Bravo NDR

Gestern abend lief in der ARD ein Bericht des NDR über Carsten Maschmeyer, den Gründer von AWD und seine Machenschaften und Verstrickungen mit der Politik. Wer den Bericht versäumt hat kann ihn in der Mediathek nochmal anschauen solange er nicht „depubliziert“ wird. Das dürfte in etwa einer Woche der Fall sein, also bitte beeilen, der Bericht ist wirklich hochinteressant.

Besonders bemerkenswert ist wohl, dass es den Reportern des NDR nicht gelungen ist während ihrer wochenlangen Recherchen eine „Audienz“ bei Herrn Maschmeyer zu bekommen. Umso erstaunlicher ist, dass Deutschlands meistgelesene Tageszeitung aus dem Springer-Verlag binnen Stundenfrist wohl einen Audienztermin bei Maschmeyer bekam um ein „Verhör“ wie sie ihr Interview großkotzig nennen durchzuführen.

Warum klappt das bei Bild und nicht beim NDR? Könnte es daran liegen, dass der NDR tatsächlich mal so etwas wie Recherchen betreiben wollte, während die Bild stereotype Fragen stellt die mit Allerweltsfloskeln von Maschmeyer beantwortet werden? Ja, danke für das Gespräch mit der Bild, danach bin ich genauso schlau wie vorher.

Die NachDenkSeiten berichteten zudem im Vorfeld der Sendung, dass die Anwälte des Herrn Maschmeyer im Vorfeld der Sendung kräfig zu intervenieren versuchten, die ARD die Sendung aber trotzdem ausstrahlte.

Der Sendungsmitschnitt ist auf jeden Fall sehenswert, denn dort finden wir dann auch die anderen Hauptakteure der politischen Korruption, solche Leuchten wie Walter Riester oder Bert Rürup. In einer Einblendung sieht man sogar den Lockenkopf des neoliberalen Einpeitschers Bernd Raffelhüschen kurz. Also genau die illustre Gesellschaft, die funktionierende soziale Sicherungssysteme demontiert um ihren Amigos von der Versicherungswirtschaft (z.B. dem Herrn Maschmeyer) neue zahlende Klienten zu vermitteln.

Was natürlich laut den Interviews mit Riester und Rürup in der Reportage keineswegs so ist und man das so auch nicht sehen darf. Aber irgendwie war die Reportage überzeugender als diese beiden Herren die sofort mit Beißreflexen reagieren wenn man sie auf die Verflechtung von Politik und privaten Interessen anspricht.

Wie gesagt, ein sehenswertes Stück von investigativem Journalismus ist der Film, den wir dank der Intervention der Verleger nun nur begrenzte Zeit online abrufen können. Da ist dann auch verständlich, warum Maschmeyer hier nicht viel Aufhebens darum macht, in einer Woche wird „depubliziert“ und dann ist auch der Shitstorm vorbei dem er jetzt ausgesetzt ist. So was sitzt der doch locker aus.

Erfolgsmodell A8?

Die Lokalzeitung ist heute voll des Lobes über das erste PPP-Autobahnprojekt (PPP = Public Private Partnership) auf dem A8-Teilstück zwischen Augsburg und München:

Das 37 Kilometer lange Teilstück zwischen Augsburg-West und Parkplatz Palsweis (Landkreis Dachau) ist das erste deutsche Autobahnprojekt mit privater Finanzierung. Es gilt nun nach der Fertigstellung in Rekordzeit und ohne Zusatzkosten für den Bund als Vorbildmodell für viele Verkehrsgroßprojekte in ganz Deutschland.

Und Verkehrsminister Ramsauer spricht sogar von „Effizienzgewinnen“. Gewinnen tut dabei sicherlich das Firmenkonsortium das jetzt für 30 Jahre die Autobahn betreiben darf und dafür die LKW-Maut (und vielleicht auch eine irgendwann eingefährte PKW-Maut?) einsteichen darf.

