Wer fürchtet sich vorm Staatsbankrott?

Das Top-Thema dieser Tage ist die Finanzkrise in Griechenland. Der Pleitegeier kreist weiterhin über der Akropolis und wenn wir nicht weiteres Geld nach Athen schicken, dann prognostizieren uns die sogenannten „Experten“ schon ein Ende des Euro, zumindest aber ein Finanzerdbeben wie es die Welt noch nicht gesehen hat.

Das will keiner riskieren, Griechenland ist also für den Fortbestand des Euro ebenso „systemrelevant“ wie  es damals die HRE-Bank für Deutschland war. „Too big to fail“ wie es so schön heißt. Also pumpt man weiteres Geld nach Griechenland und um das dem Bürger zu erklären tut man so als würde man die Gläubiger Griechenlands auch an den Kosten der Staatsrettung beteiligen.

Die Gläubiger sind natürlich keine Privatleute sondern Banken und vielleicht noch Konzerne die was an Griechenland verkauft haben. Wir erinnern uns, als unsere Bundeskanzlerin das erste Rettungspaket auf den Weg schickte war sie in Griechenland und kam mit Bestellungen für U-Boote und Kampfflugzeuge zurück, also genau das Spielzeug das ein Land braucht um eine Finanzkrise zu meistern. Oder eben das gemeine Volk das  gegen die von oben verordneten Sparbeschlüsse aufbegehrt und auf den Straßen demonstriert.

Wie dem auch sei, nachdem es Griechenland so lausig geht wurde es von den Aasgeiern des Kapitalismus, den Ratingagenturen, nochmals in seine Kreditwürdigkeit herabgestuft. Was letztlich nur bedeutet, dass die Konditionen zu denen Griechenland Geld an den Finanzmärkten bekommt immer schlechter und die Zinsen immer höher werden.

Was besseres kann den Gläubigern doch gar nicht passieren. Ein Schuldner der um jeden Preis gerettet werden muss bei gleichzeitiger Explosion der Zinslast, die ja mit dem Risiko des Kreditausfalls (was aber wegen des Rettungszwanges gleich Null ist) begründet wird. Also sozusagen eine Gelddruckmaschine.

Bezahlen wird am Ende der Steuerzahler bei den Ländern die Hilfspakete schnüren und die Leute in Griechenland, die zu Tode gespart werden. Und die Gläubigerbanken freuen sich, denn ihr Profit ist sozusagen garantiert.

Da wünsche ich mir doch glatt ein Ende mit Schrecken, also den Staatsbankrott von Griechenland statt eines Schreckens ohne Ende, also das weitere Umverteilen von Milliarden die unsere Regierungen hier ungeniert den Banken zuschanzen. Und wenn dabei der Rest von Euroland auch einen Systemreset hinlegen muss bin ich auch nicht traurig. Vielleicht wacht das Volk dann überall mal auf und bemerkt, wie es über den Tisch gezogen wird. Wobei ich hier in der Meldung, dass nur noch 9% der Bevölkerung den Politikern vertrauen einen Anfang sehe.

Bundeswehr im Inneren einsetzen?

Vor ein paar Tagen hat sich unser neuer Innenminister mal wieder ganz weit aus dem Fenster gelehnt und forderte die Möglichkeit, die Bundeswehr bei bestimmten Bedrohungslagen auch im Inneren einzusetzen.

Ich bin dafür, den Katalog zu erweitern, damit die Bundeswehr zur Abwehr terroristischer Angriffe im Inland eingesetzt werden kann.

Da frage ich mich als normaldenkender Mensch schon, ob Herr Friedrich eigentlich merkt was für einen Unsinn er da verzapft. Nicht dass wir in Deutschland viel Erfahrungen mit Terroranschlägen hätten, aber wenn wir mal so gucken, was international passiert, dann ist eines der „Markenzeichen“ des Terrorismus das Anschläge ohne Vorwarnung passieren und dabei meist irgendwelche belebten öffentlichen Orte mit Bomben oder Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt werden. Oder, wie es einmalig in den USA passiert ist Flugzeuge in Bauwerke gesteuert werden. Über die Möglichkeit die letztgenannte Anschlagsform durch Einsatz von Kampfflugzeugen und den möglichen Abschuss des „angreifenden Flugzeuges“ zu verhindern hat schon vor einigen Jahren das Bundesverfassunggericht ein Urteil gefällt das an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt.

