Die gekaufte Republik

Gestern ist Sebastian Kurz von seinem Amt als Bundeskanzler von Österreich zurück getreten. Gestürzt ist er wohl über eine Korruptionsaffäre bei der es auch um Steuergelder für „gefällige Umfragen“ geht. Und so froh ich über den Sturz des Sebastian Kurz bin, so sehr mache ich mir Sorgen über die Zukunft.

Was mich ein wenig ins Grübeln bringt ist ein Tweet von Natascha Strobl die für ihre hervorragenden politischen Analysen bekannt ist und die auch das Buch „Radikalisierter Konservatismus – Eine Analyse“ geschrieben hat. In ihrem Tweet erwähnt Natascha Strobl, dass Umfragen in Österreich als Legitimation für viele Reformen und fragwürdige Aktionen die in Österreich stattgefunden haben dienen. Umfragen, deren Richtigkeit nun mindestens angezweifelt werden muss. Streng nach dem vielfach verschiedenen Staatsmännern zugeordneten Spruch „Trau keiner Statistik die Du nicht selbst gefälscht hast„.

Was mich persönlich aber in tiefe Zweifel stürzt ist die aus dem Skandal abzuleitende Erkenntnis, dass es wohl eine signifikante Zahl von Menschen in unserer Gesellschaft (das dürfte kein nur auf Österreich beschränktes Phänomen sein) gibt, die ihre Meinung dem anpassen, was laut Umfragen die Mehrheit für „richtig“ hält. Und auch hier fällt mir dann nur ein derber Spruch ein: „Fresst Scheiße, Millionen von Fliegen können nicht irren…“.

Wo sind die Menschen mit nicht verhandelbaren Werten, die ihre Überzeugung nicht mal eben über Bord werfen, nur weil eine Umfrage behauptet, dass sie mit ihrer Meinung recht alleine da stehen. Ja, ich weiß das wäre jetzt wieder ein Argument mit dem Corona-Schwurbler behaupten könnten, dass sie ja nur ihre Werte verteidigen. Aber es existiert ein Unterschied zwischen wissenschaftlich fundierten Fakten und den daraus abzuleitenden Maßnahmen und eben Dingen wie „Sollen wir nach Afghanistan abschieben?“ und das dann mit einer manipulierten Umfrage zu legitimieren. Wo ist der Gegenwind bei solchen Dingen?

Wie sehr sind Menschen manipulierbar wenn ein Subjekt wie Sebastian Kurz mit solchen Mitteln zum Kanzler werden kann? Oder sind unsere Werte tatsächlich so variabel, dass wir sie ständig den äußeren Umständen anpassen können oder gar müssen?

Vor einiger Zeit las ich das Buch „Hiding in Plain Sight“ von Sarah Kendzior in dem sie heftigs vor Donal dTrump warnt und die Methoden bechreibt, wie der Trumpismus Amerika erodieren lässt. Und sie hat bevor Donald Trump Präsident wurde jedem empfohlen, sich mal hinzusetzen und seine individuellen Werte auf Papier zu schreiben. Und dann nach einem oder mehreren Jahren Trump einfach mal zu sehen, was aus diesen Werten geworden ist. Ein sehr guter Vorschlag, den auch wir umsetzen sollten, damit wir nicht in die Falle tappen und unsere Werte dem jeweiligen Bedarf anpassen.

Denn ähnlich wie bei Trump habe ich auch bei Sebastian Kurz nicht den Eindruck, dass der tatsächlich weg ist, der ist nur mal aus dem Rampenlicht getreten und macht jetzt im Schatten weiter. Was keine beruhigende Idee ist.

2 Gedanken zu „Die gekaufte Republik

  1. Dass Umfragen meinungsbildend sein können, steht ausser Frage. Mich stört aber immer wieder, dass Ergebnisse aus Meinungsumfragen in den ÖR kundgetan werden, ohne die dahinterliegende präzise Frage mitzuliefern und auch ohne über die Abstimmungsergebnisse zu informieren. Hier findet dann über die Medien gerne Manipulation statt, da sowohl Frage als auch Ergebnisaufschlüsselung durchaus die endgültige message relativieren.

    • Wir erleben meines Erachtens auch ein *zu viel* an Umfragen.

      Über jeden Mist wird eine Umfrage gestartet.
      Und zu manchem gar nicht.
      Beispiel Streiks und Probleme von Arbeitnehmern sowie entsprechende Berichterstattung.
      Der eine Streik (GDL) stört das Wohlempfinden, der andere Streik (Berliner Krankenhausbewegung) findet nur in der Lokalpresse hin und wieder statt.

      Der erste Streik wird fast skandalisiert, WEIL es das Wohlempfinden „der“ Bevölkerung stört und es werden die Ziele als unverhältnismäßig in Interviews geframed.
      Der zweite Streik wird „fast“ verschwiegen.

      Wo soll denn die Meinungsbildung stattfinden, wenn Informationen nicht erfolgen bzw. Informationen direkt eine Wertung erhalten.

      Das macht Umfragen zusätzlich nur schlecht bewertbar. Was aber viele Entscheider nicht interessiert / nicht zu interessieren scheint.

      Und das einige Politiker sich der Regenbogenpresse bedienen um Informationen zu lancieren erleben wir spätestens seit März/April 2020 in einem Maße, dass meines Erachtens unerträglich ist.
      Das Verhalten wurde klar von Trump kopiert und betrifft nicht nur eine Partei. Stimmung machen und nutzen, um jeden Preis, erleben wir in Deutschland auch.

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