Willkommen Klimawandel

Das die Aktivitäten der Spezies homo sapiens auf diesem Planeten graviernde Einflüsse auf das Klima haben dürfte ja schon länger bekannt sein. Bisher schaute man mit einigem Schrecken die Meldungen aus anderen Erdteilen an, also dass es in Indien über 50° C hat, dass in Kanada im Winter die höchsten je gemessenen Temperaturen auftreten und dass die Hurricane- und Waldbrand-Saison in Nordamerika immer katastrophalere Ausmaße annimmt. Aber das war bisher alles weit weg und man kann sich gut einreden, dass einen das nicht so ehr betrifft. Doch nun ist der Klimawandel auch vor der Haustüre angekommen.

Am ersten Wochenende im Juni fielen hier in der Region so um die 160 Liter Regen pro Quadratmeter, was in einigen Ortschaften im Landkreis zu katastrophalen Überschwemmungen durch Hochwasser der kleinen Flüsse die sich in reißende Gewässer verwandelt haben geführt hat. Mehrere Menschen kamen in den Fluten ums Leben.

Und hier in meinem beschaulichen kleinen Vorort von Augsburg in dem es während meiner Lebenszeit von mittlerweile 63 Jahren noch nie eine Hochwasser gab hatten wir ebenfalls Sorgen. Durch die starken Regenfälle stieg der Grundwasserspiegel hier stark an und so erhielt ich In der Nacht von Samstag auf Sonntag einen Anruf vom Vorstand des Trachtenvereins, der wissen wollte, ob in unserem Vereinsheim beim Haunstetten Stadion auch das Wasser steht. Das Trachtenheim habe einen halben Meter Wasser im Keller. Ich wollte mir die Nacht nicht versauen und bin dann am Sonntagmorgen mal losgezogen um zu schauen, wie die Lage ist. Und auch unser Vereinsheim stand unter Wasser, wenn auch nicht so krass wie nebenan beim Trachtenverein. Das lag aber nur daran, dass wir vor 44 Jahren unseren Keller nicht so tief gebaut haben wie unsere Nachbarn, die uns damals schon vor dem hohen Grundwasserspiegel warnten. Dennoch hatten wir 4-5 cm Wasser im Keller und das drückte auch ständig nach. Zu wenig um die Feuerwehr zu bemühen, die wichtigere Einsätze hatte, zu viel um das mal schnell aufzuwischen.

Nun wohne ich etwa einen Kilometer vom Vereinsheim entfernt und mein Arbeitszimmer befindet sich im Keller. Und die Erfahrungen aus dem Vereinsheim bereiteten mir sehr schlaflose Nächte, vor allem wenn ich dann noch sehe, dass in den Tiefgaragen hier in der Umgebung auch ständig die Schmutzwasserpumpen laufen um die Garagen wieder trocken zu bekommen.

Das führte dann regelrecht dazu, dass ich morgens Angst hatte in mein Arbeitszimmer im Keller zu gehen und da dann auch eindringendes Grundwasser vorzufinden. Der Kellerboden hier dürfte etwa 180 cm unter Straßenniveau sein, die Frage ist aber, wie hoch steht das Grundwasser unter der Bodenplatte des Hauses?

Mittlerweile habe ich diverse Maßnahmen ergriffen, damit ein geringfügiger Wassereinbruch hier nicht gleich meine Geräte beschädigt. Der Workstation-PC hat extra „Füße“ bekommen die ich im 3D-Drucker gedruckt habe um ihn unter dem Schreibtisch so hoch wie möglich bekommen, es sind zwar nur 3 cm die hier möglich waren, aber die können im Zweifelsfall helfen. Ebenso habe ich alle Mehfachsteckdosen die am Boden standen entweder angehoben (auch wieder mit 3D-Druck-Unterstützung) oder enfernt. Das Netzteil meine Stage-Pianos hat einen einfachen Halter bekommen mit dem es am Klavier befestigt wird und so auch nicht mehr am Boden liegen muss.