Anschläge ohne Vorwarnzeit wird auch die Bundeswehr nicht verhindern können. Es ist ja nicht so, dass ein Panzerbattalion der Taliban an der deutschen Grenze aufmarschiert und zurückgeschlagen werden muss, sondern das von unseren Innenminister immer schwarzgemalte Bedrohungszenario sagt ja aus, dass man jedererzeit und überall mit einem Anschlag rechnen muss. Wie soll jetzt da die Bundeswehr zur „Gefahrenabwehr“ beitragen?

Da drängt sich förmlich der Verdacht auf, dass die Definition von „Terroranschlag“ eben mal unbürokratisch ausgeweitet werden soll wenn Not am Mann ist und z.B. irgendwann auch eine perspektivlose deutsche Jugend gegen das System aufbegehrt so wie es momentan in Spanien der Fall ist. Und dann hätten wir den sehr ungünstigen Fall, dass deutsche Bürger in Uniform gegen deutsche Bürger in Zivil kämpfen müssen. Etwas, was kein vernünftiger Mensch jemals wollen wird, hoffe ich zumindest.

Falsch zitiert?

Mit Politikern und Zitaten ist es echt ein Kreuz. Erst die Affäre um Karl Theodor zu Guttenberg der nicht in der Lage war in seiner Dissertation richtig zu zitieren und jetzt ist wird unser Wirtschaftsminister Brüderle nicht richtig zitiert:

Für die Union ist diese Äußerung die Brüderle da bei einem Treffen mit der Energiewirtschaft getan hat natürlich sozusagen der Super-GAU, nur drei Tage vor der kritischen Landtagswahl in Baden-Würtemberg so ein Statement, das wird einiges an Stimmen kosten.

Wir können gespannt sein auf die Wahl am Sonntag. Ich hoffe ja, dass wir eine hohe Wahlbeteiligung haben werden, denn es ist schon erstaundlich wenn man in Nordafrika Revolution und Kriege anzettelt um demokratisch wählen zu können und hier kriegen die Leute ihren Hintern nicht vom Sofa hoch um zum Wählen zu gehen. Wobei ich allerdings feststellen muss, dass nicht nur beim Wähler eine gewisse Politikverdrossenheit herrscht, guckt man das obige Video an, dann sieht man anahand der vielen leeren Stühle im Parlament auch, dass diese wohl auch bei den MdBs so ist. Wo sind wohl unsere „Volksvertreter“ wenn ihr Stuhl leer ist. In dubio pro reo könnte man mutmaßen dass sie angesichts der eingeblendeten Uhrzeit beim Essen sind, aber vielleicht sitzten sie auch mit ihren Lobbyisten zusammen und hecken den nächsten Coup aus.

Vom Aussetzen und Entsetzen

Alle Welt blickt derzeit nach Japan und dort vor allem auf den Reaktorkomplex Fukushima. Die Meldungen von dort sind leider sehr diffus, aber schon jetzt kann man sagen, dass wir wohl lernen müssen, dass die ach so sichere Atomkraft vielleicht doch nicht so sicher ist.

Für die Regierungskoalition die uns ja erst im letzten Jahr die Laufzeitverlängerung der deutschen Kernkraftwerke beschert hat ist das der GAU schlechthin, besonders im Angesicht der bevorstehenden Landtagswahlen an den nächsten beiden Wochenenden. Also hat die Kanzlerin mal schnell die Reißleine gezogen und spricht von einem Moratorium bei der Laufzeitverlängerung. Gestern in den Nachrichten wurde das dann so definiert, dass man sich in dieser Phase darüber klar werden will, welches Risiko man zu tragen bereit ist.

