Ich bin ja so was wie ein Hobby-Musiker und versuche neben Klavier auch Gitarre und Bass zu lernen, alles ohne einen echten Lehrer. Für Klavier habe ich einen Online-Kurs abonniert, der mich einen Euro am Tag kostet und durchaus nett ist. Für Gitarre und Bass versuche ich mir das notwendige aus Lehrbüchern beizubringen. Und wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, dann habe ich durchaus meine Probleme beim Selbststudium.
Bestandsaufnahme
Beim Klavier geht das noch recht gut, allerdings blicke ich auf etwa 40 Jahre Tasteninstrumente zurück, und für diese Zeitspanne kann ich doch noch verdammt wenig. Und mein Bullet Journal erzählt mir, dass ich zwar jeden Tag am Klavier sitze und übe, aber die Video-Kurse nur sehr sehr sporadisch anschaue. Das Spielen macht eben mehr Spaß, als einen Lehrer im Video zu haben, der etwas erklärt, was man dann doch alleine am Klavier üben muss.
Gitarre und Bass, ja das läuft schön, aber auch hier ertappe ich mich dabei, ein „fixed mindset“ zu haben, d.h. bei meinem Geklampfe spiele ich eben lieber die paar Stücke die ich lange geübt habe und gut kann statt mal was neues anzufangen. Was dann eben dazu führt, dass ich kaum neue Sachen lerne. Also eigentlich eine für mich nicht zufriedenstellende Situation.
Zeit was Neues zu probieren
Neulich habe ich dann eine Inspiration auf YouTube von einer jungen Lady bekommen, nämlich Ellen Alaverdyan. Ellen ist gerade mal 10 Jahre alt, aber sie spielt seit 2 Jahren Bass und sie spielt um einiges besser als ich. Sehr viel besser als ich, obwohl mein Erstkontakt zum Bass nun schon 7 Jahre her ist. Also mal schauen, wie dieses Kind das Bass-Spielen gelernt hat. Ellen und ihr Vater erklären das in diesem Video, sie nutzt zum Lernen die App Yousician. Na, dann schaue ich mir das doch auch mal an.
Die App gibt es leider nicht als Desktop für Linux, aber auf meinem Android-Tablet läuft sie. Also mal installiert und einen kostenlosen Account erstellt. Yousician kann für folgende Instrumente genutzt werden.
- Gitarre
- Bass
- Ukulele (eigene Android-App)
- Piano (eigene Android-App)
- Gesang
Bis auf den Gesang also alles Instrumente die ich auch habe. Also lass mich mal genauer gucken was das ist.
Das Konzept von Yousician
Das Konzept bei dieser App kann man einfach mit dem Begriff „Gamification“ beschreiben. Man lernt indem man sehr kurze Anleitungsvideos anschaut und dann geht es direkt ans Instrument. In der App laufen bei Gitarre und Bass dann die zu greifenden Saiten am unteren Bildschirmrand durch und eine „springende Kugel“ zeigt, welche Saite in welchem Bund zu spielen ist. Gleichzeitig hört man einen Backing Track damit man das Gefühl hat mit einer Band zu spielen. Und Yousician „hört“ über das Mikrofon mit, was man da spielt, ob man die richtigen Töne trifft und ob man zu früh oder zu spät dran war. Die Perfektion mit der man den Song spielt gibt Punkte, die Songs sind zudem in Abschnitte aufgeteilt die man eigens üben oder spielen kann. Am Ende ist das Ziel, möglichst für jeden Abschnitt 3 goldene Sterne zu bekommen (perfekt) und entsprechend viele Punkte. Für jeden Song gibt es eine Rangliste auf der man sieht, wie andere Nutzer von Yousician bei diesem Song abgeschnitten haben.
Letztlich könnte ich jetzt sagen, das ist ein Video-Spiel und der Game-Controller ist mein jeweiliges Instrument. Und ja, das trifft es eigentlich ganz gut. Und nach ein paar Tagen Spielerei damit habe ich dann auch gleich den Black-Friday-Rabatt genutzt und dort ein Jahresabo abgeschlossen, das kostet mit Rabatt knapp 90€ und ist damit deutlich billiger als mein bisheriger Online-Klavierkurs (den ich jetzt gekündigt habe). Und hey, ich kann alle meine Instrumente üben.
Die Psychologie dahinter
Tatsächlich stelle ich fest, mit dieser App macht das Üben wieder richtig Spaß. In den letzten paar Tagen habe ich eine Menge Songs gespielt die ich nach der „alten Methode“ nie gespielt hätte. Und das direkte Feedback aus der App, wie „gut“ man spielt und die Belohnung mit den Punkten bedient natürlich das Belohnungsystem im Gehirn, das sich freut für jede kleine Leistung quasi ein Lob zu bekommen. Das hat bei mir dazu geführt, dass meine üblichen 25 Minuten die ich für ein Instrument veranschlage nun deutlich mehr sind, auch mal eine Stunde, einfach weil man einen Song eben perfekt spielen will und das solange wiederholt, bit es passt.
Yousician schickt einem auch einmal die Woche eine Mail mit einer Statistik, wie lange man damit geübt hat. Und wenn man einen Kurs-Level abgeschlossen hat gibt es ein Zertifikat, das dann beispielsweise so aussieht:
Das habe ich gestern bekommen, nachdem ich den ersten Level beim Bass abgeschlossen habe. Ja, es ist nur ein PDF, aber trotzdem eine schöne Dokumentation des Übe-Fortschritts.
Die Nachteile von Yousician
Bei aller Begeisterung für die App und das Konzept muss man natürlich auch ehrlich sein und die Nachteile bzw. Schwachstellen ansprechen.
Yousician braucht eine Internet-Verbindung, denn die Lehrinhalte werden online runtergeladen wenn man sie braucht.
Das User-Interface mit den bunten Linien auf den Saiten befreit den Nutzer zwar vom Notenlesen, aber ich bin erst mal gespannt, ob das noch kommt und wie die App mit Dingen wie Harmonielehre umgeht. Hier braucht man doch ein wenig graue Theorie.
Und wenn wir schon beim Notenlesen sind, was definitiv nicht geht ist sich ein Notenblatt runterzuladen und auszudrucken. Man hat zwar eine Song-Bibliothek, aber die ist eben auch nur so lange verfügbar wie man ein Abo hat, kündigt man das Abo, dann hat man nur noch das, was man auswendig spielen kann.
Die Sounderkennung beim Klavier funktionierte bei meinen Versuchen nicht sehr zufriedenstellend, aber dafür kann man beim Klavier dann die MIDI-Schnittstelle (bei meinem Stagepiano sogar über Bluetooth) nutzen und somit ist das kein ernstes Problem.
Erstes Fazit
Am Sonntag damit angefangen und jeden Tag viel Spaß gehabt. Ich habe sogar mal wieder die Ukulele rausgeholt, denn das wird ja auch untersützt. Beim Klavier bin ich in der App noch nicht an dem Punkt, wo beide Hände simultan spielen, bin schon gespannt wie das in der App gemacht werden wird. Gitarre und Bass hingegen machen echt wieder einen Riesenspass, eben wie ein Videospiel und man lernt die Fingerfertigkeit nebenbei. Und der Preis ist eigentlich mit dem Rabatt für Black Friday sehr günstig, quasi nur noch ein Viertel von dem was mein bisheriger Kurs gekostet hat und dafür werden alle Instrumente die ich nutze unterstützt.