Abmahnwahn

Zur Zeit haben wir ja wieder einige Abmahnungen in der Blogsphäre weil Leute ihre Meinung über Sportartikelherstellerlogos kund tun oder weil man aufdeckt, dass Callcenter sich kaum um das geltende Recht scheren.

Aber auch der gewerbetreibende Verkäufer der seinen kleinen Shop bei Ebay oder Amazon betreibt kann über beliebig viele Fallstricke stolpern. Dank dem Law Blog haben wir nun eine Liste mit 270 Abmahngründen für Webshops. Wenn man diese Liste sieht vergeht einem normal denkenden Menschen doch jede Lust einen Webshop zu betreiben.

Na ja, immerhin scheint der finanzielle Gau für Trainer Baade abgewendet zu sein da sich der Sportbekleidungshersteller Jako nun um Begrenzung des Image-Schadens bemüht. Trotzdem bin ich der Ansicht, dass das Deutsche Abmahnwesen hier eher ein Unwesen ist welches arglose Existenzgründer sehr leicht ihrer Existenzgrundlage berauben kann.

Die Hoffnung, dass sich mit der Bundestagswahl was ändern wird ist allerdings minimal, denn die meisten Politiker sind auch Juristen und werden wohl dafür sorgen, dass ihre abmahnfreudigen Kollegen nicht ohne „legalen“ Broterwerb bleiben.

Bleibt also nur zu hoffen, dass es noch viel mehr Abmahnfälle gibt die jede Menge Aufmerksamkeit bekommen. Vielleicht kann man so einen Hebel finden um dieses „legalisierte Raubrittertum“ abzuschaffen, denn in meinen Augen ist es schon mit einer gewissen Heimtücke verbunden zunächst schwer verständliche Gesetze zu formulieren und dann Leute die aus Unwissenheit dagegen verstoßen sofort massiv zur Kasse zu bitten. Wobei die Methoden die dann angewendet werden (Androhung von hohen Prozesskosten wegen astronomischer Streitwerte) durchaus auch als Nötigung angesehen werden könnten.

Links für 2009-08-28

Heute wieder einige Links auf sehr lesenswerte Artikel im Netz.

Wenn die Polizei deine Wohnung stürmt

dann fällst Du besser nicht in Ohnmacht und schweigst über diesen Vorfall, besonders dann, wenn die Staatsgewalt sich geirrt hat und die falsche Wohnung gestürmt hat. So zumindest ist für mich die Schlussfolgerung aus dem heutigen Zeitungsartikel „Drogenfahnder stürmen falsche Wohnung„.

Aber wahrscheinlich bin ich einfach zu naiv. Blauäugig wie ich nun mal bin hatte ich eigentlich angenommen, dass bei einem vorhandenen Durchsuchungsbefehl die ermittlenden Beamten vielleicht vorher klingeln um zu sehen ob jemand zuhause ist und diesem Jemanden vielleicht sogar die Gelegenheit geben einen Rechtsbeistand zu rufen.

Weit gefehlt. Wohnungsdurchsuchungen in Deutschland anno 2009 erfolgen also duch Öffnen der Wohnungstür mit einem Dietrich, auch wenn sich in der Wohnung Leute aufhalten die aufmachen könnten. Irgendwie erinnert das mehr an die Polizeimethoden in südamerikanischen Militärdiktaturen. Aber dafür kriegt man am Schluß noch vom Gericht eins übergebraten wenn man den Vorfall an die große Glocke hängt.

Warum dünkt mir, dass mit solchen Meldungen das Vertrauen in den Rechtsstaat so allmählich den Bach runtergeht? Muß wohl an meiner Paraonia liegen.

ZZ Top der deutschen Politik

Nein, das ist nicht die Rockband mit den Typen mit den superlangen Bärten. Die deutschen ZZ Top sind leider eher Horrogestalten, die Rede ist von Zensursula und Ziercke, dem Chef des BKA. Die eine argumentiert vehement für ihr ZugangserschwerungsGesetz und der andere haut in die gleiche Kerbe und behauptet doch glatt, wer diese Websperren absichtlich umgeht macht sich strafbar.

Herr Ziercke übersieht dabei aber anscheinend, dass der Nutzer eines alternativen DNS-Servers gar keiune Stoppschilder sehen wird, er kann sie daher auch nicht bewußt umgehen. Und da die Liste der „bösen Webseiten“ ja absolut geheim ist hat auch keiner eine Möglichkeit um anstößige Webadressen „bewußt“ zu vermeiden.