Für den Wert „ich“ von „man“ kann ich im Kontext der Atomkraft nur sagen: Absolut keines. Sicherlich ist alles im Leben mit Risiken verknüpft, fliege ich heute in den Urlaub, dann gehe ich bewußt das Risiko ein, dass mein Flieger abstürzt und ich mein Urlaubsziel auf die ewigen Jagdgründe umbuchen muß. Auch die Teilnahme am Straßenverkehr birgt ihre Risiken, trotzdem verkrieche ich mich nicht im Keller meines Hauses. Alle diese individuellen Risiken haben aber gemeinsam, dass ich für mich entscheide. Eine Entscheidung für die Atomkraft würde aber bedeuten, dass ich dieses Risiko nicht nur mir aufbürde sondern auch den zukünftigen Generationen die mit unseren atomaren Hinterlassenschaften leben müssen. Und mit einem „Ja“ zur Atomkraft würde ich zudem auch das Risiko eingehen, dass im Falle eines GAUs ganze Landstriche entvölkert und für viele Generationen unbewohnbar sein werden, ein Risiko das ich nach meinen ethischen und moralischen Prinzipien eigentlich mir gar nicht zu entscheiden anmaßen kann.

Ein anderer Gedanke zum Risiko ist auch ein DejaVu mit Blick auf die Finanzwirtschaft. Jahrelang hat man uns Bürgern erzählt die exorbitanten Gehälter und Gewinne im Finanzmarkt wären durch das Risiko „alles zu verlieren“ gerechtfertigt. Als dann das Risiko eintrat hat in der Finanzwirtschaft keiner verloren sondern der Steuerzahler durfte den Schaden tragen während sich die Finanzwirtschaft weiterhin mit Bonuszahlungen versorgte.

Nun gut, Merkel verkündet ihr Moratorium und was passiert. Man stellt fest, dass dieses Moratorium auf wackeligen Füßen steht:

Doch nun erklärt Röttgen nach der Sondersitzung des Umweltausschusses, das dreimonatige Moratorium sei politisch, nicht rechtlich gemeint. «Die Exekutive kann nicht Gesetze außer Kraft setzen», sagt er. Auch der Vize-Präsident des Deutschen Anwaltvereins, Ulrich Schellenberg, betont: «Ein solches Moratorium, also die vorübergehende Aussetzung der Wirkung eines Gesetzes, kennt unsere Verfassung nicht.» Gesetze beschließen oder aufheben könne nur das Parlament.

Ja, richtig, das Beschließen und Aufheben von Gesetzen kann nur das Parlament. Aus diesem Dilemma sehe ich zwei Auswege:

  1. Das Parlament beschließt ein Laufzeitverlängerungs-Aufhebungsgesetz und gut ist es. Kann ja nicht so schwierig sein, das zeitnah zu erledigen, beim Finanzmarktstabilisierungsgesetz war man ja auch sehr schnell beschlußreif.
  2. Die Aufsichtsbehörden entziehen den AKWs einfach die Betriebserlaubnis aus Sicherheitsgründen.

Der zweite Punkt passiert z.B. öfters mal nach Flugzeugabstürzen. Kommt man bei der Klärung der Absturzursache zu der Erkenntnis das systemimmanente Probleme bei diesem Flugzeugtyp ursächlich für den Absturz verantwortlich sind, dann werden schon mal flott alle baugleichen Flieger am Boden behalten bis das Problem beseitigt ist. Und auch im Bahnverkehr kann man Wartungsintervalle verkürzen wie z.B. nach dem ICE-Achsbruch im Bahnhof Köln.

