Der verkaufte Vogel

Nun ist es doch passiert, Elon Musk hat am Donnerstag Twitter gekauft. Wie ich bereits im Juni geschrieben habe, werden in so einem Fall viele Leute auf Mastodon abwandern, denn das Fediverse ist unverkäuflich. Zeit für eine Bestandsaufnahme und Richtungentscheidung für mich.

Was halte ich vom neuen Twitter-Chef?

Elon Musk mag vielleicht der finanziell reichste Mensch der Welt sein, aber dieser Reichtum beeindruckt mich nicht. Was man von ihm nach der Übernahme von Twitter an Aktionen gesehen hat sind eher toxische Führungsqualität, so hat er die „Zensurchefin“ von Twitter vor laufender Kamera gefeuert. Das nächste Problem ist, dass er wohl auch nichts dagegen hätte wenn Leute wie Donald Trump zu Twitter zurück kämen. Der hat aber bis jetzt noch mit Verweis auf seine eigene Filterblase unter truth.social abgelehnt. Dennoch können wir auf Twitter seit der Übernahme durch Musk sehen, dass die rechtsextremen Accounts wieder aus ihren Löchern gekrochen kommen und Morgenluft wittern.

Quo vadis Twitter?

Ich bin seit mehr als 12 Jahren nun auf Twitter und habe bis jetzt (30. Oktober) dort 91.345 Tweets gepostet. Das ist eine ganze Menge und unter meinen Followern und den Leuten denen ich selbst Folge habe ich viele bemerkenswerte und (auch im Wortsinn) liebenswerte Menschen gefunden die ich irgendwie in mein Herz geschlossen habe. Es sind Menschen mit Sorgen, Nöten und vielleicht auch Fehlern, aber es sind vor allem Menschen, die trotz ihrer Situation immer noch ein Ohr für die Sorgen von anderen haben und ihre Hilfe anbieten, auch wenn sie selbst genügend am Hals haben. Diese Leute will ich eigentlich nicht vermissen oder „im Stich lassen“.

Auf der anderen Seite ist Twitter natürlich auch das Medium für Nachrichten wie beispielsweise die Proteste im Iran, Nachrichten, die von den Mainstream-Medien eher am Rande behandelt werden, während wir auf Twitter das Vorgehen eines menschenverachtenden Regimes quasi live verfolgen können. Twitter ist also weiterhin wichtig um den Draht zu wenig beachteten Konflikten zu haben.

Die andere Seite im Fediverse

Nach der Übernahme von Twitter durch Elon Musk wandern nun viele Leute ins Fediverse ab. In den letzen Tagen habe ich hier viele Leute von Twitter wieder gefunden, und sogar jemanden, mit dem ich vor gefühlt einer Ewigkeit auf Google+ vernetzt war, dem sozialen Netzwerk von Google, das dann 2018 eingestellt wurde.

Und im Vergleich zum Juni passieren nun im Fediverse auch viele Interaktionen, meine Benachrichtigungen haben immer wieder Neuigkeiten zu vermelden. Man vernetzt sich auf Mastodon. Mittlerweile habe ich neben dem kinghaunst@augsburg.soical account auch noch einen gleichlautendend Account auf pixelfed.de einem federated Netzwerk auf dem man Bilder posten kann. So ganz ohne Werbung, jeder postet einfach ws ihm so vor die Kamera kommt.

Insgesamt scheint mir das Fediverse nun durchaus ein Platz zu sein, an dem man sich gut austauschen kann.

Und nun?

Die Frage ist doch, wie viele soziale Netzwerke braucht ein Mensch? Wenn wir uns an die Dunbar-Zahl erinnern, dann heißt es, dass wir kognitiv gerade mal in der Lage sind mit 150 Leuten soziale Beziehungen zu haben. Bei Twitter habe ich mindestens 10 mal so viele Follower und natürlich ist hier die Frage, wie tief diese Beziehungen tatsächlich sind. Wir haben eventuell nur die Illusion, eine soziale Beziehung zu haben, weil wir die Nachrichten dieser Menschen lesen und darauf mit Likes oder gar Kommentaren reagieren. Zu einer echten sozialen Beziehung gehört aber eigentlich mehr, zum Beispiel auch das Bemerken, dass sich irgendwer schon lange nicht mehr gemeldet hat und dann vielleicht die Nachfrage, ob man irgendwie unterstützen kann wenn es Probleme gibt. Und hier sieht es bei den sozialen Netzwerken eher düster aus, ich würde diese Beziehungstiefe vielleicht bei 10 Leuten unter meinen Followern sehen, denn auch ich interagiere eben viel mehr mit den Leuten die „online“ sind als dass ich noch viel Zeit hätte, mir um die Leute die „weg“ sind Gedanken zu machen. Eigentlich schlimm, aber das ist wohl der Fluch der sozialen Netzwerke.

Für mich wird es jetzt mal eine Fediverse-Testphase geben, also die Meldungen wie das „Guten Morgen $Wochentag. Hunderunde“ mit filosofischen Betrachtungen am frühen Morgen werde ich wohl mal eine Weile auf Mastodon schreiben. Twitter werde ich eher lesend und retweetend nutzen, denn die Menschen die im Iran gegen das Regime kämpfen habe ich in mein Herz geschlossen und werde deren Informationen auch weiterhin retweeten. Und natürlich bin ich auf allen Kanälen für wichtige Fragen empfangsbereit.