Da war ich zu optimistisch

Gestern hatte ich noch die Illusion, dass die Reportage über Carsten Maschmeyer eine Woche in der ARD-Mediathek abrufbar sein wird, aber heute schon ist das Ding nicht mehr auffindbar. Da frage ich mich dann schon, wer im Hintergrund die Fäden gezogen hat damit das Ding so rasant schnell vom Server verschwunden ist.

Da freuen wir uns doch, dass es YouTube gibt, denn da findet man die Reportage noch. Bin mal gespannt, wie lange noch.

Bravo NDR

Gestern abend lief in der ARD ein Bericht des NDR über Carsten Maschmeyer, den Gründer von AWD und seine Machenschaften und Verstrickungen mit der Politik. Wer den Bericht versäumt hat kann ihn in der Mediathek nochmal anschauen solange er nicht „depubliziert“ wird. Das dürfte in etwa einer Woche der Fall sein, also bitte beeilen, der Bericht ist wirklich hochinteressant.

Besonders bemerkenswert ist wohl, dass es den Reportern des NDR nicht gelungen ist während ihrer wochenlangen Recherchen eine „Audienz“ bei Herrn Maschmeyer zu bekommen. Umso erstaunlicher ist, dass Deutschlands meistgelesene Tageszeitung aus dem Springer-Verlag binnen Stundenfrist wohl einen Audienztermin bei Maschmeyer bekam um ein „Verhör“ wie sie ihr Interview großkotzig nennen durchzuführen.

Warum klappt das bei Bild und nicht beim NDR? Könnte es daran liegen, dass der NDR tatsächlich mal so etwas wie Recherchen betreiben wollte, während die Bild stereotype Fragen stellt die mit Allerweltsfloskeln von Maschmeyer beantwortet werden? Ja, danke für das Gespräch mit der Bild, danach bin ich genauso schlau wie vorher.

Die NachDenkSeiten berichteten zudem im Vorfeld der Sendung, dass die Anwälte des Herrn Maschmeyer im Vorfeld der Sendung kräfig zu intervenieren versuchten, die ARD die Sendung aber trotzdem ausstrahlte.

Der Sendungsmitschnitt ist auf jeden Fall sehenswert, denn dort finden wir dann auch die anderen Hauptakteure der politischen Korruption, solche Leuchten wie Walter Riester oder Bert Rürup. In einer Einblendung sieht man sogar den Lockenkopf des neoliberalen Einpeitschers Bernd Raffelhüschen kurz. Also genau die illustre Gesellschaft, die funktionierende soziale Sicherungssysteme demontiert um ihren Amigos von der Versicherungswirtschaft (z.B. dem Herrn Maschmeyer) neue zahlende Klienten zu vermitteln.

Was natürlich laut den Interviews mit Riester und Rürup in der Reportage keineswegs so ist und man das so auch nicht sehen darf. Aber irgendwie war die Reportage überzeugender als diese beiden Herren die sofort mit Beißreflexen reagieren wenn man sie auf die Verflechtung von Politik und privaten Interessen anspricht.

Wie gesagt, ein sehenswertes Stück von investigativem Journalismus ist der Film, den wir dank der Intervention der Verleger nun nur begrenzte Zeit online abrufen können. Da ist dann auch verständlich, warum Maschmeyer hier nicht viel Aufhebens darum macht, in einer Woche wird „depubliziert“ und dann ist auch der Shitstorm vorbei dem er jetzt ausgesetzt ist. So was sitzt der doch locker aus.

Liebe ist wieder für alle da

Die gute Nachricht für Rammstein-Fans wie meine Frau. Das Kölner Verwaltungsgericht hat den Song „Ich tu Dir weh“ wieder vom Index für jugendgefährdendes Material genommen. Dort ist er im letzten November auf Bestreben unserer damaligen Familienministerin Zensursula von der Leyen  gelandet. Das Gericht stellte fest:

«Die Bundesprüfstelle hat die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Indizierung eines der Kunst dienenden Werkes nicht in der gebotenen Weise beachtet», kritisierte das Gericht. «Das Lied „Ich tu dir weh“ enthält gerade keine aus einschlägigen filmischen, fotografischen oder literarischen Medien bekannte, detaillierte Darstellung von wirklichkeitsnahen Gewaltexzessen.» Die Gewaltelemente würden lediglich angedeutet und surreal übersteigert.

