Antwort von MdB Ulrike Bahr (SPD)

Neulich habe ich ja berichtet, dass ich diverse Bundestagsangehörige aus meinem Wahlkreis angeschrieben habe, mit der Bitte ein Verbotsverfahren gegen die AfD zu unterstützen. Mittlerweile habe ich eine sehr ausführliche Antwort von Ulrike Bahr (SPD) erhalten auf die ich in diesem Blogbeitrag eingehen will. Ich werde hier aber die Mail nicht im Vollzitat bringen, sondern die Punkte so zu formulieren wie sie bei mir als Empfänger der Mail angekommen sind.

Was die SPD bereits getan hat

Am Anfang gleich mal die gute Nachricht, dass die SPD bereits einige Dinge in die Wege geleitet hat.

Bundesvorstand initiiert Arbeitsgruppe

Am Montag, 15.01.2024 wurde eine Arbeitsgruppe vom SPD-Bundesvorstand eingerichtet um die Chancen eines AfD-Verbots auszuloten.

Gesetz zur Finanzierung der parteinahen Stiftungen

Ein Gesetz zur Parteinahmen Stiftungen wurde auf den Weg gebracht, Finanzierung ist somit nur noch bei aktiver Verfassungstreue möglich. Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen, dass man einer Partei auch dann staatlich Gelder entziehen kann, auch wenn sie noch nicht verboten ist. Derzeit läuft ein Verfahren gegen die NPD beim BundesVerfG, in Kürze wird ein Urteil erwartet.. Das könnte als Vorlage für ein entsprechendes Verfahren gegen die AfD genutzt werden.

Die Zweifel der SPD an einem AfD-Verbot

In diesem Abschnitt möchte ich die Punkte auflisten, die für mich Zweifel an der Durchsetzbarkeit eines AfD-Verbots darstellen. Ich werde meine Anmerkungen jeweils unter die Argumente plazieren.

Hohe Hürde in der Verfassung

Frau Bahr weist darauf hin, dass der Staat sich nicht einfach unliebsamer Gegner entledigen kann. Voraussetzung für ein Parteiverbot wäre wenn die Partei planvoll und aktiv auf die „Beeinträchtigung oder Beseitigung der Demokratie“ hin arbeitet und das durch eine kämpferische aggressive Haltung.

„Wir werden sie jagen“ als Vollzitat von Alexander Gauland. Oder Höcke: „Nach der Machtübernahme werden wir uns von Teilen der Bevölkerung trennen.“ was in etwa die Pläne des Treffens in Potsdam beschreibt.

Verweis aufs NPD-Verbot, Gefährlichkeit der Partei

Es geht auch darum wie bedeutend eine Partei ist, ob sie ihr Programm verwirklichen kann und so den Staat gefährden kann. Im Fall der NPD wurde das damals verneint.

Die NPD war auch nur ein unbedeutender Haufen weit unterhalb der 5% Hürde bei irgendwelchen Wahlen. Bei der AfD haben wir deutlich zweistellige Zustimmungsquoten, im Osten zum Teil über 30 Prozent. An dieser Stelle würde ich gerne unsere Demokratie mit einem lebenden Menschen vergleichen. Als Lebewesen ist unser Immunsystem permanent im Kampf gegen Erreger die es angreifen. Wenn ich jetzt einen Verletzung habe die eitert, dann ist das eine natürliche Abwehrreaktion des Körpers. Kein vernünftiger Arzt würde mir hier die maximale Dosis Antibiotika verschreiben sondern mich darauf hinweisen, dass diese Infektion für mein Immunsystem kein Problem darstellt. Eben so wie es das Bundesverfassungsgericht im Kontext NPD getan hat. „Lästig, aber nicht bedrohlich“. Wenn mein Körper aber zu 30% aus Eiterbeulen bestehen würde, dann denke ich würde jeder Arzt sofort ein Antibiotika verschreiben um den Körper beim Kampf gegen diesen Erreger zu unterstützen.

Ein Verbotsverfahren würde sehr lange dauern

Mit der langen Dauer eines AfD-Verbotsverfahrens hätte die AfD viel Zeit sich in die Opferrolle zu begeben und so womöglich noch mehr Zulauf zu generieren.

Wenn ich Angst davor habe, dass die AfD sich bei einem Verfahren zum Opfer stilisieren könnte, dann wäre das ein absolutes K.O.-Kriterium für ein Verbotsverfahren, denn das kann sie ja immer tun, wann auch immer ein Verbotsverfahren gestartet wird. Wenn eine Person vor Gericht angeklagt wird, dann ja auch nur weil es ausreichend Beweise für eine Klage gibt und die Klage schiebt man auch auch nicht auf, weil der Angeklagte sich dann in einer Opferrolle befinden würde.

