Ich, der potentielle Massenmörder

Manche Blogposts zu schreiben macht eigentlich keinen Spaß. Leider komme ich aber manchmal nicht umhin, sie trotzdem zu schreiben. Dies wird wohl so ein Blogartikel werden. Es geht um den unfassbaren Massenmord in Hanau, wo ein Rassist 10 Menschen und anschließend sich selbst erschossen hat. Der Täter war unter anderem Sportschütze.

Wer mich näher kennt weiß, dass ich seit 40 Jahren ebenfalls Sportschütze bin, ja schlimmer noch seit 30 Jahren bin ich sogar Vorstand eines Schützenvereins. Und ihr dürft mir glauben, kein Sportschütze hat Verständnis für so eine Tat, keiner freut sich wenn wieder mal Menschen mit „legalen“ Waffen zu Schaden kommen. Denn wir wissen, dass dann jedesmal die gleichen Reflexe greifen, die Menschen sind aufgebracht und fragen, warum müssen Privatleute Waffen haben, warum muss überhaupt der Schießsport exisiteren und warum sind solche Trainingslager für Amokläufer überhaupt „gemeinnützig“. Ja, alles Dinge, die ich in den vergangenen Tagen lesen musste.

Und ja, vielleicht wird das jetzt ein wenig Whataboutism, sorry dafür. Warum wird der Sport den ich mache so heftig kritisiert? Ich kann z.B. dem Fußball nix abgewinnen, bin eigentlich genervt wenn hier im 1km Luftlinie entfernten Bundesligastadion gespielt wird weil die Gegend zugeparkt wird, weil die Gegend vermüllt wird und es laut ist. Aber ich weiß, dass es Leute gibt die das mögen, also akzeptiere ich das. Oder warum müssen Leute mit Rennautos im Kreis fahren? Warum steigt der Bergsteiger auf eine Berg? Weil er da ist!

Ihr dürft gerne mal eine Suchmaschine Eures Vertrauens bemühen und nach den gefährlichtsten Sportarten suchen. Sportarten bei deren Ausübung Leute zu Schaden kommen und sogar sterben. Sportschießen gehört da eigentlich eher nicht dazu.

Wir haben in Deutschland ein sehr strenges Waffenrecht, das auch fleißig immer wieder angepasst wird, eben nach jeder Straftat mit einer legalen Waffe eine neue Iteration. Das mag bei manchen Sportschützen ein Gefühl der „Gängelung“ erzeugen, ich akzeptiere das aber, wenn ich in der Maßnahme einen Sicherheitsgewinn für die Allgemeinheit sehe.

Wenn aber jetzt jemand vorschlägt, dass Waffen nur noch dort aufbewahrt werden sollen, wo auch geschossen wird, dann muss er lernen, dass genau das nicht geht, denn Schützenheime sind im allgemeinen unbewohnt und nach einer der letzten Änderungen ist es nicht mehr erlaubt, Waffen in unbewohnten Gebäuden zu lagern.

Wenn dann aber, so wie ich heute lesen musste dann auch noch so Forderungen kommen wie „Waffen so lagern, dass man nicht ‚impulsiv‘ damit Unsinn machen kann“ dann empfinde ich das als persönliche Beleidigung. Ich bin ja nicht nur Sportschütze sondern z.B. auch anerkannter Kriegsdienstverweigerer, da ich eben nicht mit Waffen gegen andere Mitmenschen vorgehen will. Wer mir „impulsives Handeln“ mit Schusswaffen unterstellt, der würde mir wohl auch unterstellen, dass ich bei jedem Minirock den ich sehe sofort zum Vergewaltiger werde weil ich meinen Sexualtrieb nicht unter Kontrolle habe. Geht’s noch?

