese Web-Appliance zu haben die mir komfortabel und geräteunabhängig den Zugang zu den Nachrichten die mich interessieren bietet. Wenn also das Leistungsschutzrecht dafür zur Anwendung kommen sollte, dann müsste es konsequenterweise auch dazu führen, dass es zur Anwendung kommt wenn ich auf meienm lokalen PC einen Feedreader installiere und benutze, denn mein „User-Erlebnis“ ist ja streng genommen nix anderes.

Für mich ist RSS deutlich besser als die diversen Nachrichtenseiten „ansurfen“ zu müssen. Das RSS-Protokoll ist relativ einfach strukturiert und die Nachrichten werden mit Schlagzeilen, einem Teaser-Text (der auch der ganze Artikel sein könnte) und vielelicht einem Bild versehen angezeigt. Und zwar OHNE Werbung. Wer schon mal auf der Online-Präsenz eines Presserzeugnisses war wird verstehen was ich damit ausdrücken will, Nachrichtenkonsum per RSS ist einfach viel enstpannter weil ich mich auf den Inhalt der Nachrichten konzentrieren kann und nicht von losdudlender Werbung, Overlays die man Wegklicken muss, Malware und sonstigem rumschlagen muss. Das sind mir die paar Euro im Monat auf jeden Fall wert.

Und ja, die Nachrichten die ich da zu sehen bekomme saugt sich der Dienstanbieter nicht aus den Fingern, sondern holt sie in Form des RSS-Feeds von der jeweiligen Online-Präsenz ab. Sprich: Wenn das Hintertupfinger Käseblatt nicht will, dass ich zuviel von dem Artikel zu sehen bekomme, dann kann es auf seiner Seite den Feed durchaus so einstellen, dass ich vielleicht nur die Schlagzeile und sonst nix zu sehen bekomme. Dann kann ich immer noch darauf klicken um dann zur Webseite dies Hintertupfinger Kädesblattes geleitet zu werden. Es haben also die Verleger selbst in der Hand, wieviel sie mir in ihrem Feed präsentiern. Unsere eigene Lokalzeitung hat vor einiger Zeit ihre Feeds stark limitiert was für mich dann auch die Konsequenz hatte, dass ich diesen Feed einfach abbestellt habe und gar nicht mehr lese.

Interessant ist übrigens auch dass man im Laufe eines Tages sehr ähnliche Nachrichten von verschiedenen Nachrichtenquellen zu sehen bekommt. Beispiel heute tickerte eine Meldung durch dass eine Boeing 737 Max der Southwest Airlines bei einem Überführungsflug eine Notlandung machen musste. Mit Foto der Boeing. Identische Schlagzeile und erster Satz im Teaser bei „Tagesschau“ und „Zeit“. Das legt doch die Vermutung nahe, dass die Originalmeldung von einer Nachrichtenagentur (dpa, Reuters, was auch immer) stammte und die Zeitungen diese mehr oder weniger mit copy & paste auf ihre Webseite geklatsch haben. Und für diese „kreative Leistung“ wollen die also jetzt ein Leistungsschutzrecht? Ernsthaft? Geht sterben, wenn das die geistige Leistung ist die ihr als Zeitungen noch vollbringen könnt.

Ich bin übrigens nicht gegen Zeitungen. Im Zeitalter der Fake-News und +++EIL+++ Meldungen wäre mir eine Zeitung in der gut recherchierte Fakten drin stehen durchaus auch Geld wert. Aber, wo finde ich so was? Ich brauche keine Berichterstattung über Dschungelcamp oder die diversen Promi-Affären. Macht anständigen Journalismus, auch wenn es anstrengend ist und dann bekomt ihr vielleicht Leser. Momentan geht euer Geschäftsmodell im Print-Sektor baden und im Online-Sektor habt ihr zu viele teure Bezahlschranken, denn natürlich will ich Online mehrere Nachrichtenquellen abonnieren, habe aber keine Lust dass am Ende dann ein dreistelliger Eurobetrag rauskommt nur damit ich die gleichen Agenturmeldungen in verschiedenen Aufgüssen lesen kann.

Das Leistungsschutzrecht war in Deutschland schon ein gewaltiger Rohrkrepierer und wird es auch auf EU-Ebene werden. Google kann es sich locker leisten mal ein paar Wochen die Verlage nicht mehr zu indizieren die hier die Hand aufhalten wollen, aber die Verlage werden es schmerzlich merken, wenn die ganzen Nutzer von Google-News plötzlich nicht mehr kommen.