Big Brother is screenshotting you

Ich habe zwischen 1980 und 1984 Informatik studiert. Damals war die Welt der IT noch in Orndung, man definierte Betriebssysteme als eine Instanz welche die Hardware-Resourcen verwaltet und den Rechenprozessen auf Anforderung überläst. Mittlerweile sind 40 Jahre vergangen und es sieht so aus, als Mircosoft die Totalüberwachung der Nutzer mit in die Aufgabenliste eines Betriebssystems übernehmen.

Microsoft will mit „Recall“ ein System einführen, das alle paar Sekunden einen Screenshot erzeugt und auf der lokalen Festplatte ablegt. Und natürlich wirft Microsoft auch das Buzzword „KI“ in den Hut, denn angeblich kann eine lokal laufende KI dann die Screnshots durchsuchen um etwas wieder zu finden was man vorher gesehen hat. Und klar, wenn KI involviert ist schaltet das Gehirn ja auf Pause und weiß, dass alles gut werden wird.

Das Mißbrauchspotential einer solchen Lösung ist maximal hoch. Firmen mit zentral adminstrierten Desktops könnten also wohl relativ simpel gucken, ob die Mitarbeiter tatsächlich ihre PowerPoint-Präsentationen bearbeiten oder doch lieber im Internet ihr nächstes Urlaubsziel aussuchen.

Und natürlich dürfen wir nicht vergessen, dass wir von einer Plattform sprechen, deren Sicherheits-Reputation sehr zweifelhaft ist. Wenn wir jetzt auf jedem PC einen Datenhaufen anlegen, der private und intime Daten genauso enthalten wird wie mögliche Geschäftsgeheimnisse dann braucht man kein Hellseher sein um vorherzusagen, dass dieser Haufen an Daten kriminelle Elemente anziehen wird.

Die bisherigen Erpressungsmails mit „Ich habe ihren Rechner gehackt und ihre Webcam benutzt um zu filmen was sie Schweinisches vor dem PC machen“ könnten zuküntig also lauten „Ich habe ihre Recall Screenshots kopiert…“. Und während die Webcam noch mit mechanischen Hilfsmitteln am Aufnehmen gehindert werden kann ist der User eigentlich relativ machtlos, wenn das Bespitzeln seiner Aktivitäten sozusagen zu den Kernaufgaben seines Betriebssytems gehört.

An dieser Stelle beginne ich mich zu fragen, ob der ganze KI-Hype auch die Intention verfolgt, die neue Hardware der Hersteller zu verkaufen. Sind wir doch mal ehrlich, die PC-Plattform hat mtitlerweile so viel Rechenpower, dass neue und leistungsfähigere Hardware nur dazu führt, dass der Rechner noch mehr „nichts tut“, denn für die üblichen Jobs im Büro tut es doch eigentlich auch Hardware die schon einige Jahre auf dem Buckel hat. Wenn wir jetzt aber die Maschine mit rechenintensiven KI-Funktionen zumüllen, dann merkt der User plötzlich, das seine „alte“ Hardware wieder an die Grenzen kommt und wird so eher dem Kauf neuer und verbesserter Hardware gewogen sein.

Das ganze ist aus meiner bescheidenen Sichtweise also eine komplett bekloppte Idee. Denn warum sollte ich eine Funktion brauchen, die mir ermöglicht meine Aktivitiäten der letzten Tag zu durchsuchen? Browser-History existiert schon seit den Anfängen des WWW und wenn ich etwas „Wichtiges“ bei meinen Tätigkeiten am Rechner sehe, dann habe ich als gut organisierter Mensch unzählige Möglichkeiten, das so zu notieren so dass ich es morgen oder in einer Woche auch noch finde.

Recall ist wohl eher für Leute gedacht, die massiv an FOMO (Fear Of Missing Out) leiden und Angst haben, sie könnten etwas „Wichtiges“ verpassen. Live with it, jeden Tag passieren so viele Dinge von denen ich gar nichts mitbekomme und es ist letztlich für mich auch egal. Wenn es für mich eine gewissen Relevanz hat wird es früher oder später auch in meinen Informationskanälen auftauchen, in allen anderen Fällen habe ich kein Problem damit, irgendwas verpasst zu haben.

Aber für mich stellt sich dieses Problem ja eh nicht, mein Betriebssystem kommt schon seit 25 Jahren nicht mehr von Microsoft.

Ein Gedanke zu „Big Brother is screenshotting you

  1. Dein letzter Satz ist doch der Entscheidende: Seit 25 Jahren kommt Dein OS nicht mehr von Microsoft. Mit dem Auslaufen des Supports von Windows 10 bin ich auch komplett weg. Zur Zeit wandle ich in einem Dual-Boot-System in zwei Welten, und der Abschied von Windows fällt wahrlich nicht schwer. Mittlerweile sind auch Familienmitglieder vom Alternativ-OS überzeugt.
    Ich habe mich lange gegen MS-OS gewehrt. Lange Zeit war ich mit OS/2 sehr zufrieden, aber Win2K konnte mich dann davon überzeugen, dass die Zeiten von OS/2 vorbei sein würden.
    Die Big-Brother-Manie von MS ist ja schon lange ein Thema, aber dummerweise interessiert das offenbar niemanden in Firmen und öffentlicher Verwaltung. Das muss unglaubliche Ignoranz und Bequemlichkeit sein. Von daher, wird sich auch mit Recall nicht viel ändern.

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