Die AfD könnte vor dem Europäischen Gerichtshof klagen

Frau Bahr äußert bedenken, dass die AfD vor dem Europäsichen Gerichtshof für Menschenrechte gegen ein Parteiverbot klagen könnte. Ein erfolgloses Gerichtverfahren würde dann der AfD einen Persilschein ausstellen, dass sie nicht verfassungswidrig sei.

Ein womöglich berechtigter Einwand, im Netz habe ich Parteiverbote auf dem europäischen Prüfstand und Parteiverbote unter dem Grundgesetz und der EMRK gefunden die das Thema mehr oder weniger erschöpfend behandeln. Allerdings denke ich nicht, dass wir nach einem einmaligen Scheitern vor dem EUGH auf alle Ewigkeit dazu verdammt wären, denn natürlich können sich neue Beweise für die Verfassungswidrigkeit der AfD ergeben die ein neues Verfahren rechtfertigen. Beispiel aus der Praxis: Ich bin Jugendleiter in unserem Verein und muss jedes Jahr dem Jugendamt ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen damit sie sicher wissen, dass ich nix auf dem Kerbholz habe was z.B. zu Übergriffikeiten führen könnte. Da reicht auch nicht ein Auszug um mir für den Rest meines Lebens eine weiße Weste zu verpassen.

Ein AfD-Verbot macht nicht aus Nazis Demokraten

Frau Bahr merkt an, dass ein Parteiverbot das menschenverachtende Gedankengut nicht löschen würde, sondern nur in den Untergrund verschieben würde, wo es aus dem gesellschaftlichen Blickfeld verschwindet, aber weiter gärt. Und dass sie weitere Sympathien bekommen würden, was nicht passieren darf.

Guter Punkt, Aber als Nebenwirkung eines Parteiverbotsverfahrens würde die AfD aus dem Parlament fliegen, die Strukturen wären zerschlagen und Parteispenden wären dann auch nicht mehr steuerlich absetzbar.

Ein Parteiverbot macht schlechten Eindruck

Frau Bahr fürchtet, dass durch ein Verbotsverfahren der Eindruck entstehen könnte, dass die Demokraten den bequemen Weg wählen, weil man es anders nicht schafft. Das wäre ein Bärendienst an der Demokratie.

Ich denke, dass angesichts der oben aufgeführten Punkte durchaus klar ist, dass ein Verbotsverfahren kein „bequemer Weg“ ist, sondern mühsam und anstrengend. Und nach meiner Meinung wäre es ein noch viel größerer Bärendienst an der Demokratie, wenn wir einen Mitspieler der ganz offen auf die Regeln scheißt nicht sanktionieren würden. Die Regeln nach denen unsere Demokratie funktioniert sind im Grundgesetz festgelegt und wer gegen die Regeln verstößt muss dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Das gilt für die AfD genaus wie für den Autofahrer der mit 60 durch eine Tempo-30-Zone fährt.

Wie dieSPD gegen die AfD vorgehen will

Hier sind die Möglichkeiten zusammengefasst die Frau Bahr vorschlägt.

Der AfD politisch begegnen

Frau Bahr regt an, die AfD zuallererst mit politischen Mitteln zu bekämpfen. Denn wenn wir glauben bessere Argumente zu haben, wovon sie überzeugt ist, dann sollten wir dagegenhalten und die Aussagen der AfD als wissenschaftsfeindlcih, gehaltlos und voller falscher Behauptungen zu entlarven.

Ja, das hat ja bisher auch super funktioniert. Und nachdem das Treffen von Potsdam publik wude passierte das hier:

Drei Meldungen die mir zeigen, dass die Union als „demokratische Volkspartei“ offensichtlich keine Probleme hat der AfD Posten im Bundestagspräsidum zu geben oder eben den Top-Agenda-Punkt „Migration“ der AfD auch auf ihre eigene Agenda zu setzen an prominenter Stelle zu plazieren. An dieser Stelle müssen wir uns dann auch nicht wundern, wenn Umfragen nun ergeben, dass Migration angeblich das dringendste Problem für Deutschland sei.
Und auch der Spiegel titelte im Oktober 2023 mit Olaf Scholz und „Wir müssen endlich in großem Stil abschieben“. Und selbst wenn man der Fairness halber noch anmerken möchte, dass Scholz bei dieser Äußerung vielleicht wirklich nur die Menschen im Visier hatte, die hier in Deutschland als abgelehnte Asylbewerber weder Bleiberecht noch Duldung haben, so muss man doch feststellen, dass das ehemalige Nachrichtenmagazin mit dieser Titelzeile wiederum die Narrative der AfD bedient.

