Dschungelcamp 2.0

Heute bin ich von einem Workshop zurück gekommen der in Nürnberg statt fand. Und obwohl wir keine Zuschauer hatten die irgendwelche Kandidaten raus wählen mussten sich doch alle durch einen besonderen Dschungel kämpfen. Nämlich den des ÖPNV.

Die Teilnehmer des Workshops waren ein Kollege aus Prag (Tschechien), ein Kollege aus Turin (Italien), einer aus Granada (Spanien) und eine Kollegin und ein Kollege aus Peking (China). Und natürlich meine Wenigkeit. Untergebracht waren wir alle in einem Hotel in der Altstadt, das Office in dem der Workshop stattfand war jedoch ganz woanders. Also mussten alle Teilnehmer jeden Tag vom Hotel zum Office und zurück. Und natürlich von Anreisepunkt (Busbahnhof, Bahnhof, Flughafen) zum Hotel.

Als erschwerende Randbedingung kam hinzu, dass die Kollegen die Ausgaben möglichst gering halten wollten, denn auch wenn die Firma für die Reise bezahlt ist man ungern verschwenderisch. Aufgrund der unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen Länder bedeutete das für Spanien und Italien, dass man möglichst Quittungen sammelt, China hatte es da ähnlich, nur war das Budget auf einen bestimmten Betrag gedeckelt der nicht überschritten werden sollte.

Für mich war das Theme Anreise und der tägliche Weg zwischen Hotel und Office ein No-Brainer, ich habe mir für diesen Monat einfach ein Deutschlandticket besorgt und das einzige was ich hier kritisieren kann ist der Prozess, der einiges an Verarbeitungszeit benötigt, denn obwohl ich in der Fahrkartenapp unserer Verkehrsbetriebe registriert bin und da regelmäßig Handy-Tickets kaufe musste ich mich für das Deutschlandticket trotzdem in einem eigenen Portal registrieren und bekam erst mal einen Verifikationscode mit der gelben Post nach Hause gesichkt. Also nix am Tag vor Fahrtantritt bewältigen kann. Und als einziger Vertreter des Gastgeberlandes durfte ich natürlich den „Tarifberater“ für mein ausländischen Kollegen machen, denn auch wenn es alles Software-Test-Ingeneiure sind haben sie doch keine Ahnung vom ÖPNV in Deutschland. Und auch für mich war der ÖPNV in Nürnberg Neuland.

Die Webseite der Nürnberger Verkehrsbetriebe bietet hier eine große Auswahl an, und so gab es bei den Vorabbesprechungen bereits lange Diskussioen, welche Ticketvariante denn die Günstigste wäre. Denn vielleicht könnte man duch „schlauen Ticketkauf“ ein paar Cent sparen. Nur gut, dass wir bei dieser Planungsbesprechung sowieso teilnahmen und daher die halbe Stunde Diskussion über die Ticketmöglichkeiten keine Arbeitszeitkosten verursacht hat… (Sarkasmus aus):

Am Ende hätte ich ein Wochenticket vorgeschlagen, nach dem Motto, das ist das vom Handling her einifachste Ticket. Aber die ökönomischen Sparvorgaben führten dann dazu, dass sich China, Itlaien und Spanien für die 10er Streifenkarte entschieden haben. Und da die Delegation aus dem Reich der Mitte bereits am Sonntag anreiste und am Montag ins Office zum Arbeiten ging nutzen sie die 10er Streifenkarte bereits.

Allerdings falsch wie ich dann sah, als wir am Montag vom Office zum Hotel fuhren, denn statt der Minium.-Anzahl von 2 Streifen hatten sie am Montagmorgen nur einen Streifen abgetempelt. Ok, kann ja mal passieren, ab jetzt bitte zwei Streifen.

Am Montagabend trafen dann so nach und nach die anderen Kollegen beim Hotel ein. Erstes Abendessen in einer Fränkischen Kneipe, ich hoffe, dass das stänidge Servieren von Bratwrust nicht gegen irgendwelche Anti-Folter-Konventionen verstößt, dann ab ins Hotel um am Dienstag nach dem gemeinsamen Frühstück zum Office zu fahren.

Der Kollege aus Tschechien hatte sich beim Thema Tickets entschieden, auf die Handy-App zu setzen, sein spanischer Kollege wollte hingegen eine Streifenkarte am Automaten ziehen, ebenso der Kollege aus Italien, der gerne die Handy-App genutzt hätte, aber sein Android-Phone war dafür zu alt und zu unterdiminsioniert.