Alles schön und gut. Doch was sich meine Frau zum Geburtstag wünschte war eben genau das Album „Liebe ist für alle da“ von Rammstein und natürlich hat sie es bekommen. Dank Zensursula leider in einer Version ohne den Song „ich tu dir weh“. Wo kriege ich jetzt den fehlenden Song her? Im Rammstein-Blog steht, dass es wohl bald eine Single geben wird. Alles schön und gut, aber hätte unsere Zensursula damals nicht so über die Stränge geschlagen, dann hätten wir den Song heute schon, eben auf dem Album. Kann ich daher das Familienministerium angehen, damit sie mir die Kosten für die „Nachbesserung“ bezahlen?

Bücherverbrennung im 21. Jahrhundert

Heute meldete der WDR, dass er jetzt mit dem Löschen seines Internetarchives beginnen werde. Der Grund ist nicht etwa dass der Sender kein Geld hätte um dieses Archiv aufrecht zu erhalten. Nein, der Grund liegt darin, dass sich Politiker von den sogenannten Free-TV-Sendern ein Gesetz diktieren ließen das vorschreibt, dass die Verweildauer von Sendungen der ÖR-Sender im Internet nur noch von sehr kurzer Dauer ist.

Nicht, dass ich das hohe Loblied auf die ÖR-Sender singen will, aber unabhängig von der Qualität der Sendungen bereitet es mir massives Unbehagen, wenn die Quantität des Sendungsarchives den wirtschaftlichen Interessen von Privatsendern geopfert wird. Eines Sendungsarchives das der Gebührenzahler ja bereits finanziert hat. Und das geht nun den Bach runter weil die „freien“ Sender sonst ihre Profite bedroht sehen.

Im Informationszeitalter ist das Löschen von Kulturgütern in meinen Augen genauso verwerflich wie die Bücherverbrennung im tausendjährigen Reich. Wer so etwas in Gesetze gießt ist einer unheilvollen Ideologie verfallen, damals war es der Nationalsozialismus, heute ist es wohl der Kapitalismus in seiner Ausprägung Neoliberalismus.

Da bin ich doch froh um die DVB-T-Karte in meinem PC, damit kann ich mein persönliches Archiv (z.B. viele Folgen der „Anstalt“) konservieren.

Sternstunden des Journalismus

Also, dieser Artikel des Stern über die Chancen einer Margot Käßmann als Kandidat für die Wahl des Bundespräsidenten nominiert zu werden ist wirklich mal erfrischend lesenswert. Zitat:

Denn gesucht wird derzeit auf keinen Fall eine Person fürs höchste Staatsamt, zu der die Deutschen so erkennbar Vertrauen, Respekt und Zuneigung signalisieren. Gesucht wird nie und nimmer eine Persönlichkeit, mit deren Hilfe es der Politik insgesamt gelingen könnte, ihre verloren gegangene Glaubwürdigkeit wieder zurück zu gewinnen. Denn dadurch würde die Politik schließlich das eigene Versagen vorführen.

So etwas würde ich gerne öfter und auch in anderen Zeitungen und Zeitschriften lesen.

Experten am Werk

Heute sind es 5 Wochen dass im Golf von Mexico die Bohrplattform „Deepwater Horizon“ explodiert und gesunken ist. Seitdem sprudelt das Öl aus dem Bohrloch am Meeresgrund, zunächst behauptete BP dass es ja nur 800.000 Liter am Tag wären, mittlerweile spricht man von 15 Millionen Litern am Tag. Man hätte das ganz wohl verhindern können, wenn man ein Sicherheitssystem eingebaut hätte das den Konzern allerdings 500.000 Dollar gekostet hätte.  Dieses Video auf YouTube berichtet über das fehlende Sicherheitssystem und auch darüber, dass es zwar bei Bohrungen vor Norwegen vorgeschrieben wäre, nicht aber bei Bohrungen vor der US-Küste. Wem verdanken wir das? Der Deregulierung unter der Regierung Bush. Die hat übrigens auch die Haftung für Ölunfälle auf 75 Millionen Dollar begrenzt.