„Ich kann nicht in Togo, Sierra Leone, China oder Iran einfach anrufen lassen und ein Löschen beantragen.“ Das funktioniere nicht „und ist uns nicht erlaubt“. Insgesamt gebe es 30 bis 40 „Failed States“, wo erfahrungsgemäß „nichts passiere“ und Kinderpornographie nicht geächtet sei. Eine „öffentliche Ordnung und Durchsetzung des Rechts“ finde dort nicht statt.

Also haben wir wieder 30 bis 40 „Failed States“ aus dem Hut gezaubert. Da er seine Behauptung nicht mit Fakten belegt gucke ich doch noch mal bei Dirk Landau nach, der ja damals schon die 95 bösen Staaten recherchiert hat:

Es verbleiben also 21 {12 sicher + 9 zweifelhaft} Länder für die die Aussage zutrifft, dass es dort derzeit keine rechtliche Handhabe zur Verfolgung und Löschung von Kinderpornografie gebe.
Darunter allerdings auch Länder wie Irak, Osttimor (Timor Leste), Chad oder Congo, die sich in Krieg, Bürgerkrieg, Anarchie oder verfassungsgebender Phase nach derlei Vorkommnissen befinden.
Die Zwischenfrage sei erlaubt: Wieviele Internet-Server stehen in diesen Ländern insgesamt? Wieviele der Server auf bekannt gewordenen Sperrlisten stehen in den Ländern Congo, Cote d’Ivoire, Democratic Republic of Congo, Haiti, Jamaica, Moldova, Mozambique, Nicaragua, Sao Tome & Principe, St. Lucia, St. Vincent & the Grenadines, Timor Leste?

Also statt 30 – 40 nun 21 Staaten. Besonders interessant ist aber, dass Ziercke hier auch China in die Liste der Staaten aufnimmt bei denen Bitten gegen Kinderpornographie vorzugehen angeblich nutzlos wären. Sollte man hier mal bei der chinesischen Botschaft nachfragen? Das dürfte dann wieder peinliche diplomatische Verwicklungen geben.

Kommen wir zurück zur Frau von der Leyen. Das oben verlinkte Video entstand am 17. August 2009, also nachdem das ZugangserschwerungsGesetz verabschiedet wurde. Im Vorfeld der Abstimmung über das Gesetz gab es mal eine Phase in der sogar die Verfechter der Websperren so „nett“ waren und sagten, daß Gegener dieses Gesetzes nicht mit Kinderschöndern gleichzusetzen wären und daß keiner ein Grundrecht auf Verbreitung von Kinderpornographie fordert. Dann gucken wir im Video mal ab 3:35 was die Frau Familienministerin da aus dem Hut zaubert.

Und bei 4:40 wettert sie gegen den Chaos Computer Club und die Piratenpartei, die das Kind beim Namen nennen und vor dem Aufbau einer Zensurinfrastruktur warnen. Die Frau von der Leyen muß ja mächtige Angst vor der Piratenpartei haben, wenn sie jetzt wieder diese Wahlkampfgeschütze auffährt.

Holgi hat dem Video der Frau von der Leyen eines mit einem anderen berühmten Redner gegenübergestellt (danke Fefe für den Link). Wobei ich sagen muß, das mich dieser Redner an späterer Stelle im Film (nicht in diesem Video, das Gesamtwerk)  tatsächlich zu Tränen gerührt hat während Frau von der Leyen bei mir höchstens einen Brechreiz auslöst. Zudem fällt auf, daß die Frau als Vertreterin einer christlichen Partei recht oft „Zum Himmel nochmal“ sagt.

Ich habe mir lange überlegt, ob ich das Video mit der Familienministerin hier einbetten soll, aber ehrlich gesagt widert es mich so sehr an daß ich mich da nicht überwinden kann. Der Link steht oben, wer starke Nerven hat darf das gerne angucken, aber hier muß es nicht direkt abspielbar sein. Habe ich jetzt auch Zensur gemacht?

Die Propagandamaschine macht keine Pause

Heute ist ein denkwürdiger Tag. Ich habe seit langem mal wieder eine Printausgabe des ehemaligen Nachrichtenmagazins gekauft. Grund für die Kaufentscheidung war der vielversprechende Titel „Netz ohne Gesetz“ mit dem Untertitel „Warum das Internet neue Regeln braucht“.

Und zeitsynchron erscheint heute ein Interview mit Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) in der Rheinischen Post in der er schärfere Regeln fürs Internet fordert.

Auf die Frage, ob Befürchtungen über die Einführung der Zensur durch die Kinderporno-Sperron berechtigt sind antwortet er:

Ein unberechtigter Vorwurf. Hier steht doch vielmehr die grundsätzliche Frage: Kann das Internet völlig frei sein? Müssen wir nicht die Menschen vor Denunziation, Entwürdigung oder unseriösen Geschäften schützen wie im Zivilrecht? Ähnlich wie auf den Finanzmärkten brauchen wir mittelfristig Verkehrsregeln im Internet. Sonst werden wir dort Scheußlichkeiten erleben, die jede Vorstellungskraft sprengen. Vieles geht da übrigens nicht nur national.

Wenn der Herr Kanzleramtschef tatsächlich Menschen vor Entwürdigung schützen will, dann möge er bitte gleich mal anfangen vor seiner eigenen Tür zu kehren. Schauen wir uns doch nur mal an, wie wir mit Langzeitarbeitslosen umgehen. Berichte wie der zur Armuztsindustrie oder über die Sanktionsquote gegen Hartz-IV-Empfänger sind für mein Empfinden auch Scheußlichkeiten, die jede Vorstellungskraft sprengen. Vor allem wenn sie in einem angeblich zivilisierten demokratischen Rechtsstaat passieren.

Und was ist mit der medialen Hexenjagd gegen Jörg Tauss? Das ehemalige Nachrichtenmagazin wartet auch heute wieder mit Insider-Infos auf, Dinge die eigentlich in vertraulichen Akten stehen sollten und über die in einem schwebenden Verfahren keiner berichten sollte. Trotzdem steht es in bester Bildzeitungs-Manier in den Nachrichtenmagazinen, dabei ist laut letzten Berichten die Staatsanwaltschaft gar nicht mehr sicher, ob sie wirklich Anklage gegen Jörg Tauss erheben wird.

Besonders erheiternd ist aber der Verweis des Herrn vom Kanzleramt auf die Regeln für Finanzmärkte. Wo bitteschön ist da was geregelt? Außer daß am Ende der Steuerzahler für die Spielschulden der Bankster aufkommt.

Kommen wir zurück zum Spiegel-Artikel. Der ist recht umfangreich und nach Einschätzung meiner Frau eher geeignet alte Omas zu erschrecken. Erschreckend ist aber, wie hier mit suggestiven Formulierungen Leute diffamiert werden. Beispiel:

Mit seinen Filterprogrammen durchforstet der Fahnder des LKA die Tauschbörsen nach Kinderpornographie. „Wir machen jetzt mal eine Stichprobe“, sagt er. Er gibt eine kurze Kombinatiion aus Buchtstben und Ziffern ein, darunter eine 3. „Enter“. Schon erscheine auf seinem Monitor 329 Aktuelle Angebote über Sexszenen mit Dreijährigen. […]

Sie sind ganz schön weit, die Kämpfer um die staatliche Hoheit im Cyberspace. Die an der anderen Front aber auch. Die Flagge mit dem schwarzen Segel auf weißem Grund weht schon in unmittelbarer Nähe des Berliner Regierungszentrums: Die Piratenpartei hat Ende Juni ihr Wahlkampfbüro für die Bundestagswahl eröffnet.

Jetzt weiß der geneigte Spiegel-Leser natürlich sofort, wo er die Piratenpartei einzuordnen hat, also auf der anderen Seite von den Cyberpolizisten die gegen die Kinderpornographie kämpfen.

Natürlich wird auch auf die arme Contentindustrie eingegangen und als leuchtendes Vorbild das Three-Strikes-Gesetz aus Frankreich zitiert, wohlweislich ohne die verfassungsrechtlichen Verwicklungen bei seiner Geburt. Dann kommt wieder so ein Absatz der einem das Herz höher schlagen lässt:

Die Deutschen setzen lieber auf den nicht weniger problematischen Weg, der geschädigten Musik- und Filmindustrie weitreichende Selbsthilfebefugnisse einzuräumen. So dürfen die Firmen zur Verfolgung von Schadenersatzansprüchen seit kurzem bei den Providern mit richterlicher Erlaubnis die Daten Verdächtiger verlangen, die zuvor von Netzpatroullien bei ihrm Tun beobachtet worden sind. Um einzelne Delikte zu beweisen, können die privaten Copyright-Cops neuerdings sogar, mit Hilfe der Polizei, in die Wohnung mutmaßlicher Verletzer eindringen und deren Computer durchsuchen.

An dieser Stelle frage ich mich dann schon, ob ich was verpennt habe. Die grungesetzlich garantierte Unverletzlichkeit der Wohnung aufgehoben und private Schnüffler mit der Lizenz zum PC-Durchsuchen? Man möge mir bitte das entsprechende Gesetz zeigen und ich werde postwendend dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht klagen.In meinen Augen ist das was hier geschrieben wurde eine glatte Lüge mit dem Zweck, so zu tun als wäre das jetzt schon rechtlich zulässig und sozusagen die Normalität.

Fazit: Meine 3,70 € für den Spiegel waren herausgeschmissenes Geld, aber zumindest konnte ich so die Propagandamaschine in Action bewundern. Und was den Titel „Netz ohne Gesetz“ angeht, da hat ein Forenposter ein wunderschönes Skript der Universität Münster als Link angegeben. Eine PDF mit 500 Seiten zum Thema Internetrecht. Das sollte sich jeder mal zu Gemüte führen, der meint das Internet wäre ein „rechtsfreier Raum“.

Aber wie schon der Kanzleramtschef in seinem Interview gesagt hat: „Wir leisten uns keine Auszeit.“ Auch an anderen Fronten ist man massiv bemüht noch ein paar Änderungen am Grundgesetz durchzupeitschen. Diesmal müssen die Piraten vor Somalia dafür herhalten, denn die Bundesmarine kann ohne GG-Änderung zu wenig tun. Und im gleichen Aufwasch soll auch gleich der Bundeswehreinsatz im Inneren ermöglicht werden, im Blick auf „bestimmte Situationen“. Dummerweise ist sogar die Polizeigewerkschaft  gegen diese Rumfummelei am Grundgesetz.

Trotzdem gibt es auch noch gute Nachrichten: Die OSZE wird zur Bundestagswahl am 27. September Wahlbeobachter nach Deutschland entsenden.

Scheinheilige

Letzten Herbst wurde das Gesetz zur Jugendpornographie verabschiedet und dank Udo Vetter vom Lawblog haben wir jetzt auch einen Link zu einem Gutachten das die Frage nach der Scheinminderjährigkeit behandelt.

Tja, da sind sie nun, 11 Seiten mit Juristendeutsch. Aber ich sehe mich in meinen Befürchtungen bestätigt, daß hier eigentlcih nicht meßbare Dinge mit aller Gewalt meßbar gemacht werden sollen. Und mit meiner Befürchtung, daß ich dank dieses Gestzes mindestens eine DVD habe, die jetzt unter die Kategorie „Jugendpornographie“ fallen wird. Da ist es auch egal, daß der Film Titanic 11 Oscars erhielt, denn die Hauptdarstellerin Kate Winslet spielt im Film ja die 16-jährige Rose und schon schnappt die Scheinminderjährigkeitsfalle zu.

Aber ich befinde mich in bester Gesellschaft. Die Stadtbücherei Augsburg bietet laut aktueller Kataloganfrage das Buch „Papillon“ von Henri Charriere an. Es ist schon eine Weile her, daß ich dieses Buch dort ausgeliehen und gelesen habe, aber ich kann mich noch gut an die Passagen im Text erinnern in der Charriere die sexuellen Kontakte zwischen Papillon und minderjährigen Indios beschreibt.

Irgendwie kommt mir die Zeit meiner Jugend deutlich weniger „verklemmt“ vor als es heute ist. Damals gab es sogar im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine nackte Nastassja Kinski im zarten Alter von nur 16 Jahren im Tatort „Reifeprüfung“ zu sehen. Bei meinen Erinnerungen und der Google Recherche muß ich aber dem damaligen Sänger im Nachhinein wirklich politischen Weitblick bescheinigen, denn sein Hit „Rocky“ von 1976 fängt mit den Worten „Ich weiß noch, als ich 18 war“ an. Also kein Fall für Scheinminderjährigkeit. Anders wohl Madonna die dmals als sie mit „Like a Virgin“ von der Musikindustrie als 16-jährige „verkauft“ wurde und mich dann aber plötzlich im Alter überholt hat.

Aber unabhängig davon wäre wirklich mal interessant wie die oben erwähnten Beispiele aus Film, TV und Literatur tatsächlich bewertet werden würden. Denn momentan sehe ich hier alles außer der vielzitierten Rechtssicherheit. Aber ok, ich bin ja auch nur Ingenieur und kein Anwalt.