Heute morgen habe ich beim Spaziergang mit dem Hund die aktuelle Folge des „They talk Tech“ Podcast1 von Eva Wolfangel und Svea Eckert gehört. Der erste Teil handelte von Sora, dem neuesten KI-Spielzeug von openAI mit dem man sehr schnell Deep-Fake-Videos von sich erstellen kann, kleine Sequenzen. Eva hat das ausprobiert und sogar ihre Freunde fielen auf den Deep Fake herein. Mir bereitet diese Entwicklung massive Bauchschmerzen und zwar aus diversen Gründen.
„When a program has nothing surprising, interesting or useful to say, it should say nothing.“
(Unix philosophy – The rule of silence2)
Damit haben die Unix-Architekten zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen. Zum einen kann die Ausgabe eines Programmes dadurch gleich als Eingabe eine anderen Programmes dienen, jeder Software-Entwickler kennt dieses „Pipe“-Konstrukt. Zum anderen wird aber die Konzentration des Nutzers nicht durch unnötige Meldungen unterbrochen.
Das war leider vor langer Zeit, noch bevor das World Wide Web erfunden wurde. Heute will jeder dort unsere ungeteilte Aufmerksamkeit haben und wir sind einer ständigen Flut an Dingen ausgesetzt.
„Flood the zone with shit“
(Steve Bannon, 2018)
Bannon hatte das Ziel, die etablierten Medien damit zu bekämpfen3. Wir erinnern uns, dass während Trumps erster Amtszeit damit auch der Begirff der „alternative facts“ von seiner damaligen Pressesprecherin Kellyann Conway geprägt wurde. Ziel war es die Informationskanäle einfach mit Müll zu fluten, so dass am Ende niemand mehr sagen kann, was tatsächlich passiert ist und was einfach „fake news“ sind.
Nun, 7 Jahre später haben wir die Technologie mit der jeder Demagoge sehr einfach Inhalte erzeugen kann, die täuschend echt aussehen, die aber Dinge erzählen welche niemals passiert sind. Und Eval Wolfangel berichtet, dass nun auch die KI-Systeme dafür genutzt werden, Geschichte neu zu schreiben, also „alternative“ Erzählungen zu historischen Ereignissen. Und dieser „Slob“ genannte KI-Müll verdrängt damit dann die echte historische Information wie sie von Historikern aufbereitet wird4.
Wer aber die Kontrolle über unsere Geschichtsschreibung hat, der definiert damit auch unserer Gegenwart. Nehmen wir mal für einen Augenblick an, dass irgendwas in der Geschichte eines Landes diesem peinlich ist, dann könnte man ja genügend KI-generierten Content erzeugen, der dieses Thema „weich spült“. Das ist umso gefährlicher wenn diese Vorgänge mittlerweile so lange zurück liegen, dass es keine lebenden Zeitzeugen mehr gibt. Man könnte also beispielsweise die Geschichte des Massakers von My Lai5 neu erzählen, in einer Version in der die amerikanischen GIs besser weg kommen.
Wenn wir nochmals auf die „rule of silence“ zurückkommen, ich erinnere mich noch gut daran als die ersten Cassettenrecorder auf den Markt kamen und man damit irgendwas auf Casssette aufnehmen konnte. Und ja, wie man das als pickeliger pubertierender Teenager so macht wurden dann eben Rülps- und Furzgeräusche auf Band gebannt. Zum Glück gab es damals noch keine Soundcloud und so wurde die Welt von diesen akustischen Perlen verschont.
Heute jedoch haben wir alle ein Smartphone und so gibt es eben auch unzählige Inhalte im Web, die uns Dinge nahebringen die zumindest mich nicht mal peripher tangieren, mir also komplett am Allerwertesten vorbei gehen. Doch die Plattformen wie beispielsweise Instagram mit ihren Algorithmen erwarten von Nutzern sogar, dass diese alle paar Tage „Content“ veröffentlichen, denn sonst werden ihre Beiträge nicht mehr „gepushed“ und nur noch sehr wenige Leute sehen was sie geschrieben haben. Blog-Kollegin Nerdherz hat das im September im Selbstversuch6 ausprobiert.
Erst diese Woche habe ich eine Statistik gesehen, die sagt dass der Anteil von KI-erzeugtem Content in den Google Suchergebnissen kontinuierlich steigt. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass wir immer länger nach von Menschen erstellen Informationen suchen müssen.
KI und der von ihr generierte Slob macht also genau das, was Steve Bannon 2018 sich gewünscht hat. Als Gegenpol könnte man gut recherchierten Journalismus nutzen, aber der wird zunehmend selten, denn auf dem Marktplatz der Nachrichten bekommt die meisten Klicks derjenige, der eine News zuerst bringt. Wenn er denn überhaupt noch Klicks bekommt und die Leute sich nicht mit der KI-generierten Zusammenfassung seines Artikels schon zufrieden geben.
Die Zukunftsaussichten sind hier eher düster. Das Zeitungssterben wird munter weiter gehen, denn guter Journalismus wird immer mehr an den Rand gedrängt werden. Und dank der Flut von „Fake News“ wird am Ende keiner mehr gut über die wichtigen Nachrichten informiert sein.
Ich selbst bin ja heil froh dass ich dem „rabbit hole“ YouTube enkommen bin und da nur noch ganz kurz die Dinge anschaue, die mir als unbedingt sehenswert von echten Menschen empfohlen wurden. Und auch andere Plattformen welche die Inhalte die ich sehen kann mit Algorithmen „kuratieren“ meide ich mittlerweile wie die Pest.
Dafür lese ich wieder mehr Bücher und auch Blogs von echten Menschen, die einfach ihre großen und kleinen Gedanken und Geistesblitze mit uns teilen und insgeheim wünsche ich mir die Zeit zurück, also man noch ein paar Skills haben musste um im Web was zu veröffentlichen und man nicht an jeder Ecke ein Web-Megaphon nutzen konnte um das Web mit seinem Äquvalent zu den Rülps- und Furz-Geräuschen zu fluten.
- Sora, Chatkontrolle & der Blick in die Zukunft (They Talk Tech Podcast) ↩︎
- The rule of silence ↩︎
- Steve Bannon’s ‘Flood the Zone’ Strategy Explained Amid Trump Policy Blitz (Newsweek) ↩︎
- AI Generated ‚Boring History‘ Videos Are Flooding YouTube and Drowning Out Real History (404 Media) ↩︎
- Massaker von My Lai (Wikipedia) ↩︎
- Pixelfed vs. Instagram – Follower generieren. Ein Selbstversuch (Nerdherz) ↩︎