Also am Dienstagmorgen zur Straßenbahnhaltestelle gelaufen und erst mal den Kollegen beim Ticketkauf einer 10er-Streifenkarte assistiert. Und da sehe ich dann folgenden Text am Bildschirm.:

Ein sehr schlechtes Foto vom Text auf dem Fahrkartenautomatn

Da steht doch tatsächlich „Achtung: 10er Strefenkarte gilt nicht für ausschließliche Fahrten in Preisstufe A (Nürnberg, Fürth, Stein)“.

Das ist dann der Moment, an dem mein Grammatik-Parser in die Exception geht: „gilt nicht, ausschließlich“ sind doppelte Verneinungen für mich und was heißt das nun. Ich darf einmal in Stufe A fahren und nicht 5x? Oder was? Egal, wir wollen ja nur ins Büro und die Kollegen aus China haben ja schon so ein Ticket, also Augen zu und durch.

Und schon stolpern wir über das nächstes Problem. Auch nachdem ich es allen nochmal erklärt habe, dass sie 2 Strefien abstempeln müssen schafft es mein Kollege aus Spanien die Streifenkarte falsch rum in den Stempelautomaten einzuführen und so landet bei ihm der Stempel auf der 3 statt auf der 2. Hurra, ein Streifen verschenkt.

Der nächste Fehler passiert dann Donnerstag morgens. Wir hüpfen in die Straßenbahn, doch der Kollege aus Spanien muss noch ein Ticket kaufen weil er ja einen Streifen zu viel beim ersten mal abgestempelt hat und steht noch am Automat als die Tram mit uns abfährt. Kein Problem, wir müssen ja eh in die U-Bahn umsteigen und warten dort. Doch hier meint mein Kollege aus Italien, dass er jetzt gerne die Tickets für die Rückfahrt zum Hotel am Nachmittag und für die Fahrt zum Flughafen am Freitag kaufen will. Also keine Streifenkarte, es sind ja nur 2 Fahrten, nehmen wir halt Einzeltickets.

Also flugs zwei Tickets am Automaten geklickt und was rauskommt sind zwei Briefmarkengroße Tickets bei denen wir uns fragen, wo man die abstempeln soll. Später im Office komtt dann raus: Gar nicht, denn die Tickets sind unmittelbar nach kauf gültig, können also gar nicht auf Vorrat gekauft werden. Das ist hier in Augsburg definitiv anders, hier kann ich Einzelfahrkarten am Automaten kaufen die dann aber bei Fahrtantritt „entwertet“ werden müssen. Doch der Kollege aus Italien hat jetzt zwei nutzlose Einzeltickets für knapp 7 Euro und wahrscheinlich demnächst viel Spaß bei seiner Reisekostenabrechnung.

Mein ganz persönliches Fazit nach dieser Woche im Tarifdschungel des ÖPNV lautet, dass ich mich weiterhin für das Fernziel des kostenlosen ÖPNV einsetze, denn wenn ich überlege, was dieser ganze Ticket-Brainfuck an Zeit und Nerven gekostet hat, dann ist das für mich schon ein Argument, zumal wir ja in Deutschland in jeder Stadt ein anderes Tarifsystem haben und Besucher dieser Stadt dann das wieder neu lerenn müssen. Wie schön war das doch vor 3 Jahren als ich auf der openSUSE-Konferenz ebenfalls ein paar Tage in Nürnberg war und sich die ausländischen Besucher einfach ein 9-Euro-Ticket am Automaten ziehen konnten und dann von der Last des „Tarifsystem-Lernens“ befreit waren.

Natürlich könnte man argumentieren, dass alles worüber wir „gestolpert“ sind irgendwo auf der Webseite erklärt ist, trotzdem zeigt dieser Praxistest dass es genügend Fallstricke gibt, vor allem wenn man sein besonderes Augenmerk auf Preis und Sparpotentiale richtet. Vielleicht sind wir als Test-Engineers aber auch deutliche „überqualifiziert“ um sich im Tarifdschungel zurecht zu finden.

Und wenn wir keinen kostenlosen ÖPNV anbieten wollen (ja, das ist eine politische Willensentscheidung und kein Sachzwang), dann sollten wir doch all diese Einschränkungen und Nebenbedingungen abschaffen. Und auch mal überlegen, warum eine Fahrt von A nach B teuerer sein muss wenn man ein Einzelticket statt Streifen auf einer Streifenkarte nutzt?

Den ausländischen Kollegen wird Nürnberg nicht nur wegen der vielen Bratwürste und der Burg in Erinnerung bleiben sondern wohl auch wegen des total unverständlichen Personennahverkehrs.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert