Heute fand ich ein paar interessante Zukunftsvisionen über Deutschlands Zukunft im Web.
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Andere Stimmen zum Koalitionsvertrag
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Nach Veröffentlichung des Koalitionsvertrages (PDF-Version, epub-Version) fand ich heute im RSS-Feed auch einige sehr lesenswerte Artikel dazu:
- Heiner Flassbeck kommentiert den Vertrag aus Sicht eine Ökonomen und stellt fest, dass die tatsächlich für die Zukunft bedeutenden Fragen weiterhin ungeklärt bzw. falsch beantwortet sind.
- Jochen Hoff hat für Duckhome einen sehr emotionsgeladenen Kommentar zum Koalitionsvertrag verfasst und musste heute im Laufe des Tages gleich noch einen weiteren Kommentar nachlegen.
Was im Koalitionsvertrag fehlt
Nachdem ich nun schon einige Postings über den Inhalt des Koalitionsvertrages abgegeben habe hier mal eines über die Dinge, die man dort vergeblich sucht. Dank Verfügbarkeit des Textes auf einem Computer kann man ja sehr flott nach diversen Wörtern suchen und feststellen, dass hier was fehlt.
Was ich z.B. schmerzlich vermisse sind Aussagen, wie die Koalitionäre die Konjunktur ankurbeln wollen. Hier herrscht Funkstille und man hat den Eindruck, dass alle wirtschaftlichen Probleme weiterhin der Finanzkrise angelastet werden und man selbst sich für total unbeteiligt daran erklärt.
Ebenso konnte ich keine Aussage dazu finden, wie die neue Regierung das Problem der Binnennachfrage, vor allem der nicht existierenden Binnenachfrage angehen will. Erst letzte Woche ging Quelle in den Konkurs, ein Versandhaus das eigentlich florieren müsste, wenn denn eine Nachfrage da wäre. Wenn diese wegbricht und keiner was dagegen tut, dann ist klar, dass sich das Geschäft bald nicht mehr lohnt. Zumindest nicht für die „Investoren“ die bestimmte und derzeit wohl nicht erfüllbare Renditeanforderungen an das Unternehmen haben.
Dafür konnte man heute den ersten Dämpfer seit einem Jahr beim Gfk-Konsumklimaindex verzeichnen. Das wundert mich nicht. Konsum basiert auf der Verfügbarkeit von Geld und bislang wird dem Wirtschaftskreislauf durch konsequente Umverteilung vun unten nach oben immer mehr Geld entzogen. Da ist klar, dass der Konsum so topfit ist wie ein Zombie mit 3 Tropfen Blut in den Adern. Die ablehnende Haltung der neuen Regierung zu den Mindestlöhnen trägt ein übriges dazu bei. Wenn sich die Leistung der Arbeitnehmer darin niederschlägt, dass sie Transferleistungen beantragen müssen um überhaupt über die Runden zu kommen, dann ist so etwas Gift für den Konsum.
Der Koalitionsvertrag ist hier reichlich dünn. Aber ehrlich gesagt habe ich auch nichts anderes erwartet als eine Selbstbeweihräucherung wie toll man doch ist und was man sich alles vorgenommen hat, nur dumm dass die gravierndsten Probleme beim Aufsetzen dieses Vertrages wohl noch gar nicht erkannt wurden. Oder schlicht und einfach ignoriert wurden, denn das ist ja auch nicht auzuschließen, das hier bewußt nichts unternommen wird um die Situation für die Betroffenen zu verbessern.
Dafür stehen andere Buzzwords wie „Wachstum“ zuhauf in dem Koalitionspapier. Das was mit Sicherheit in den nächsten 4 Jahren gravierend wachsen wird ist die Armut.
Schwarz-Gelb und die Arbeitslosigkeit
Natürlich hat der Koalitionsvertrag auch ein Kapitel zu den Arbeitsmarktinstrumenten die Schwarz-Gelb als nützlich anssieht. Das startet in Zeile 3653:
Wir stehen für eine effektive und effiziente Arbeitsmarktpolitik, die Arbeitslose dabei unterstützt, rasch wieder eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu finden. Denn unser Ziel der aktiven Arbeitsmarktpolitik ist es, Arbeitssuchende erfolgreich in Beschäftigung zu vermitteln. Das gilt insbesondere auch für diejenigen Arbeitssuchenden, die spezifische Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt haben und einen großen Bedarf an Qualifizierung und Weiterbildung aufweisen. Die Arbeitsmarktinstrumente der Arbeitsverwaltung müssen mit dieser Maßgabe auf den Prüfstand gestellt werden. Wir wollen die Vielzahl der bestehenden Arbeitsmarktinstrumente deutlich reduzieren. Unser Ziel ist es, vor Ort ein hohes Maß an Ermessenspielraum – kombiniert mit einem wirksamen Controlling – zu erreichen und dadurch die Integration in den Arbeitsmarkt entsprechend den regionalen Bedingungen deutlich zu verbessern. Die Koalition wird deshalb Voraussetzungen dafür schaffen, dass neue Lösungsansätze wie z. B. die „Bürgerarbeit“ oder marktgerecht ausgestaltete Vermittlungsgutscheine ab Beginn der Arbeitslosigkeit erprobt werden können.
Also erst mal viel „Bla Bla“. Es gibt wohl noch zuviele Arbeitsmarktinstrumente, also erst mal reduzieren. Denn wirchtig ist ja eine „effektive“ und „effiziente“ Arbeitsmarktpolitik die den Arbeitslosen hilft, eine der unzähligen Arbeitsstellen zu besetzen.
Besonders schaudert es mich bei Formulierungen wie „Bürgerarbeit“ oder „marktgerecht augestaltete Vermittlungsgutscheine“. Was verstehen die Koalitonäre darunter? Und wenn das „erprobt“ werden muss, sind dann die Arbeitssuchenden die Versuchskaninichen?
Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zu mehr Wachstum und Beschäftigung sowie zur Stabilisierung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung. Wir begegnen den Sorgen vieler Menschen vor Abstieg und Überforderung, indem wir marktgerechte Arbeitsplätze fördern statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Das Prinzip des „Förderns und Forderns“ bleibt Maßstab unseres Handelns.
Hier kommt wieder mal die Nasensptize der Katze aus dem Sack. Ziel ist wohl vor allem, die Stabilisierung des Beitrags zur Arbeitslosenvesicherung, damit sich die armen Arbeitgeber nicht an den angeblichen Lohnnebenkosten zu Tode zahlen. Und die Formulierung „marktgerechte Arbeitsplätze“ verdient eine gesonderte Betrachtung. Was die Koalition unter „marktgerechten Arbeitsplätzen“ versteht kann man ab Zeile 629 nachlesen:
CDU, CSU und FDP bekennen sich zur Tarifautonomie. Sie ist ein hohes Gut, gehört unverzichtbar zum Ordnungsrahmen der Sozialen Marktwirtschaft und hat Vorrang vor staatlicher Lohnfestsetzung. Einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn lehnen wir ab.
Also keine Mindestlöhne die dem Arbeitnehmer ermöglichen von seiner Arbeit zu leben. Ganz im Gegenteil, es geht sogar noch weiter:
Die bestehenden gesetzlichen Regelungen zum Mindestlohn werden bis Oktober 2011 evaluiert. Dabei kommt es uns darauf an, diese daraufhin zu überprüfen, ob sie Arbeitsplätze gefährden oder neuen Beschäftigungsverhältnissen entgegenstehen. Zugleich gilt es zu prüfen, ob sie sowohl den erforderlichen Schutz derArbeitnehmer als auch die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Branchen gewährleisten. Das Ergebnis dieser Evaluierung soll als Grundlage für die Entscheidungdienen, ob die geltenden Mindestlohnregelungen Bestand haben oder aufgehoben werden sollten. Die anhängigen Bundesgerichtsverfahren im Zusammenhang mit dem Postmindestlohn werden abgewartet.
Dieser Absatz heißt für mich nix anderes als „am liebsten würden wir alle bislang beschlsosenen Mindestlöhne sofort wieder abschaffen“. Aber da man das so dick nicht auftragen kann werden jetzt Evaluierungen durchgeführt, ob Mindestlöhne Arbeit sichern oder Arbeitsplätze vernichten. Liebe Koalitionäre, ich empfehle Euch zur Evaluierung mal die NachDenkSeiten zu besuchen. Sucht man dort nach „Mindestlohn“ gibt es immerhin 30 Seiten mit Treffern. Und als regelmäßiger Leser dieser Seiten habe ich schon genügend Statistiken gesehen die belegen, dass unsere Europäischen Nachbarn trotz Mindestlöhnen gar nicht so schlecht dastehen wie Deutschland, das sich vehement gegen die Mindestlöhne wehrt.
Schwarz-gelbe Grundsicherung
So, Zeit sich mal die Grundsicherung bei Schwarz-Gelb anzusehen. Die gibt es ab Zeile 3679:
Arbeit und Leistung müssen sich lohnen. Für uns gilt: Wenn man arbeitet, muss man mehr haben als wenn man nicht arbeitet. Deshalb werden wir die Hinzuverdienstregelungen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende deutlich verbessern. Damit erhöhen wir auch den Anreiz, eine voll sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu suchen und anzunehmen. Das kann auch dazu beitragen, die Sozialkassen zu entlasten.
Also das übliche Geschwätz von der Leistung die sich lohnen muss. Und wenn man Anreize schafft, dann werden die paar Millionen Arbeitslosen sich bestimmt sofort melden und die unendliche vielen offenen Stellen besetzen oder was? Der letzte Satz hat auch wieder die Tendenz dem Leser zu vermitteln „Arbeitslose belasten die Sozialkassen. Würden sie sich eine Arbeit suchen, dann würde das die Sozialkassen entlasten.“ Also eine vornehme Formulierung für „Arbeitslose sind Sozialschmarotzer“.
Wir wollen mehr Sicherheit für Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz verlieren und längere Zeit keinen neuen Arbeitsplatz finden können. Die Förderung der privaten Altersvorsorge ist eine wichtige Maßnahme zur Verhinderung einer zukünftigen Altersarmut von breiten Bevölkerungsschichten. Deswegen werden wir die private Altersvorsorge besser schützen. Wir werden den Freibetrag beim Schonvermögen im SGB II, der verbindlich der Altersvorsorge dient, auf 750 Euro pro Lebensjahr wesentlich erhöhen. Bedingung dafür ist, dass das Altersvorsorgevermögen erst mit Eintritt in den Ruhestand verfügbar ist. So stärken wir die eigenständige Altersvorsorge. Sie darf nicht bestraft werden – auch nicht, wenn man auf das Arbeitslosengeld II angewiesen sein sollte.
Zusätzlich wollen wir die selbstgenutzte Immobilie umfassend schützen.
Das einzig positive erscheint mir der Schutz der selbstgenutzten Immobilie zu sein. Eine „private Altersvorsorge“ die erst mit Eintritt in den Ruhestand verfügbar ist heißt im Klartext ja nur, dass hier nicht das Sparbuch geschützt ist welches bei Finanzengpässen auch kurzfristig auflösbar ist, sondern eben wirklich langfristige Altersvorsorge, am besten Investitionen in irgendwelche Fonds oder so die langfristig mit meinem Geld jonglieren können. Klar, dass man das nicht antasten will, da leidet ja dann die Finanzwirtschaft darunter.
In diesem Zusammenhang werden auch die Kosten der Unterkunft transparent und rechtssicher ausgestaltet. Wir werden auf der Basis der vorhandenen gesetzlichen Regelungen prüfen, die Energie- und Nebenkosten sowie ggf. die Kosten der Unterkunft zu pauschalieren. Dabei sind regionale Besonderheiten zu berücksichtigen. Wir wollen damit auch dazu beitragen, dass die Zahl der Prozesse in diesem Bereich zurückgeht und gleichzeitig Anreize für einen sparsamen Energieverbrauch setzen.
Pauschalen sind immer suboptimal. Das fällt mir schon als gut versicherter Arbeitnehmer auf wenn ich meine Versicherungen als „Daseins-Vorsorge“ von der Steuer absetzen will und dann nur den viel geringeren Betrag der Vorsorgepauschale ansetzen kann. Alles was darüber hinausgeht ist dann mein Privatvergnügen.
Ok, bei mir ist das nicht wirklich tragsich, aber was macht der Empfänger von diesen Pauschalleistungen wenn seine tatsächlichen Kosten für Wohnung und Heizung höher sind als die Pauschalen? Der letzte Absatz deutet es an: Energiesparen. Also „warm anziehen“ und dafür die Heizung runterregeln.
Die Koalition nimmt sich vor, die vielfältigen und kaum noch überschaubaren steuerfinanzierten Sozialleistungen darauf hin zu überprüfen, ob und in welchem Umfang eine Zusammenfassung möglich ist. In diese Prüfung wird auch das Konzept eines bedarfsorientierten Bürgergeldes einbezogen.
Und wieder ein sehr suggestiver Absatz. Die „vielfältigen und kaum noch überschaubaren“ deutet an, dass die Empfänger der Sozialleistungen in Saus und Braus leben, weil es ja soviele Leistungsarten gibt dass kaum noch einer durchblickt.
Weiter geht es mit „steuerfinanzierten Sozialleistungen“. Also wieder der imaginäre erhobene Zeigefinger mit dem getadelt wird, dass die Empfänger dieser Leistungen dem Steuerzahler (=Leistungsträger) auf der Tasche liegen.
Rente bei Schwarz-Gelb
Gucken wir mal noch, was der Koalitionsvertrag zum Thema Rente ab Zeile 3789 hergibt.
Stärkung der kapitalgedeckten Altersvorsorge
Wir bekennen uns zur staatlich geförderten Altersvorsorge. Eine Vielzahl von Menschen nutzt diesen Weg, um private Vorsorge zu betreiben. Wir werden prüfen, ob es notwendig und finanziell darstellbar ist, weiteren Personengruppen, insbesondere Selbständigen, den Zugang zur staatlich geförderten Altersvorsorge zu ermöglichen.
In anderen Worten: Die Mär vom demographischen Wandel und der Versorgungslücke im Alter war ein voller Erfolg. Die private Finanzwirtschaft konnte viele Riester-Verträge an den Mann oder die Frau bringen, daher besteht keine Notwendigkeit, diese Hinterlassenschaft von Rot-Grün (vergleiche den Artikel über Mobilität) in Frage zu stellen. Ganz im Gegenteil, es gibt ja immer noch Bevölkerungsgruppen die uns noch nicht auf den Leim gegangen sind, also muss man überlegen, wie man die auch über den Tisch ziehen kann.
Kampf gegen Altersarmut
Wir verschließen die Augen nicht davor, dass durch veränderte wirtschaftliche und demographische Strukturen in Zukunft die Gefahr einer ansteigenden Altersarmut besteht. Deshalb wollen wir, dass sich die private und betriebliche Altersvorsorge auch für Geringverdiener lohnt und auch diejenigen, die ein Leben lang Vollzeit gearbeitet und vorgesorgt haben, ein Alterseinkommen oberhalb der Grundsicherung erhalten, das bedarfsabhängig und steuerfinanziert ist. Hierzu wird eine Regierungskommission einen Vorschlag für eine faire Anpassungsregel entwickeln.
Also will man jetzt auch die Geringverdiener an die Finanzwirtschaft verkaufen. Natürlich wegen der demographischen Strukturen und der Versorgungslücke, pardon, dass heißt ja jetzt „Altersarmut“, das klingt noch ein wenig schrecklicher und erhöht die Angst davor.
Und das über die „Alterseinkommen oberhalb der Grundsicherung“ die „bedarfsabhängig und steuerfinanziert“ sind kann man auch auf zwei verschiedene Weisen sehen, die beide eigentlich keinen Spaß machen:
- Wenn die „Grundsicherung“ den Grundbedarf abdeckt, dann besteht kein weiterer Bedarf der steuerfinanziert auf das Alterseinkommen aufgeschlagen werden muss um es über die Grundsicherung zu erhöhen.
- Wenn die „Grundsicherung“ nicht ausreichend ist, den Grundbedarf der Empfänger dieser „Grundsicherung“ zu decken, dann ist der Begriff „Grundsicherung“ sozusagen eine Verarschung und der Sozialstaat hat ein ganz anderes Problem.