Was da aktuell im Golf von Mexico abgeht dürfte eine Katastrophe für die ganze Region sein. Das Öl wird mit Chemikalien bekämpft deren Wirkung für das Ökosystem genauso tödlich ist wie das Öl. Das Loch ist weiterhin offen und es hat wohl auch keiner so eine rechte Peilung, wie man es schließen könnte. Mittlerweile erreicht die Ölpest die Küstenlinie von Lousiana und zudem bewegt sich wohl auch Öl auf Florida zu.

Immerhin konnte man gestern lesen, dass BP nun zugibt, dass das eine große Katastrophe sei. Wenn ich solche Meldungen lese, dann kriege ich einen unbändigen Zorn. Zorn auf die Idioten die wegen der Einsparung von 500.000 Dollar nun eine Katastrophe angerichtet haben deren Bewältigung mit Geld allein wahrscheinlich gar nicht zu zahlen ist. Und Zorn auf eine US-Regierung die diese Pfuscher von BP weiterwursteln lässt und Zorn auf die Regierungen im Rest der sogenannten zivilisierten Welt die hier auch nur tatenlos zusehen. Als wäre das alles nur ein Problem der Amis.

Und die 4. Gewalt, die Medien? Denen ist der Ausfall eines gefoulten Fussballers zur Weltmeisterschaft viel mehr Berichterstattung wert und wird hier zur nationalen Katastrophe aufgebauscht während die tatsächliche internationale Katastrophe im Golf von Mexico kaum Beachtung findet. Nachrichten zum Thema muss man wirklich mühsam suchen. Man könnte fast den Eindruck bekommen, dass hier bewusst möglichst viel verschwiegen wird.

Die Arbeitskosten steigen

So lautet der Tenor verschiedener Artikel die in den letzten Tagen durch die Medien geistern. Das ganze ist meiner Meinung nach aber nur „angewandte Mathematik“. Hierzu gucken wir mal in den Online-Artikel bei der Augsburger Allgemeinen:

Die Arbeitskosten in Deutschland sind im Rezessionsjahr 2009 deutlich gestiegen. Grund ist die verbreitete Kurzarbeit. In der Privatwirtschaft kostete eine geleistete Arbeitsstunde die Arbeitgeber im Schnitt 30,90 Euro, berichtet das Statistische Bundesamt. Viele Unternehmen drosselten ihre Produktion, reduzierten Überstunden und setzten auf Kurzarbeit, um ihre Mitarbeiter nicht entlassen zu müssen.

Was heißt das im Klartext? Arbeitskosten kalkulieren sich stark vereinfacht als:

Arbeitskosten = Lohnkosten + Infrastrukturkosten

Das was ich unter Infrastrukturkosten führe ist sozsagen der Arbeitsplatz, also die Miete fürs Büro, der Schreibtisch, der Computer, das Werkzeug usw. Diese Arbeitskosten können auch gut ins Geld gehen und je nachdem was da für ein Aufwand getrieben wird locker genauso hoch sein wie die Lohnkosten.

Wenn ich jetzt 4 Wochen a 40 Stunden arbeite, dann sind das 160 Stunden für die der Arbeitgeber Lohnkosten zahlt. Nehmen wir mal einen Stundenlohn von 10 Euro an, dann sind das 1600 Euro Lohnkosten. Wie gesagt grob vereinfacht. Dann setzen wir mal die Infrastrukturkosten auf ebenfalls 1600 Euro fest, also sind die Arbeitskosten im Monat 3200 Euro oder eben in Arbeitskosten ausgedrückt kostet eine Arbeitsstunde 20 Euro.