Fukushima hat gezeigt, wo das systemimmanente Problem der Kernkraftwerke ist. Es hilft rein gar nix den Reaktorblock so stabil zu bauen dass er auch den direkten Einschlag eines Airbus A380 aushalten würde (was aber heute eh kein Reaktor tut), sondern die Schwachstelle ist die Kühlung des Reaktors. Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht, auch nicht beim Kühlsystem eines Reaktors. Natürlich ist das System redundant ausgelegt und für die vorstellbaren Störfälle gewappnet, aber was passiert mit den „unvorstellbaren“ Störfällen. Das Fukushima von einem Erdbeben und einem Tsunami getroffen wurde konnte sich vorher auch keiner vorstellen. Ok, in unseren Breiten sind Erdbeben relativ selten und nicht so stark und Tsunamis wären eher nur in Küstennähe eine Gefahr. Aber was tun wir gegen den vielzitierten „islamistischen Terroristen“ der jetzt ein AKW angreifen will? Der wird womöglich den Knackpunkt finden wie er das Kühlsystem lahmlegen kann.

Die logisch sinnvolle Konsequenz lautet: Atomausstieg so schnell wie möglich. Auch dann werden noch genügend strahlende Ruinen und Atommüll übrig bleiben um die Generationen nach uns auf uns sauer zu machen. Aber zumindest würde es diverse Risiken weiter minimieren. Und wer jetzt argumentiert, dass alternative Energien noch nicht so weit sind und alles teuer wäre der sollte dann eben fordern, dass die Energieversorgung als „systemrelevant“ erklärt wird. Dann könnte der Staat auch hierfür ein Sondervermögen wie den „SoFFin“ einrichten welches dann sicher sinnvoller zu verwenden wäre als eben das Geld das wir in die Bankenrettung gepumpt haben.

Natürlich werden die jetzigen Energiekonzerne so etwas gar nicht gerne lesen, aber hier bin ich mal so frei und sage, das gehört zu deren unternehmerischen Risiko wenn sie mit der Atomkraft spielen, dass diese Art der Energieerzeugung auch verworfen werden kann weil zu gefährlich. Und sollten sie mit Merkel im Hinterzimmer des Kanzleramtes irgenwelche Verträge gemauschelt haben die ihnen sozusagen Gewinne garantieren dann wäre das der Zeitpunkt diese Verträge als sittenwidrig und null und nichtig zu erklären.

Bis zur letzten Patrone

Heute war der „politische Aschermittwoch“ und der bayerische Ministerpräsident will bis zur letzten Patrone gegen „Einwanderer in unsere Sozialsysteme“ kämpfen.

Hier sieht man sehr schön die Prioritäten der CSU. Willkommen ist wer bereit ist seine Kultur aufzugeben und vor allem seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Wer das nicht kann wird nur als zusätzlicher Ballast für unsere Sozialsysteme angesehen, also anders ausgedrückt Beitragszahler sind willkommen, Leistungsbezieher hingegen nicht.

Das Herr Seehofer hier eine Metapher aus den Endtagen des dritten Reiches nutzen musste hat ihm dann auch eine Strafanzeige wegen Volksverhetzung eingebracht die der ehemalige Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss bei der Staatsanwaltschaft Passau gestellt hat.

Wenn Herr Seehofer so vehement gegen Leute ist, die hier „Parallelgesellschaften“ etablieren wollen, dann frage ich mal ganz ketzerisch wie sein Verhältnis zu Josef Ackermann  von der Deutschen Bank ist. Der postuliert ja auch andauern Renditen im Bereich von 25% wären möglich, was aber bei einer normalen Wertschöpfungskette einfach nur illusorisch ist. In meinen Augen ist Ackermanns Welt auch nur ein „Paralleluniversum“ das mit unserer Realität nicht viel am Hut hat. Außer das wir im Zweifelsfall für die Verluste in Ackermanns Universum haften dürfen.

Was Herr Seehofer auch übersieht ist, dass jeder Zuwanderer, egal ob er nun seinen Lebensunterhalt bestreiten kann oder nicht automatisch Teil unserer Sozialsysteme wird. Und dass das Bestreiten des Lebensunterhalts als Grundvoraussetzung hat, dass den Menschen, egal ob Einheimische oder Zuwanderer, ein Lohn gezahlt wird von dem sie leben können ohne aus den so gebeutelten Sozialsystemen aufstocken zu müssen. Aber das Thema „Mindestlohn“ fürchten die Schwarzen ja genauso wie der Teufel das Weihwasser.