Was die Koalitionäre sich zum Thema „Grundsicherung“ ausgedacht haben gucke ich mir aber ein anderes mal an, sonst kriege ich heute nacht noch Alpträume von einer Überdosis Koalitionsvertrag.
Lobhymne auf die Mobilität
So, weiter im Koalitionsvertrag. Ich picke mir mal den Absatz über die Mobilität heraus und kommentiere das, was ab Zeile 1313 zu lesen ist:
4.4.1 Mobilität
Mobilität besitzt eine Schlüsselfunktion in unserer Gesellschaft; sie schafft die Voraussetzungen für Beschäftigung, Wohlstand und persönliche Freiheit.
Also, ich als gnadenloser Individualist sehe in meiner „persönlichen Freiheit“ auch die Freiheit, mich diesem schon fast öffentlich postulierten Zwang nach unbegrenzter Mobilität auch in gewisser Weise zu verweigern. Das liegt auch daran, dass ich als abhägiger Arbeitnehmer kein Nomadendasein führen will, sondern mich eben irgendwo seßhaft niedergelasen habe und dort mein Haus, meine Familie und meine Freunde sind.
Wir wollen mit einer effizienten Verkehrspolitik die Mobilität für heute und morgen sichern. Uns geht es darum, Mobilität zu ermöglichen und nicht zu behindern. Die Hinterlassenschaften von Rot-Grün in der Verkehrspolitik gehören endgültig der Vergangenheit an.
Leider schweigen sich die Koalitionäre hier deutlich aus, was denn die schrecklichen Hinterlassenschaften der rot-grünen Verkehrspolitik sind? Tempolimit auf Autobahnen? Keine freie Fahrt für freie Bürger? Ja, wenn ich im Stau stehe wünsche ich mir auch, dass Mobilität ermöglicht wird, aber trotzdem muss es noch legitim sein, den oftmals bis zum Exzess getriebenen Mobilitätswahn zu hinterfragen.
Dabei tragen wir den Mobilitätsbedürfnissen ebenso Rechnung wie den Anforderungen von Klima-, Umwelt-, und Lärmschutz sowie Verkehrssicherheit. Mobilität in Deutschland muss für die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland bezahlbar bleiben.
Wer definiert bezahlbar? Wo ist die Schmerzgrenze? Die Bahn hat schon wieder Preiserhöhungen angekündigt, ebenso die lokalen Verkehrsbetriebe hier in Augsburg . Die Tarife für die öffentlichen Verkehrsmitel steigen schneller als die Löhne und Autofahren ist eh ein Luxus den man sich bald nicht mehr leisten kann oder will.
Die Aufgaben von Staat und Privatwirtschaft im Verkehrssektor müssen vernünftig abgegrenzt und geordnet sein. Aufgabe der Privatwirtschaft ist es, Personenverkehr, Gütertransport und Logistik zu betreiben. Aufgabe des Staates ist es, eine zukunfts- und leistungsfähige Infrastruktur zu garantieren, für faire Wettbewerbsregeln zu sorgen sowie den Unternehmen Planungssicherheit zu gewährleisten.
In anderen Worten: „Die Bereiche in denen man Geld verdient, also Personenverkehr, Logistik und Gütertransport (was ist eigentlich der Unterschied?) betreibt die Privatwirtschaft. Die Grundlage namens Infrastruktur, sprich Straßen- und Schienennetz stellt der Staat aus Steuermitteln bereit. Geschickt eingefädelt, Profit-Center werden privatisiert, Cost-Center sozialisiert.
Dabei muss Bürokratie so weit wie möglich vermieden werden.
Das ist jetzt aber mal eine fundierte Aussage aus der man jede Menge Maßnahmen ableiten kann. Oder anders ausgedrückt: Ein Lücken füller um dem Koalitionsvertrag mehr Zeilen zu geben. Ob die Autoren des Vertrages auch nach „LoC“ (Lines of Code) bezahlt werden, so wie früher die Programmierer?
Neue Herausforderungen?
Gerade scrolle ich so durch den Koalitionsvertrag, da stolpere ich doch glatt über Zeile 469 ff.:
Reform des Insolvenzrechts
Das Insolvenzrecht muss den neuen Herausforderungen angepasst werden. Wir werden ein Instrumentarium schaffen, dass es der Bankenaufsicht frühzeitig ermöglicht, systemrelevante Finanzinstitute im Rahmen eines geordneten Verfahrens zu restrukturieren.