Als Steuerzahler stehe ich diesen PPP-Projekten allerdings sehr skeptisch gegenüber, denn ein privates Wirtschaftsunternehmen hat vor allem ein Ziel: PROFIT. Das bedeutet, dass es diese Projekt nicht durchziehen würde, wenn am Ende unterm Strich nicht der dicke Profit stehen würde. Die Baukosten wurden mit 250 Millionen Euro angegeben. Wenn wir von einer durchschnittlichen Maut von 20 Cent pro Kilometer ausgehen, dann zahlt jeder LKW für die 52 km also rund 10 Euro. Bei 100.000 Fahrzeugen pro Tag und einem LKW-Anteil von nur 25% wären die Tageseinnahmen also 250.000 Euro. Oder anders gesagt, in 1000 Tagen haben wir überschlägig die Baukosten wieder drin. 1000 Tage sind knapp 3 Jahre.

Jetzt rechnen wir mal das Thema Baukostenfinanzierung durch: Kein Unternehmer wird die 250 Millionen Euro unterm Kopfkissen liegen haben, also ist anzunehmen, dass die Finanzierung der Baukosten über Kredite lief. Wenn der Staat den Bau finanziert hätte wäre das nicht anders gelaufen, aber der Unterschied ist, dass der Staat wohl günstigere Kreditkonditionen bekommt als ein Privatunternehmer, d.h. die Gesamtkosten der Finanzierung sind schon mal höher als wenn der Staat dieses Projekt durchgezogen hätte.

Wenn aber jetzt ein Verkehrsminister sich hinstellt und von Effizienzgewinnen spricht, dann muss ich die Frage stellen, warum die Privatwirtschaft effektiver ist wenn sie selbst die Projektleitung hat? Der Staat hat keine verbeamteten Bauarbeiter, das heißt die Ausführung der Arbeiten wäre so oder so von einer privaten Baufirma vorgenommen worden. Warum also ist dieser private Unternehmer „effizienter“ wenn er auf das Gesamtprojekt durchführt? Müsste der Rückschluß nicht lauten, dass vom Staat beauftragte Unternehmer dann vielleicht sogar absichtlich ineffizient sind weil man es ja gewohnt ist, dass die Kosten bei jedem öffentlichen Projekt unter staatlicher Kontrolle explodieren?

Aber solche Gedanken gehen im Jubel um die tatsächliche Sechsspurigkeit (anders als die gefühlte Vierspurigkeit der Friedberger Straße hier) natürlich unter.

You get what pay for

Dieser Satz ist sozusagen die Grundmaxime der freien Märkte und wer nicht bereit ist zu zahlen kriegt halt dann auch nichts. Ok, bei uns ist das anders, Arbeitgeber die keine anständigen Löhne zahlen wollen kriegen trotzdem ihre Lohnsklaven von der ARGE zugeteilt, aber das ist eine andere Geschichte. Die Geschichte die Fefe heute im Blog hatte zeigt dann auch sehr schön, was passiert wenn die von den Neoliberalen geforderte Senkung der Staatsquote umgesetzt wird und man eben auch Dinge privatisiert die besser nicht privatisiert werden sollten. Also beispielsweise die Feuerwehr.

In Obion County im US-Bundesstaat Tennesee ist die Brandbekämpfung wohl Privatsache und als Abgabe an die örtliche Feuerwehr sind von jedem Hausbesitzer 75 Dollar fällig.  Und wer sich die spart bekommt halt keine Hausbesuche der Brandbekämpfer sollte es mal bei ihm brennen. So ist es einem Hausbesitzer dort ergangen, die Feuerwehr kam und sah zu wie sein Haus abbrennt und war nur da um da Übergreifen des Feuers auf die Häuser der zahlenden Kundschaft zu verhindern. Tja, Pech gehabt ist dann der Kommentar des Feuerwehrchefs.

Und wer glaubt so was könne bei uns nicht passieren möge sich mal die folgende Schilderung der Ereignisse aus dem Stuttgarter Schloßpark vom 30. September ansehen. Allerdings muss ich sagen, dass diese Schilderung nicht nachprüfbar ist und was mich ein wenig stutzig macht ist die Tatsache, dass von 3 Leuten die sich um einen Verletzten kümmern keiner ein Mobiltelefon dabei hat und der Helfer der dann mit der Notrufzentrale telefonieret sich erst eines ausleihen muss. Trotzdem gibt es unter anderem auch den Brief der Demosanitäter die wiederum die oben verlinkte Schilderung durchaus möglich erscheinen lassen.