Das Schlimme ist, dass jetzt ein Nebenkriegsschauplatz aufgemacht wird bei dem die Sportschützen die „Bösen“ sind, so wie halt bei anderen Tagen es die „Videospieler“ waren oder was auch immer. Es gibt ein paar Stimmen der Vernunft die jetzt schon sagen, dass eine weitere Verschärfung des Waffenrechts keinen Sicherheitsgewinn mehr bringen würde. Wohl aber 1,35 Millionen Sportschützen in Deutschland weiter bei der Ausübung ihres Sports einschränken würde.

Und wenn man es mal ganz rational sieht: Der Täter vom Olympia Einkaufszentrum in München hatte seine Waffe illegal, solchen Leuten ist die Verschärfung des Waffenrechts egal. Also selbst wenn wir per Gesetz alle jetzt noch „legalen“ Waffen einziehen würden, übrig bleiben eine Menge illegale Waffen. Manche vielleicht sogar von Rechtsextremisten bei Polizei und Bundeswehr abgezweigt.

Und sind wir doch mal ehrlich, wer Leute umbringen will und seinen eigenen Tod mit plant, der findet auch Wege das ohne Schusswaffen zu tun. Es ist wie eine traurige Bestätigung, dass kurz bevor ich mich hingesetzt habe um diesen Artikel zu schreiben in Nordhessen ein Autofahrer wohl absichtlich in einen Rosenmontagszug gefahren ist und dabei mehrere Menschen verletzt hat. Es bleibt zu hoffen, dass die 7 Schwerverletzten ohne bleibende körperliche Schäden überleben.

Wenn wir uns mal von dieser fruchtlosen Diskussion lösen, dann drängen sich doch eigentlich ganz andere Fragen auf. Kurz vor dem Massaker in Hanau wurde ein rechtes Terrornetzwerk aufgedeckt, dass gezielte Attentate verüben wollte um einen Bürgerkrieg zu provozieren. Der parlamentarische Arm des Rechtsterrorismus, die sogenannte „Alternative für Deutschland“ lässt keine Gelegenheit aus um ihre Hetze gegen alles zu machen, was nicht „arisch“ aussieht. Ungefähr 500 Rechtsextremisten werden per Haftbefehl gesucht und sind abgetaucht. Öffentlichkeitsfahndung wie damals bei der RAF vielleicht? Das dürfte mittlerweile schwierig werden, denn die Zahl der RAF-Terroristen war noch so überschaubar um ihre Steckbriefe in Postämtern aufzuhängen, aber bei 500 Gesuchten dürfte das schwierig werden. Plakatwände?

Nun denn, ihr könnt Euch jetzt ja mal überlegen, ob es sinnvoll ist jetzt komplett reflexhaft auf den Sportschützen rum zu hacken. Ich übe diesen Sport jedenfalls gerne aus, denn er schult die Konzentrationsfähigkeit. Und ich bin mir als Waffenbesitzer meiner Verwantwortung gegenüber den Sicherheitsinteressen in der Bevölkerung durchaus bewusst. Bin ich also jetzt der „potentielle Massenmörder“?

Ein Gedanke zu „Ich, der potentielle Massenmörder

  1. Ich kann Deinen Ärger über die mediale Hetzjagd gut verstehen und, obwohl kein Sportschütze, auch gut nachvollziehen. Diese Hetzjagd ist leider Ausdruck sehr schlechten Journalismus, der immer leichte Lösungen für komplexe Probleme sucht und gerne natürlich auch ‚die Schuldigen‘. Nach Hanau sind es die Sportschützen, nach anderen Vorkommnissen Videospieler und irgendwann, wenn wir fundamental genug ‚gretaisiert‘ sind, sind es pauschal die Autofahrer.
    Nach tatsächlichen Ursachen zu forschen ist entweder politisch nicht korrekt oder mühsam oder beides. Es gibt keinerlei Entschuldigung für das Massaker in Hanau, aber es muss nach den individuellen Ursachen gesucht werden, die dafür gesorgt haben, dass bei dem Attentäter in Hanau die Sicherungen durchgebrannt sind. Welche Lehre sich daraus ziehen läßt, weiss ich nicht. Gängelei von einzelnen Gruppen gehört aber offensichtlich nicht dazu.

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