Tja, da werfen sich für mich gleich eine ganze Latte an Fragen auf, wenn ich diese paar Zeilen lese:
- Was sind die „neuen Herausforderungen“ beim Insolvenzrecht? Aktuell fällt mir da eigentlich nur ein, dass man Banken die sich an den Kapitalmärkten gnadenlos verzockt haben nicht in die Insolvenz schicken kann sondern retten muss.
- Ah ja, da steht es ja „syystemrelevante Finanzinstitute“ werden im Rahmen eines geordneten Verfahrens restrukturiert. Aber wer definiert, welche Finanzinstitute „systemrelevant“ sind, sofern überhaupt ein Institut das ist? Was ich bislang aus der Krise gelernt habe ist, dass man denen mit Maximalgeschwindigkeit Milliarden in den Arsch geblasen hat und sie so weitermachen wie bisher. Ist Zocken also „systemrelevant“?
Was da dann tatsächlich gelpant ist liest man ab Zeile 481 ff.:
Das Insolvenzplanverfahren soll vereinfacht und im Sinne eines Restrukturierungsrechts noch stärker auf die Frühsanierung von Unternehmen ausgerichtet werden. Für Kreditinstitute ist ein früh eingreifendes Reorganisationsverfahren vorzusehen. Hierdurch sollen Enteignungen vermieden und das Haftungsprinzip gestärkt werden. Eine wesentliche Errungenschaft der Insolvenzordnung ist die Gleichbehandlung aller Gläubiger. Hiermit nicht vereinbar ist die in der letzten Wahlperiode gegen den Willen der Rechtspolitiker aller Fraktionen erfolgte Privilegierung der Sozialkassen im Insolvenzverfahren. Diese werden wir beenden. Weiteren Regelungsbedarf werden wir prüfen. Das gilt namentlich für den Verschuldensbegriff, die Verwalterauswahl und das Verbraucherinsolvenzverfahren. Hier muss auch weiterhin der Grundsatz der zweiten Chance gelten. Rechtsstaatliche Standards müssen gewahrt bleiben.
Was bitte heißt „Privilegierung der Sozialkassen“ in diesem Kontext? Eigentlich kann es durch nur bedeuten, dass bei maroden Banken die Gläubiger bevorzugt bedient werden, die dort beispielsweise ihre Altersvorsorge getroffen haben. Also in anderen Worten:
„Die neue Koalition steht dafür, dass marode Banken weiterhin mit Steuergeldern gerettet werden. Sollten die Altersvorsorgepläne ihrer Anleger dabei ins Wanken geraten, dann vergessen wir mal das Sozialstaatsprinzip und fordern, dass alle Gläubiger gleich bedient werden. Im Zwiefelsfall ist also Eure Altersvorsorge weg und da andere Großbanken weitaus größere Forderungen haben kriegt ihr halt viel weniger, wenn die Forderungen der Gläubiger bedient werden. Immerhin hättet ihr es ja besser wissen können, was man von anderen Großbanken nicht erwarten kann weil die sich niemanden leisten können, der sich mit Risikomanagement auskennt.“
Und das mit dem „Grundsatz der zweiten Chance“ liest sich irgendwie so wie „Sorry, der Pilot hat die Maschine gerade in den Acker geworfen, aber er wird weiter für sie am Steuer sitzen. Schließlich soll jeder eine zweite Chance haben“.
Conspiracy bei Schwarz-Gelb
Bei Fefe gibt es einen Link auf den Koalitionsvertrag bei dem man auch zeilenweise verlinken kann. Das werde ich die nächsten Tage wohl öfters mal tun, darum auch gleich ein Tag „Koalitionsvertrag“ und viel Senf dazu.