Eine Zensur findet nicht statt

Artikel 5 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland:

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Aber natürlich kann man nicht über alles berichten. Schon gar nicht, wenn das Thema den aktuellen Machthabern vielleicht nicht so in den Kram passt. Das ist aber keine Zensur sondern nur Konzentration auf wichtige Nachrichten.

Für mich wäre heute abend mal wichtig gewesen, wie es in Stuttgart weitergeht. Es war ja eine Montagsdemo angekündigt. Und um zu erfahren was da abging muss ich schon ins benachbarte Ausland gehen, der Standard aus Österreich hat da wenigstens was. Oder ich gucke in Blogs wie Alles Schall und Rauch, da gibt es auch einen Bericht von der Montagsdemo an der heute immerhin 55.000 Leute teilgenommen haben.

Anders bei unseren Qualitätsjournalismusverbreitern. Meine lokale Augsburger Allgemeine lässt mich auf ihrer Startseite sehr im unklaren über die Entwicklung in Stuttgart, man berichtet lieber über ein paar Kommentare im eigenen Forum.

Und das „Fakten, Fakten, Fakten“-Magazin Focus aus München verlinkt zwar auf einen Artikel zu Stuttgart 21 von heute, aber dort wird die Montagsdemo nicht erwähnt.

Ebenso das ehemalige Nachrichtenmagazin, bei dem Stuttgart 21 kein Top-Thema ist, aber das wenigstens im Artikel dann ein paar Worte zur Montagsdemo fallen lässt.

Da bin ich dann mal auf die „Coverage“ in der Printausgabe der Augsburger Allgemeinen gespannt. Gestern gab es noch einen kritischen Leserbrief zu den Vorgängen am 30. September, heute nix mehr. Und diese Woche ist ja perfekt geeignet um das Thema geflissentlich unter den Teppich zu kehren, immerhin kann man im Tagesryhthmus über die Verleihung der Nobelpreise berichten und das ist natürlich dann eine willkommene Abwechslung zu den schlechten Nachrichten über die man sonst schreiben müsste.

Wir wissen ja: „Eine Zensur findet nicht statt“

Street View ist böse

Heute als Randnotiz auf der Titelseite der Augsburger Allgemeinen und im Lokalteil dann als großer Artikel: Kindergärten wehren sich gegen Street View

Ja, wo kämen wir denn hin wenn jeder Sittenstrolch ein Bild der Kindergärten sehen könnte. Also, in erster Näherung kämen wir wohl auf die Internet-Seite der Stadt Augsburg die die Kindertagesstätten nach Stadtteil auflistet und bei den städtischen Einrichtungen auch von jeder KiTa ein schönes Foto auf der Seite hat.

Wir brauchen unbedingt ein Leistungsschutzrecht

Das rufen die Zeitungsverleger mit Verweis auf den Qualitätsjournalismus den ihre Pressemedien angeblich produzieren. Wie qualitativ hochwertig dieser Journalismus tatsächlich ist thematisiert der Spiegelfecher im Artikel „Qualitätsmedien in der Twitter-Falle„.  Als neuer Twitter-Nutzer musste ich da natürlich mächtig grinsen.

Wie bescheuert muss man eigentlich sein?

Gerade lese ich, dass ein Bundesrichter in New Orleans den von Obama verhängten Stopp von Ölbohrungen in der Tiefsee aufgehoben hat. Denn die anderen Ölfirmen könnten dadurch ja Einbußen erleiden. Wow. Ist dem eigentlich aufgefallen, dass vor seiner Haustür gerade die größte ökologische Katastrophe stattfindet die die Welt je gesehen hat? Aber klar, auch die anderen Ölbohrer wollen jetzt machen, wenn was schiefgeht kann man es ja locker auf BP schieben. Quelle: Gericht hebt Tiefsee-Bohrstopp im Golf von Mexiko auf – Service – sueddeutsche.de.