Jetzt kommt Kurzarbeit, der Mitarbeiter arbeitet 10% weniger. Also macht er nur noch 144 Stunden und dafür entstehen dann 1440 Euro Lohnkosten. Zusammen mit den unveränderten 1600 Euro für die Infrastruktur bedeutet das, dass die monatlichen Arbeitskosten 3040 Euro sind und das bei nur 144 Stunden. Die Arbeitskosten für eine Stunde sind daher 3040/144 Euro oder eben 21,11 Euro.

Das ist mathematisch eigentlich so trivial dasss man sich wundert, dass so etwas die Top-Schlagzeile auf der Titelseite einer Zeitung ist. Also fragt man sich, welche Absicht da wohl dahinter steckt. Könnte es vielleicht sein, dass man mit solchen Schreckensmeldungen über gestiegene Arbeitskosten die Leute wieder zu mehr Lohnzurückhaltung „motivieren“ will damit Deutschland nichts an seiner Wettbewerbsfähigkeit einbüßt? Meinetwegen müssen wir nicht jedes Jahr Export-Weltmeister werden, denn unser Handelsbilanzüberschuss ist das Defizit des Auslandes und wo das endet sieht man aktuell bei z.B. Griechenland.

Einen interessanten Artikel zum Thema „gestiegene Arbeitskosten“ gibt es auch auf den NachDenkSeiten.

NachDenkSeiten - Die kritische Website

Godwins Law und die Geistlichkeit

Telepolis berichtet heute über den Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller der die aktuelle Berichterstattung über die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche mit der kirchenfeindlichen Haltung des Nazi-Regimes vergleicht. Also wieder ein klassischer Fall von Godwins Law und der letzte „Geistliche“, unser Bruder Barnabas vom Nockherberg musste nach dem Vergleich dann seinen Hut nehmen.

Nein, einen Rücktritt des Bischofs will ich gar nicht fordern, wohl aber eine nüchterne Debatte mit dem Unfassbaren, auch wenn es noch so unangenehm ist. Ein Ungenannter sieht in Müllers Äußerung die Geisteshaltung der Kirche. Interessant ist in diesem Zusammenhang auf jeden Fall der Wikipedia-Artikel über das songeannte Schutzalter:

In Malta und der Vatikanstadt liegt das Schutzalter bei 12 Jahren…

Ich selbst habe in den letzten Tagen öfter mal verwundert geguckt, beispielsweise bei der Äußerung des Münchner Bischofs Marx, dass man eine Meldepflicht für Missbrauchsfälle fordert. Hier hat die Kirche wohl vom Staat einen Persilschein in §139 StGB bekommen der jetzt erst mal verhindert, dass diese Missbrauchsfälle öffentlich werden:

(2) Ein Geistlicher ist nicht verpflichtet anzuzeigen, was ihm in seiner Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden ist.

Wenn also der Dorfpriester seine Verfehlungen beim Bischof beichtet, dann muss dieser das nicht dem Staatsanwalt erzählen. Ja, ich verstehe durchaus den Sinn dieses Paragraphen, aber wenn ich an den letzten Sommer und die Schlachten um das Zugangserschwerungsgesetz denke, dann müsste ich jetzt eigentlich auch nur laut rufen „Die Kirche darf kein rechtsfreier Raum sein!“.

Der Regensburger Bischof täte also gut daran, wenn er jetzt nicht einen auf „verfolgtes Opfer“machen würde. Niemand will die Kirche diffamieren und ich habe sehr viel Respekt vor dem recht auf freie Religionsausübung und werde sicherlich nicht wegen des Fehlverhaltens von Priestern die ganze Organisation verdammen, aber ich erwarte dann auch, dass die Organisation diese Fälle nicht zu vertuschen versucht sondern eben die notwendigen Konsequenzen zieht.

Es ist auch müßig darüber zu disktutieren ob das Zölibat daran schuld ist oder nicht, denn letztlich geht es um den Missbrauch von Kindern und der Priester der gegen das Zölibat verstoßen will hätte auch andere Möglichkeiten dies zu tun ohne dass Kinder dabei zu Schaden kommen.