Das Leben ist kein Debattierclub

Der Musiker Herbert Grönemeyer hat am Wochenende bei einem Konzert in Wien ein sehr starkes Signal gegen den Rechtspopulismus, Rasissmus und Hetz gesetzt. Als Reaktion darauf titeln heute diverse Zeitungen „Aufruf gegen Rassismus: Herbert Grönemeyer  löst Debatte aus.“ Hier mal der Link zum Artikel in unserer Lokalzeitung, ein exakt gleichlautender Artikel steht aber auch z.B. bei „Zeit Online“, also haben unsere Presseorgane alle mal wieder von der dpa abgeschrieben.

Und ich bin es so leid, dass nach diesem Statement von Herbert Grönemeyer wieder eine „Debatte“ ausgelöst worden sein soll. Es ist klar, dass das rechtsradikale Lager aufheult, denn getroffene Hunde bellen nun mal. Aber das ist in meinen Augen keine Debatte, denn bei einer Debatte habe ich ein Problem und verschiedene Lösungsmöglichkeiten und kann nun diese gegeneinader abwägen um einen für alle Beteiligten optimale Lösung zu finden.

Bei uns ist heute der Backofen kaputt gegangen, also können wir innerhalb der Familie nun debattieren, wie wir dieses Problem möglichst elegant lösen. Einfach das alte Ding ersetzen oder einen komplett neuen Herd oder gar ein größerer Küchenumbau um den Herd zugänglich zu bekommen ohne sich groß bücken zu müssen? Wir werden eine Lösung finden indem wir die Vor- und Nachteile gegeneinander abwägen und dann einen Konsens suchen, mit dem jeder leben kann.

Aber wenn ich mich gegen Rechtsradikale und auch gegen die rechtsextremistische Partei im deutschen Bundestag positioniere, dann brauche ich darüber keine „Debatte“ führen. Da gilt für mich dann erst mal der Ausspruch „Wer den Sumpf austrocknen will darf nicht die Frösche fragen.“ Denn was soll denn bitteschön der in einer Debatte gefundene Konsens sein, wenn Grönemeyer sagt „keinen Millimeter geben wir nach rechts nach“? Sollen wir das Sprichwort „Der Klügere gibt nach“ so lange ausreizen bis der Klügere am Ende der Dumme ist?

Erschreckend sind auch Aussagen wie die von Bernd Stegemann, einem Unterstüzter der linken Sammlungsbewegung „Aufstehen“ der folgendes twitterte: „Der Tonfall, mit dem Grönemeyer sein Publikum politisch anheizt, macht mir ein wenig Angst. Ich sags ungern, aber er klingt wie ein Redner vor 1945.“ Bravo Herr Stegemann, Godwin’s Law lässt grüßen.

Und für Frau von Storch ist das was Grönemeyer gesagt hat „die furcherregendste, übelste und totalitärste Hassrede“ die sie je gehört hat. Das allerdings lässt tief blicken, denn eigentlich sollte die Rede von Joseph Goebbels im Berliner Sportpalast doch im Geschichtsunterricht behandelt worden sein. Und an solche Dinge wie „wir werden Merkel jagen“ aus den Reihen ihrer Partei möchte ich gar nicht erst denken, die können doch auch nicht unbemerkt an Frau von Storch vorbei gegangen sein.

Interessant fand ich in dem Artikel allerdings die Einschätzung von Florian Schroeder, der Groenemyer verteidigt. Dieser schreibt: Entscheidend sei der Inhalt einer Rede, nicht der Ton. „Wer den Ton, die Form, vom Gesagten trennt oder darüber stellt, betreibt gerade das Geschäft der Faschisten.“ Wenn es tatsächlich so einfach wäre dass es nur auf den Inhalt ankäme, dann müssen wir uns doch jetzt die Frage stellen, warum Deutschlands nach eigenen Angaben auflagenstärkste Tageszeitung ihre Hauptschlagzeile immer tiefschwarz in riesigen Lettern druckt? Kommunikation findet nicht nur auf dem „Inhaltskanal“ statt, sondern auf vielen Seitenkanälen. Im gedruckten Text kann das durch Hervorhebungen passieren, bei Reden auch durch Körpersprache.

Und jetzt? Jetzt haben dir Rechten wieder ihre Opferrolle inne und bis spätestens Mittwoch wird das Thema der Debatte dann wohl lauten „Dürfen sich Musiker denn öffentlich zu politischen Themen äußern?“ oder „Müssen wir die AfD als demokratische Partei respektieren“. Meine Antworten wären „Ja, auf jeden Fall“ und natürlich „Nein, auf keinen Fall.“