Zeit ist Geld

Dieser Satz gilt natürlich dann, wenn ich z.B. als Freelancer für jemanden arbeiten würde und wir haben eine arbeitszeitbasierte Abrechnung vereinbart. Dann zahlt der Kunde jede Minute. Anders sieht die Sache aus, wenn man Bürgergeldempfänger ist. Dann soll man nach den Plänen unserer Regierung einen täglichen Arbeitsweg von 3 Stunden akzeptieen müssen um nicht als „Totalverweigerer“ sanktioniert zu werden. So berichtet es heute die Tagesschau unter Bezug auf die Quelle „Bild am Sonntag“. Und wenn ich den Artikel lese, dann habe ich eine Menge Fragen.

Die erste Frage ist natürlich auf einer Meta-Ebene, warum solche Verlautbarungen zuallererst an die Springer-Presse durchgestochen werden?

Aber wenden wir uns lieber mal dem Inhalt zu, der sehr deutlich zeigt, dass er wohl aus der Feder des Juniorpartners FDP kommt.

„Bürgergeld-Bezieher sollen künftig Jobs mit einem täglichen Arbeitsweg von bis zu drei Stunden annehmen müssen.“

Das ist erst mal relativ viel, wenn ich eine Arbeitszeit von 8 Stunden rechne, dann sind 3 Stunden schon recht viel. Allerdings muss man auch mal sehen, dass das für viele Menschen bereits heute die Normalität ist. Nehmen wir nur mal an, ich würde statt im HomeOffice zu sitzen in München Neuperlach-Süd arbeiten (da war ich zeitweise während ich damals bei Siemens war), dann hieße das, dass ich im Idealfall, also wenn alle Verbindungen klappen zwischen meiner Straßenbahnhaltestelle hier und der U-Bahn-Station Neuperlach-Süd insgesamt knapp 90 Minuten unterwegs wäre. Addieren wir die 5 Mintuen von hier bis zur Straßenbahn und ich wäre bereits über 3 Stunden Pendelzeit am Tag. Wenn alle Verbindungen reibungslos funktionieren, ein Idealzustand von dem unser öffentlicher Verkehr noch meilenweit entfernt ist. Und in einem prekären Arbeitsverhältnis wäre ich dann wohl auch auf das Deutschlandticket angewiesen, schenlle Verbindugen mit dem ICE fallen dann schon mal flach.

„Die Ampelkoalition will zudem Überstunden und Arbeiten über das Renteneintrittsalter hinaus attraktiver machen. Dafür sollten auf bezahlte Überstunden keine Steuern und Abgaben mehr bezahlt werden, hieß es. „

Ach? Die Ampel will also bei Firmen mit Tarifindung Überstünden oberhalb von 34 Wochenarbeitsstunden steuerfrei stellen. Das wird nach meiner Erfahrung zu zweierlei führen:

  • Firmen führen die 34 Stunden Woche ein.
  • Mitarbeiter werden genötigt, trotzdem ihre 40 Stunden zu arbeiten, denn natürlich muss man ja Interesse und Engagement für die Firma zeigen. Belohnt wird das dann durch die Steuerfreiheit bei den „Überstunden“.

„Die Ampel will dem Bericht zufolge auch die Erhöhung der regulären Arbeitszeit fördern: Stockt ein Teilzeitbeschäftigter seine Arbeitszeit auf und bekommt dafür vom Arbeitgeber eine Prämie ausgezahlt, wird diese steuerlich begünstigt. Die Höhe des Steuernachlasses muss noch geklärt werden. „

Ach. Also normalerweise ist es doch so, das bei der Erhöhung der Wochenearbeitszeit einfach mer Geld verdient wird, wenn man einen konstanten Stundensatz bezahlt. Ich habe jedenfalls noch von keinem Fall gehört, in dem der Arbeitgeber eine Prämie bezahlt (das wäre ja ein einmaliger Vorgang) wenn jemand von Teilzeit auf Vollzeit wechselt. Dafür habe ich schon von vielen Fällen gehört, in denen Menschen „Teilzeit“ arbeiten und trotzdem 40 Stunden in der Woche malochen. Aber das ist eine Realität die den Realitätsverweigerern im Finanzministerium wohl unbekannt ist.

„Firmen mit Tarifbindung sollen außerdem Ausnahmeregeln von der Tageshöchstarbeitszeit erhalten.“

Ach guck an, wer Bürgergeld-Empfänger ist dem wollen wir das Geld streichen obwohl es Urteile des Bundesverfassungsgerichts zum sogenannten Existenzminimu gibt, das nicht angetastet werden darf. Und jetzt machen wir auch „Ausnahmen“ von der Tageshöchstarbeitszeit, nur damit wir Menschen noch besser „zur Mitarbeite motivieren“ können.

„Weiterhin solle es auch die Möglichkeit der Vertrauensarbeitszeit geben, mit der Mitarbeiter und Firmen auf eine technische Arbeitszeiterfassung verzichten. „

Ach wie schön, was zählt da schon das Urteil des Bundesrbeitsgerichts vom 13. September 2022 das eine genau Erfassung der täglichen Arbeitszeit fordert.

„Arbeiten über Renteneintrittsalter hinaus soll attraktiver werden“

In anderen Worten, wenn Du im Alter nicht von der Altersarmut betroffen sein willst, dann darfst Du gerne weiter malochen. Und wenn ich dann noch Wörter wie „Rentenaufschubprämie“ lesen muss, dann frage ich mich auf welchem neoliberalen Mist das gewachsen ist. Eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters wäre sehr unpopulär wenn wir das Kind beim Namen nennen, also erfinden wir solche Euphemismen um den gleichen Zweck zu erreichen.

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