All diese Maßnahmen lassen mich etwas beruhgiter schlafen, aber wenn es so wie gestern wieder die ganze Nacht regnet kommt die Sorge wieder, ob wir dann wieder Wasser im Verein oder sogar daheim im Keller haben.

Der Klimawandel hat also direkten Einfluss auf unser Leben und unser Wohlbefinden und da ist es dann für mich auch wenig hilfreich, wenn die Politiker im Schaulaufen vor der Europawahl alle in Gummistiefeln die Region besucht haben um auf Stimmenfang zu gehen. Und wenn ich dann noch vom bayerischen Ministerpräsidenten Söder hören muss, dass „das niemand vorausahnen konnte“, dann bekomme ich Schleudertrauma vom Kopfschütteln.

Spätestens seit der Flutkatastrophe im Ahrtal sollte jedem klar sein, dass wir immer öfter diese „Jahrhunderthochwaser“ haben, die eben nun nicht mehr nur alle hundert Jahre stattfinden sondern in kurzen Abständen. Der Grund geht los bei der Erwärmung der Weltmeere was zu höherer Verdunstung und damit mehr Wolken führt. Wenn diese Wolken dann zu uns ziehen, dann regnet es eben mal deutlich mehr als sonst. Wenn ich mir die Statistiken anschaue, dann heißt das konkret, dass es in Augsburg im Mai 199,6 Liter pro Quadratmeter geregnet hat, das sind 235% des langjährgen Mittelwertes für den Monat Mai und somit der höchste Wert in den letzten 35 Jahren. Gleichzeitig hören wir in den Nachrichten, dass die Monate immer neue Temperaturrekorde aufstellen und wir das 1,5-Grad-Klimaziel welches wir bei der Klimakonferenz in Paris beschlossen haben weit überschreiten werden.

Und während die Region von den katastrophalen Folgen des Klimawandels betroffen ist läuft die populistische Politik der Union und FDP Sturm gegen das ab 2035 beschlossene Verbot der Neuzulassung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor in der EU. Oder kümmert sich um so lebenswichtige Themen wie ein Genderverbot. Andere Parteien haben einfach beschlossen, den Klimawandel zu ignorieren, auch wenn ihnen das Wasser buchstäblich bis zum Hals steht. Aber klar, Maßnahmen gegen den Klimawandel sind ja meist auch mit Unbequemlichkeiten verbunden, vor allem gefährden sie die Gewinne der Klimaschädlinge. Also macht man lieber Schmutzkampagnen gegen diejenigen welche für Klimaschutz eintreten, das sind plötzlich die bösen Klimaterroristen und man versucht die Überbringer der schlechten Nachrichten zu diskreditieren.

Wie gut das funktioniert sehen wir am Wahlergebnis der Europawahl vom vergangenen Sonntag. Das ist eigentlich nur noch katastrophal, denn mit der Stärkung der rechtsextremen Parteien haben wir uns noch weiter von Demokratie und Klimaschutz entfernt als jemals zuvor.

Ein Gedanke zu „Willkommen Klimawandel

  1. Ich werde es im Leben nicht verstehen, wie man so kurzsichtig agieren kann oder andere agieren lässt.

    Um es mal an der Wahl fest zu machen, selbst bei der Juniorwahl haben „konservative“ und rechte Parteien großen Zulauf gehabt.

    Und das sich ansonsten gerade bei den jungen Menschen eine Abkehr von den Grünen und der SPD erkennbar ist, gleichzeitig andere Parteien mit vermeintlich klarerer Aussagen (wie Volt zB) gewählt werden, dass aber medial nicht stattfindet, ist auch nicht ermutigend.

    Da liegt meines Erachtens auch seit Jahren eines unserer größten Probleme, der Blick wird medial verengt auf „einfache Themen“, weil es Aufmerksamkeit zieht.

    Bei den Folgen durch den Klimawandel hingegen wird „weggesehen“, weil es nicht zum „gute Laune Journalismus“ passt.

    Mich lässt das absolut ratlos zurück.

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