Aber klar, dass ein Horst Seehofer in so einer Veranstaltung nicht logisch und ehrlich argumentiert sondern eben populistisch die Erwartungshaltung seiner Seilschaften erfüllt. Da jammert man dann auch mal über die Hetzjagd auf den armen Guttenberg und bezeichnet den politischen Gegner als Steinewerfer oder RAF-Sympathisanten.

Als politisch zwangsweise interessierter Mensch kann ich nur erwidern dass auch ich gerne bis zur letzten Patrone kämpfen werde um solch hohles Politikergewäsch jederzeit anzuprangern. Wobei meine letzte Patrone nicht die einer Schußwaffe ist sondern metaphorisch die meines Füllers mit dem ich gemäß des Spruches „Die Feder ist mächtiger als das Schwert“ aktiv Widerstand gegen die voranschreitende Volksverdummung durch unsere Regierungskoaltion leiste.

Links für 2011-02-19

Zur Abwechslung mal wieder ein paar Links auf interessante Artikel im Internet.

Der Lack ist ab

Eines der Themen dieser Tage ist unser Herr Verteidiungsminister und die Zitierfehler bei seiner Dissertation. 475 Seiten hat diese Doktorarbeit und laut aktueller Statistik auf dem Guttenplag-Wiki wurden bislang auf 255 Seiten (64,89 %) Plagiate gefunden.

Es ist beschämend für den Bildungsstandort Deutschland, dass dieser selbstinszenierte Geck für so ein Pamphlet auch noch die Auszeichnung „summa cum laude“ bekommt. Da drängt sich förmlich der Gedanke auf, ob denn diese Arbeit nicht sorgfältig geprüft wurde.

Guttenberg hat in einer Privataudienz vor ausgewählten Journalisten verlauten lassen, dass ihm vielleicht der eine oder andere Fehler unterlaufen wäre und er das ja in einer Neuauflage ausbügeln könnte. Zeitgleich fand die Bundespressekonferenz statt und die Journalisten dort waren sehr erfreut über die Informationspolitik des Herrn Verteidigungsministers:

Nun will Guttenberg also seinen Doktortitel ruhen lassen. Als ob der Doktortitel ein Ding wäre das man auch mal in die Ecke legt oder nicht. Ich selber habe ja „nur“ ein Diplom und als ich damals meine Diplomarbeit geschrieben habe gab es noch kein Internet und kein einfaches Copy&Paste. Aber selbst wenn hätte ich mich geschämt wenn ich nur abgekupfert hätte statt selbst etwas zu fromulieren. Und einer meiner gelegentlichen Alpträume basiert auf demSatz „Die Fachhochschule Augsburg verleiht Rainer König den akademischen Grad Diplom-Informatiker (FH)“ der meine Diplomurkunde ziert.  Dieses dämliche „verleiht“ führt in meinen Alpträumen nämlich zu dem Szenario, dass die den Titel wiederhaben wollen was mich im Traum dann mächtig unter Streß setzt.

Guttenbergs Tiitel wird hoffentlich eingezogen. Natürlich könnte man „in dubio pro reo“ sagen, aber die Beweislage scheint erdrückend zu sein. Und wenn 65% seiner Zitate mit Fehlern behaftet sind, dann ist so was nicht mehr „unabsichtlich passiert“ oder „durchgerutscht“, das kann man nicht mehr mit bodenloser Schlamperei erklären sondern muss auf Vorsatz tippen. So er denn diese Arbeit tatsächlich selbst erstellt hat und nicht einen Ghostwriter damit beauftragt hat.

Die Uni Bayreuth hat jetzt den Skandal an der Backe. Und das deutsche Bildungsystem sowieso.

Che Angela?

Also, ich muß schon sagen, die Schlagzeile in der Welt haut mich fast um: Merkels Revolutionserfahrung ist gefragt. Wie denn? Unsere Bundeskanzlerin als alte Revoluzzerin? Irgendwie ist mir die 1989 bei der Wende gar nicht aufgefallen.