Das erste was man berichten muss ist die Frage, ob sich die zukünftigen Koalitionäre zu einer Verschwörung gegen das Grundgesetz verabredet haben. Bei blogwürdig wurde diese Frage aufgeworfen. Man gehe zu Zeile 6101 und lese das hier:
2. Kooperation der Fraktionen
Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen. Über das Verfahren und die Arbeit im Parlament wird Einvernehmen zwischen den Koalitionsfraktionen hergestellt. Anträge, Gesetzesinitiativen und Anfragen auf Fraktionsebene werden gemeinsam oder, im Ausnahmefall, im gegenseitigen Einvernehmen eingebracht.
Da stellen wir doch mal Artikel 38 GG gegenüber:
(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.
Was muß ich also aus diesem offensichtlichen Widerspruch schlußfolgern? Dass die neue Schwarz-Gelb-Koalition genauso auf das Grundgesetz scheißt wie ihre Amtsvorgänger? Dass man sich zu einer Verschwörung verabredet hat? Oder gar, dass die Koalitionäre eh kein Gewissen haben dem sie sich unterwerfen müssten?
150 Euro für die Bildung
Heute nachmittag im Autoradio gehört und jetzt bei der TAZ gefunden:
Die neue Bundesregierung werde „jedem neu geborenen Kind ein Zukunftskonto mit einem Startguthaben von 150 Euro einrichten“, heißt es in dem Papier, das der taz vorliegt. Darüber hinaus wolle man Einzahlungen bis zur Volljährigkeit mit einer Prämie unterstützen. Die Initiative, die sich an der bisherigen Förderung des Bausparens orientiert, solle „ein wirksamer Anreiz für mehr private Bildungsinvestitionen“ sein.
Na, das hört sich ja wieder toll an. „Zukunftskonto“. So wie es da oben steht entnehme ich, dass das ein Sparbuch wird welches am 18. Geburtstag fällig werden wird und mit 150 Euro Startkapital ausgestattet wird. Und wer seinem Kind da was einzahlt bekommt Prämien auf die eingezahlten Beiträge, die dann auch erst mal auf diesem Zukunftskonto gebunkert sind.
Warum nur erinnert mich das ganze irgendwie an die Riester-Rente. Hier ist der Köder der einem hingeworfen wird nicht die angebliche „Versorgungslücke“ im Alter, sondern natürlich die Zukunft der Kinder. 150 Euro sind, wenn es um die Ausbildung der Kinder geht nicht viel, das reicht aktuell gerade für einen guten Schulranzen und Turnbeutel im Set. Aber halt, das Geld gibts ja erst mit 18, also nix mit Schulranzen.
Hier wird unterschwellig ein Druck auf die Eltern aufgebaut, fleißig für die Zukunft ihres Nachwuchses zu sparen damit der dann später seine Studiengebühren bezahlen kann. Wobei es ja nicht so ist, dass ich meinen Kindern keine Ausbildung finanzieren will, wer es sich leisten kann hat jetzt schon so etwas wei eine „Ausbildungsversicherung“, also eine spezielle Kapitallebensversicherung die im Falle des Todes dann auch den Betrag auszahlt und man so den Kindern in jedem Fall eine Ausbildung ermöglichen kann. Wie gesagt, wenn man es sich leisten kann, denn pro Kind wollen die Versicherungskonzerne hier im Monat schon um die 50 Euro.
Also wird nun für die Geringverdienenden ein „Zukunftskonto“ angelegt, damit die halt das Geld, was eventuell (wenn auch sehr unwahrscheinlich) am Monatsende noch übrig ist vorbildlich in dieses Zukunftskonto stecken und so das Geld erst mal den Banken zum Spekulieren geben.
Statt nach dem Gießkannenprinzip 150 Euro über jedes Neugeborene auszuschütten (Kinder der „Reichen“ werden das sicher nicht nötig haben) hätte man eher die zukünftigen Kosten der Bildung der Kinder angehen können. Der Wegfall von Studiengeübhren dürfte um einiges sinnvoller sein, als dieses angebliche „Zukunftskonto“.
Nur meine Meinung und vielleicht irre ich mich hier ja auch, aber ich bin zu oft schon von unserer neoliberalen Elite veräppelt worden um so etwas ohne es gründlich zu hinterfragen zu bejubeln.
Update: Das ganze steht jetzt auch im Koalitionsvertrag ab Zeile 2594 also kriegt der Artikel jetzt auch „Koalitionsvertrag“ als Stichwort..