Der Orakel-Kanzler

Letzte Woche hat Friedrich Merz die zutiefst rassistische und spaltende Aussage getätigt, dass Migranten ein Problem im Stadtbild1 wären. Als er dann in der Bundestagsdebatte letzte Woche von Katharina Dröge (Grüne) aufgefordert wurde sich für diese Aussage zu entschuldigen war seine Körpersprache die eines verbockten Erstklässlers der von seiner Lehrerin eine Standpauke bekommt. Heute wurde er in einer Pressekonferenz gefragt, ob er sich denn nun dafür entschuldigen wolle oder die Aussage zurückziehen werde legte er nach.

Die Antwort von Friedrich Merz war: „Ich weiß nicht, ob Sie Kinder haben. Und wenn unter diesen Kindern Töchter sind, dann fragen Sie mal, was ich damit gemeint haben könnte. Ich vermute, Sie kriegen eine ziemlich klare & deutliche Antwort. Ich habe gar nichts zurückzunehmen. Im Gegenteil, Ich unterstreiche es noch einmal.“

Damit steht zweifelsfrei fest, dass seine Stadtbild-Ansage kein „Ausrutscher“ war sonder absichtlich so formuliert wurde. Als nächstes entnehmen wir seiner heutigen Antwort, dass er nun die Töchter vorschicken will um zu erklären, was er denn gemeint haben könnte. Friedrich Merz erklärt sich also nicht, sondern orakelt rum.

Ich habe meine Tochter befragt und eine Antwort erhalten, die wahrscheinlich Herrn Merz nicht gefallen würde (ja, ich kann auch Konjunktiv), wohl wissend, dass die Frage an meine Tochter nicht die Kriterien einer repräsentative Meinungsumfrage erfüllt.

Daher gehe ich nun davon aus, dass Herr Merz wieder die Hetzkampagne mit den täglich stattfindenden Massenvergewaltigungen durch Migranten hervorkramen will, die er ja auch im Wahlkampf schon fleißig genutzt hat um seine rassistischen Vorstellungen zu vermitteln.

Gehen wir also mal ganz abstrakt davon aus, dass Herr Merz mit seiner Stadtbild-Aussage vermitteln will, dass Frauen in Gefahr sind wenn nicht die Leute die seiner rassistischen Ansicht nach nicht ins Stadtbild passen nicht abgeschoben werden. Da bin ich ja froh, dass ich schon lange nicht mehr meine Schwester in Südafrika besucht habe, denn nach meinem ersten Urlaub mit 6 Wochen Dauer im Jahr 1989 kam ich mit einer Hautfarbe zurück, die auf seiner Werteskala tief im „Abschiebebereich“ gelegen hätte.

Aber gut, ich schweife ab. Nehmen wir mal das Narrativ der bedrohten Frau. Statistiken zeigen wohl sehr deutlich, dass die größte Bedrohung für Frauen leider von Tätern aus dem Familien- und Bekanntenkreis ausgeht, erst im August wurde vom BKA mitgeteilt, dass häusliche Gewalt einen neuen Höchststand2 erreicht.

Aber vielleicht ist das gar nicht die Gewalt die Herrn Merz stört, denn sie findet ja innerhalb der Häuser statt und hat so vielleicht kaum Auswirkungen aufs Stadtbild. Vielleicht will Merz ja mit seiner Orakelei an das Sicherheitsgefühl appellieren, das seiner Meinung nach Schaden nimmt, sollten im Stadtbild Menschen zu sehen sein, die nicht seinem Bild eines ungefährlichen Mitmenschen entspricht.

Nun Herr Merz, da mache ich jetzt mal eine andere Rechnung auf. Wenn Alexander Dobrindt es irgendwann geschafft haben sollte, alle Menschen mit unerwünschter Hautfarbe, Nationalität, Ethnie oder Kultur abzuschieben, dann haben wir ein Stadtbild bei dem

  • ich davon ausgehen muss, dass jeder vierte Mensch den ich da sehe ein Wähler der Nazi-Partei ist und keinerlei Probleme damit hätte, wenn mein autistischer Sohn mittels Endlösung von seinen Leiden erlöst werden würde und meine kranke ausländische Ehefrau wieder in ihr Heimatland abgeschoben würde damit sie hier nicht die Sozialkassen belastet.
  • Ein weiteres Viertel dieser Menschen die Partei des mittlerweile offenen Rassisten bereit ist zu wählen und einer Umverteilung von unten nach oben zuzustimmen.
  • Jeder siebte dieser Menschen eine Partei wählt die sich zwar „sozialdemokratisch“ nennt, die aber auch ohne mit der Wimper zu zucken lieber die Unterschicht drangsaliert als die Oberschicht ordentlich zu besteuern.

Können sie sich mein „Sicherheitsgefühl“ angesichts dieser Aussichten vorstellen Herr Merz? Da bin ich ich doch froh, wenn ich vereinzelt Menschen mit andere Hautfarbe, Herkunft und Kultur sehe, denn vor denen muss ich erst mal keine Angst haben.

Ja, ich weiß Herr Merz, sie werden demnächst 70 Jahre alt und sollten sie auch nur eine entfernt ähnliche Kindheit gehabt haben wie ich (64 Jahre alt), dann erinnern sie sich sicher noch an das Kinderspiel „Wer fürchtet sich vorm Schwarzen Mann“. Die Antwort im Spiel war „Niemand“ und auf die Frage „Wenn er aber kommt“ wurde geantwortet „Dann laufen wir davon“, eben weil die Menschen in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts noch mit der Aufarbeitung des letzten Weltkrieges beschäftigt waren. Eine zeitgemäße Antwort auf diese Frage wäre 2025 wohl eher „dann integrieren wir ihn“ und nicht „dann schieben wir ihn ab“, auch wenn sie und Herr Dobrindt das in ihrem verqueren Weltbild gerne hätten.

Und natürlich ist nicht das Stadtbild unser dringendstes Problem, sondern beispielsweise der Klimawandel dessen Bekämpfung ja von ihrer Regierung regelrecht sabotiert wird. Unsere Töchter und Söhne werden ihre Versäumnisse ausbaden müssen.

An dieser Stelle sehe ich eigentlich nur noch eine Lösung: Treten sie zurück und lassen sie den Job jemanden machen der etwas davon versteht.

  1. Merz` Problem mit dem Stadtbild (Tagesschau) ↩︎
  2. Häusliche Gewalt erreicht neuen Höchststand (Tagesschau) ↩︎

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Über Rainer

Diplom-Informatiker, Baujahr 1961, Vater von 2 Kindern, Hundehalter, Sportschütze und Vereinsvorstand, Hobbymusiker (mit zweifelhaftem Erfolg), politisch interessiert, Leseratte, Freizeit-Philosoph und letztlich Blogger.

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