Aber klar, in einem Land in dem jeder Depp zum Experten ernannt wird wenn er was sagt was der Regierung angenehm ist kann man auch mal jemandem Revolutionserfahrung attestieren der in einem Land gelebt hat in dem es eine Revolution gab. So gesehen haben jetzt 80 Millionen Ägypter auch eine ganz besondere Revolutionserfahrung zu machen.

Denn anders als damals im geteilten Deutschland will man das Volk auf der Straße sozusagen wieder nach Hause schicken mit dem Versprechen irgendwann die Demokratie einzuführen, aber gut Ding will Weile haben. Vor allem unterstellt man den Leuten in Ägypten, dass sie nicht daran denken, „nachhaltige Strukturen“ schaffen zu wollen. Da stellt sich mir wieder die Frage, wie in diesem Kontext „Nachhaltigkeit“ zu definieren ist. Ich denke nämlich schon, dass diejenigen die jetzt gegen das Regime in Ägypten aufbegehren durchaus gerne eine nachhaltige Änderung der Verhältnisse hätten, aber in eine Richtung die dem gar so demokratischen Westen wohl nicht genehm ist.

Mächtig grinsen muss ich aber wenn unsere Bundeshaargelwerbung sich beklagt, dass niemand diese Revolution in Ägypten vorausgesehen hat. Ach Herr zu Guttenberg, haben sie noch nie gehört dass man niemals alle auf Dauer verarschen kann? Die Basis des Volkes in Ägypten hat die Schnauze voll von Aufschwüngen die nie bei hnen ankommen und einem Präsidenten der in jedem Jahr seiner Amtszeit rechnerisch eine Milliarde Dollar verdient hat während der Mann am anderen Ende der Pyramide nicht weiß wie er seine Familie ernähren soll.

Ist es da tatsächlich so verwunderlich wenn das Volk aufbegehrt? Nein, ist es nicht, sind sie mal froh, dass die Deutschen sich ihre Meinung noch mehrheitlich von der Bild bilden lassen und lieber „Deutschland sucht den Superstar“ gucken statt über ihre Situation und die Probleme im Land nachzudenken, sonst hätten wir einen ähnlichen Aufstand auch bald hier.

Und was die Vorbereitung auf die Demokratie angeht, ich war 1989 in Südafrika und durfte dort den ersten demokratischen Wahlkampf miterleben der dann auch von der ANC unter Nelson Mandela beherrscht wurde. Und es war richtig lustig zu sehen, dass dem Volk alles mögliche versprochen wurde ohne sich groß Gedanken zu machen wie das auch umzusetzen wäre. Und in Südafrika war der Demokratisierungsprozess durchaus so langsam wie ihn sich der Westen nun für Ägypten wünscht.

Das äyptische Volk will eine Änderung der Verhältnisse und es hat jede demokratische Legitimation das zu entscheiden. Wenn Mubarak vom Volk nicht mehr erwünscht ist dann muss er eben gehen. Mubarak sollte sich nicht für unersetzlich halten, die Friedhöfe der Welt sind voll mit Leuten die glaubten ohne sie ginge es nicht. Es geht sogar auch mal eine Weile ohne Regierung wie wir in unserem ziviliserten Europa am Beispiel Belgien sehen, die haben seit April 2010 keine funktionierende Regierung mehr und es herrscht trotzdem nicht das blanke Chaos.

Was mich an Ägypten nachdenklich macht

Gestern konnten wir alle die Bilder der „ägyptischen Kavallerie“ sehen die auf Pferden und Kamelen in die Reihen der Demonstranten in Kairo ritten und dort wahllos auf die Leute einschlugen. Erschütternde Szenen eines Regimes, das seinen Untergang gewaltsam hinauszögern will.

An dieser Stelle frage ich mich dann, welche Motivation solche Leute haben, sich auf die Seite eines ungeliebten Diktators zu schlagen und ihre Haut im Straßenkampf zu riskieren. Wobei eigentlich nur der gewaltsame Teil dieser Aktion zu verurteilen ist, denn natürlich muss ich, wenn ich für Ägypten Demokratie einfordere auch akzeptieren, dass es Leute geben wird die den Präsidenten gut finden.