Gegenhalten damit die AfD nicht die Opferrolle annimmt

Frau Bahr merkt an, dass ihr schon klar ist, wie schwierig dieser Weg ist und dass wir dauerhaft wachsam in Bezug auf die AfD sein müssen. Und dass die aggresiven Debatten die von der AfD angestiftet werden anstrengend sind. Trotzdem müssen die Demokraten dagegen halten, damit die AfD nicht die Opferrolle einnehmen kann.

Ja, ich kann mir durchaus vorstellen, dass die AfD-Fraktion im Bundestag nicht gerade förderlich für die sachliche und demokratische Diskussionskultur ist. Und doch muss ich wieder auf meine obige Einschätzung verweisen und feststellen, dass eben auch unter den demokratischen Parteien derzeit wohl keine Einigung über die Prioritäten der Probleme im Land besteht. Unter diesen Rahmenbedingungen sehe ich eher die Gefahr, dass die AfD wieder ihren Spruch „die AfD wirkt“ auspackt und weiteren Zuwachs erhält. Wir müssen schlicht aufhören, uns die Tagesordnung für politische Debatten von der AfD vorgeben zu lassen.

Betätigungsverbot gegen Schlüsselpersonen der AfD

Das ist eine gute Idee, doch es wirft auch Fragen auf:

  • Wie lange würde ein solches Verfahren dauern im Vergleich zu einem Parteiverbotsverfahren, sprich ab wie vielen mit einem Betätigungsverbot belegten Schlüsselpersonen wäre ein Verbot der Gesamt-Partei mit weniger Aufwand zu haben?
  • Wenn wir Bedenken haben, dass sich die Partei vor dem EUGH gegen ein Parteiverbot wehren könnte, dann gilt dieses Argument doch ebenso für Parteifunktionäre. Was also gewinnen wir, wenn wir hier einzelne Personen aufs Korn nehmen statt die Gesamtpartei?

Parteiverbot als Ultima Ratio

Am Ende versichert Frau Bahr, dass die SPD, sollte sie den Eindruck gewinnen dass sie von der Ultima Ratio eines Parteiverbotes Gebrauch machen müssen, dann werden sie es auch auf den Weg bringen.

Also ein entschiedenes „vielleicht“. Das Problem das ich hier sehe ist aber, das es ja in der SPD auch die Bedenken gibt, dass ein Parteiverbot sehr lange dauern würde, sprich wenn ich jetzt weiter zusehe und die Eindämmung der AfD mit anderen Mitteln probiere, heißt das ja nicht, dass ein Parteiverbotsverfahren, das ich am Ende dann doch starte deswegen plötzlich schneller ablaufen würde. Das heißt, dass ich die Zeit bis zum Start eines Verbotsverfahrens nicht richtig genutzt habe.
Aus meiner Sicht sind die Handlungsoptionen ja kein logisches „exklusiv oder“, es wäre durchaus zu bedenken, ein Verbotsverfahren zu starten und parallel dazu die AfD auf sachlicher Ebene zu zerlegen, ihre Propaganda zu entlarven und das auch entsprechend einheitlich zu kommunizieren. Was angesichts einer machtgeilen und quer schießenden Union sicher keine einfache Aufgabe sein wird.

Mein Fazit

An dieser Stelle möchte ich auf jeden Fall Frau Bahr für ihre ausführliche Antwort danken, denn nur so kann ein demokratischer Diskurs stattfinden. Und auch wenn wir in vielen Punkten unterschiedlicher Meinung über das „wie“ sind, so sehe ich doch Einigkeit in der Feststellung dass etwas getan werden muss. Das ist doch ein guter Anfang.

Von den anderen beiden Abgeordneten die ich angeschrieben habe ist bislang noch keine Antwort eingegangen.

Ein Gedanke zu „Antwort von MdB Ulrike Bahr (SPD)

  1. Hallo aus Japan, wo ich die Entwicklung in Deutschland mit Sorge verfolge.

    Dein letzter Beitrag, die Andeutung deiner vielen Schreiben an Medien etc., alles das zeigt mir, wie wichtig es ist, dass sich Einzelne einsetzen.

    Ich hoffe nur, dass die anderen Abgeordneten sich ebenfalls melden, sonst ist das ein ganz schwaches Zeichen.

    Die Argumente in diesem Blog will ich mir noch einmal in Ruhe durchsehen, das war sehr anregend.

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