Panem et circenses

In den letzten Tagen habe ich sehr oft ein 1985 erschienenes Buch empfehlen müssen. Obwohl schon 39 Jahre alt ist es immer noch hoch aktuell. Es ist die Fernsehkritik des Autors Neil Postman mit dem schönen Titel „Wir amüsieren uns zu Tode„.

Warum muss ich dieses Buch in der letzten Zeit so oft erwähnen? Nun, wir schreiben das Jahr 2024, und Deutschland erlebt eine Bürgerbewegung gegen die AfD und den Rechtsextremismus, wie es sie vorher nie gab. Hunderttausende gehen auf die Straßen um für die Demokratie einzustehen und gegen die demokratiezerssetzende Kräfte von rechts zu demonstrieren.

Und in all diesem Kontext des Aufstehens gegen die rechte Gefahr haben Fernsehsender nichts besseres zu tun, als Mitgliedern der AfD eine Plattform zu bieten auf der sie ihre kruden Thesen zur besten Sendezeit verbreiten dürfen. So war diese Woche wohl Tino Chrupalla bei Markus Lanz zu Gast.

Zuschauer schreiben dann die Programmredatkionen der Sender an um gegen dieses Schaulaufen der Rechtsextremen zu protestieren und ernten generische Standardantworten, in denen sie mit „Sehr geehrte Zuschauerin, sehr geehrter Zuschauer“ begrüßt werden und man ihnen mitteilt dass man den Zuschaueren eine „vielfältige und interessante Gästeliste“ präsentieren will.

Tja, hätten die Leute besser mal den Postman gelesen. Der hat nämlich schon damals, also 1985, die Erkenntnis gewonnen, dass Fernsehen nur der „Unterhaltung“ dient und nicht wirklich der Information. Ein echter Diskurs ist nicht beabsichtigt und der Zuschauer eine Talkshow kann sich den verbalen Schlagabtausch ansehen, aber mehr ist es nicht. Es gibt keinen funktionierenden Rückkanal vom Zuschauer zu den modernen Gladiatoren in der Fernseharena, natürlich kann man Mails schreiben, die Antwort ist dann aber generisch aus irgendwelchen Textbausteinen zusammengewürfelt.

An der Stelle muss ich vielleicht auch mal anmerken, dass ich kein TV-Konsument bin (schließlich habe ich Postman ja schon vor vielen Jahren gelesen) und ich habe mir in meinem Leben bisher ein einziges Mal eine Talkshow angetan, und das auch nur, weil dort eine gute Bekannte auf der Gästeliste stand. Und die Talkshow hat schon damals deutlich bestätigt was Postman schrieb.

Trotzdem erscheint es sehr bizarr, dass auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk die AfD-Prominenz auf der Gästeliste der Talkshows steht. Immerhin hat diese Partei schon sehr ausdrücklich erklärt, dass sie im Falle einer Machtübernahme den ÖRR praktisch abschaffen wollen. Fällt dieses Hofieren dann unter das Sprichwort „Nur die dümmsten Kälber wählen ihren Metzger selber“?

Eigentlich kann man diese Talkshow-Formate nur mit Ignoranz strafen. Wenn die Quoten für diese Sendungen einbrechen, dann wird das ein deutlich intensiveres Signal an die Programmredationen senden als die gesammelten Mails der Leserschaft, denn jede dieser Mail zeigt ja, dass zugesehen wird und damit ist das Ziel im Wettbewerb um Quoten schon erreicht.

Natürlich könnte man die Partei auch gut vorführen. Wie das geht hat 2016 der Journalist Tim Sebastian im Interview mit der damaligen AfD-Vorsitzenden Frauke Petry gezeigt. Und ich feiere den Moment bei 9:17 als sich Frau Petry aufregt, dass Tim Sebastian peinliche Fragen (z.B. zum Schießbefehl auf Flüchtlinge) stellt statt Fragen zu den Zielen der AfD. Und Tim Sebastian antwortet: „I’m going to ask the questions I’d like, that his what the free press does.“ Ich fürchte aber, dass die rethorischen Fähigkeiten der aktuellen Talkmaster kaum an das Format eines Tim Sebastian heran reichen.

Ein Gedanke zu „Panem et circenses

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