Überhaupt gab es heute Kommentare die die 1 bis 2 Millionen Demonstranten als „wenig“ bezeichneten, verglichen mit der Gesamtbevölkerung von knapp 80 Millionen. Andersrum gibt es aber die Aussage, dass Revolutionen damit beginnen, dass 1% des Volkes aufbegehrt und diese Quote haben wir in Ägypten erfüllt. Und natürlich hege ich meine Zweifel, dass die „schweigende Mehrheit“ tatsächlich für Mubarak ist. Für die Nichtteilnahme an Demonstrationen gibt es viele Gründe, angefangen von der Entfernung zum Demonstrationsort bis hin zur Angst vor Repressalien. Das ist in Ägypten nicht anders als in Deutschland, ich täte auch gerne mal in Berlin demonstrieren, aber das ist im Moment mit Familie nicht möglich, denn Kinder und Familie sind die oberste Priorität solange der Schmerz noch nicht so groß ist, dass ich eine Änderung des Status Quo erzwingen will.

Bei den Leuten die derzeit in Ägypten demonstrieren ist es aber wohl so, dass sie viele Jahre vom Regime unten gehalten wurden, mit minimalen Löhnen und ohne Perspektive irgendwann ihre Situation zu verbesern. Da fällt mir dann der Refrain von Janis Joplins „Me and Bobby McGee“ ein:

Freedom is just another word for nothing left to lose.

Die Leute auf der Straße haben nichts mehr zu verlieren außer ihrem Leben und sind wohl sogar bereit, dieses Risiko einzugehen in der Hoffnung etwas zu bewegen. Und diejenigen die vermeintlich der Regierung die Stange halten? In den Medien hieß es, die Reiter von gestern wären erzürnte Touristenführer gewesen die dank der Demonstrationen keinen Verdienst mehr haben weil die Touristen ausbleiben. Auch wenn man diese Begründung anzweifeln will erscheint sie doch gar nicht so abwegig.

Denn natürlich ist das eine beliebte Taktik von Regierungen wenn sie sich selbst aus der Schußlinie des Volkszorns bringen wollen, dann werden Grabenkämpfe zwischen Bevölkerungsgruppen geschürt. Erinnern wir uns doch mal an die Debatten im letzten Jahr:

  • Hartz-IV-Sozialschmarotzer leben in Saus und Braus und der Arbeiter muß die Rechnung zahlen.
  • Die demographische Situaton wird dazu führen, dass die Alten den Jungen sozusagen die Haare vom Kopf fressen. Und zudem blockieren sie die Arbeitsplätze die die Jugend dringend braucht.

Na, klingelt was? Natürlich gibt es Sozialmißbrauch bei Hartz-IV aber deswegen muß ich nicht Arbeitslose und Geringverdiener gegeneinander aufhetzen. Und die demographische Situation mag anders sein als vor 50 Jahren, aber das Schüren von Konflikten „Alt gegen Jung“ löst sie auch nicht.

Noch krasser ist die Situation wenn man Sündenböcke hat auf die man zeigen kann. Auch in Deutschland gibt es mittlerweile „no go“-Areas in denen man sich besser nicht blicken lässt wenn man eine andere Hautfarbe als die dort perspektivlosen Jugendlichen hat die von Neonazi-Parolen dann mit Ausländerhass aufgefüllt werden.

Der Ausweg aus der Misere wäre „Aufklärung“ und „politische Bildung“ und zwar nicht die welche die große deutsche Tageszeitung mit der Parole „Bild dir deine Meinung“ verbreitet.

Aber damit würden wir kritische Staatsbürger heranzüchten und ich fürchte diese Spezies ist auch bei uns von den Regierenden nicht gerne gesehen. Dann schon lieber den Bürger mit alternativlosen Reformen beschäftigen die, wie man in Jordanien jetzt sieht wohl eher „Show“ als „wirkliche Reformen“ waren.

Ja, was mich an Ägypten so nachdenklich macht ist die Frage, wie weit wir in Europa noch von ägyptischen Verhältnissen entfernt sind. Dazu tragen auch die Überlegungen vieler westlicher Regierungen ob sie einen Internet-Kill-Switch brauchen natürlich bei.

Sanktionen bei Fehlentscheidungen

Gestern hat Albrecht Müller auf den NachDenkSeiten Sanktionen für eklantante Fehlentscheidungen gefordert. Auch wenn ich den Frust der in diesem Artikel steckt durchaus nachvollziehen kann so muss ich doch zwei Dinge feststellen:

1. Was für den einen Betrachter eine „eklatante Fehlenscheidung“ ist mag für einen andern Blickwinkel eine „gute Entscheidung“ sein. Wenn also die Bahn massiv beim Fahrzeugpark und dem Personal einspart weiß jedes Kind, dass dies auch auf Kosten der Qualität passiert, aber auf der kapitalistischen Seite sehen wir erst mal quantifizierbare Einsparungen denen ein nicht quantifizierbarer Qualitätsverlust gegenübersteht. Und natürlich werden die „Entscheider“ nicht unter dem Qualitätsverlust leiden, das tun eher die Kunden die dann auch mal bei Bahnunfällen ihr Leben lassen müssen weil man sich auch Sicherungssysteme gespart hat. Bitte versteht mich nicht falsch, ich finde das genauso schlimm wie Albrecht Müller, aber ich weiß eben das „Fehlentscheidung“ hier im Auge des Betrachters liegt.

2. Bei politischen Entscheidungen wie z.B. die angeführte Demontage der gesetzlichen Rente zugunsten der privaten Versicherungswirtschaft muss man sich immer vergegenwärtigen, dass diese Entscheidung im Bundestag per Abstimmung erfolgte, auch wenn in den entsprechenden Gesetzentwürfen bestimmt TINA (there is no alternative, auch als Unwort „alternativlos“ bekannt) zitiert wird. Natürlich kann man angesichts der von der Versicherungswirtschaft finanzierten Tourneen des Ex-Arbeitsministers Walter Riester in diesem Fall von „politischer Korruption“ sprechen (auch wenn Riester dies stets vehement abstreitet wie unlängst in der Doku zu Maschmeyer und AWD), aber unabhängig davon schützt der Grundgesetzartikel 46 die Parlamentarier:

(1) Ein Abgeordneter darf zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen einer Äußerung, die er im Bundestage oder in einem seiner Ausschüsse getan hat, gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Bundestages zur Verantwortung gezogen werden. Dies gilt nicht für verleumderische Beleidigungen.

Es ist in der letzten Zeit ja auch oft genug vorgekommen, dass der Bundestag Gesetze verabschiedet hat die dann vom Bundesverfassungsgericht als „verfassungswidrig“ eingestuft und kassiert wurden. Trotzdem kann ich keinen der dafür gestimmt hat als offensichtlichen Verfassungsfeind sein Mandat per Gerichtsbeschluss entziehen.

Was natürlich in gewisser Weise auch sinnvoll ist, denn wäre ein Parlament das bei Irrtümern Gefahr läuft aufgelöst zu werden noch handlungsfähig?

An dieser Stelle denke ich kommt als weitere Problemkomponente das Versagen der vierten Gewalt im Staat, nämlich der Medien hinzu. Hätten wir noch tatsächlich investigativen Journalismus und Medien, die solche Fehlentscheidungen einer breiten Öffentlichkeit aufzeigen und sich auch nicht scheuen, peinliche Fragen zu den Vorgängen in der Politik zu stellen, dann könnten „auffällige Fehlentscheider“ bei der nächsten Wahl durch den Entzug der Wählerstimmen abgestraft werden. Solange aber die Medien auf Regierungskurs sind und freudig an der gesteuerten Meinungsmache mitmachen fällt diese Möglichkeit natürlich flach.