Hurra, die Arbeitslosenzahl sinkt

Und zwar auf nur 2,3 Millionen im Jahr 2030! So zitiert heute die Augsburger Allgemeine einen Artikel im Focus über die Berechnungen des Wirtschaftsforschungsinstitutes Prognos.

Na, das ist doch mal weitsichtig gedacht. 20 Jahre in die Zukunft. Leider berichtet der Focus nicht, ob jemand für dieses Orakel auch noch einen Auftrag erteilt und vielleicht sogar Geld ausgegeben hat. Denn das wäre wohl in jedem Fall rausgeschmissenes Geld. Oder glaubt tatsächlich einer, dass irgendwer heute sagen kann, wieviele Arbeitslose wir in 20 Jahren haben werden? Wo unsere Wirtschaftseliten doch schon kläglich daran gescheitert sind die Finanzkrise voherzusehen obwohl es eigentlich genug Anzeichen dafür gab?

So eine Nachricht ist das Papier nicht wert auf dem sie gedruckt wird. Das einzige was ich so einer Meldung entnehmen kann ist dass Albert Einstein recht hatte mit seiner Vermutung betreffend der Unendlichkeit:

Zwei Dinge sind unendlich: Das Universum und die menschliche Dummheit. Aber beim Universum bin ich mir nicht ganz sicher.

Jeder Deutsche bürgt mit 275 Euro für Griechenland

Das war heute der Aufmacher in unserer Zeitung. Und damit reiht sich die Augsburger Allgemeine in beschämender Weise in die Reihe derer ein, die statt einer ausgewogenen Berichterstattung über die Krise lieber nach dem Motto „immer feste drauf“ an der Hetzkampagne gegen Griechenland mitmachen.

Was sind schon 275 Euro Bürgschaft im Vergleich zu den etwas mehr als 6000 Euro Bürgschaft die uns aufgebürdet wurde als man sich neulich anschickte die Banken zu retten? Peanuts, nichts als Peanuts. Aber das verschweigt die Mainstream-Presse lieber also muss man sich wieder im Internet informieren.

Den aktuell besten Artikel über den Krisenmythos Griechenland und die Ursachen der Krise hatte heute Telepolis. Der Spiegelfechter schrieb bereits gestern, dass man nun die Schock-Strateie für Griechenland anwenden will, also die komplette neoliberale Palette ausschöpft und so das Problem eher vergrößert als löst. Freeman auf „Alles Schall und Rauch“ listet heute auch die noch schärferen Sparmaßnahmen für Griechenland auf: Löhne runter, Verbrauchssteuern rauf. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die reiche Elite in Griechenland von Steuern weiterhin verschont bleibt, die Zeche zahlt also auch in Griechenland der kleine Mann.

Da diese Maßnahmen vom IWF diktiert werden stellen die NachDenkSeiten dann auch die Frage, ob dieses Maßnahmenpaket irgend eine demokratische Legitimation hat. Der Beschluß im Bundestag wurde ja ebenfalls im Eiltempo durchgepeitscht obwohl genau solch ein Gesetz eigentlich hätte viel ausführlicher disktuiert werden müssen. Symptomatisch allerdings für die ignorante Merkel-Regierung die dann eben wieder panikartik reagiert statt klug zu agieren.

Natürlich sieht jeder halbwegs vernünftige Mensch, dass der Maßnahmenkatalog den man jetzt gegen Griechenland anwenden will bestenfalls geeignet ist, die Armut im Land zu vergrößern und das Land noch tiefer in den Dreck zu ziehen. Radio Utopie hat daher heute einen Hinweis auf das kommende Destaster veröffentlicht, eine Erklärung von Mikis Theodorakis.

All das sind Informationen die man in der Tagespresse leider nicht findet.  Da wundert es dann auch nicht, wenn  Michalis Pantelouris in seinem „Print würgt“-Blog fragt: „Interessiert eigentlich jemanden, was in Griechenland wirklich passiert?

Wenn man sich die Schlagzeilen der letzten Tage ansieht, dann eher nicht. Ein sachliches Auseinandersetzen mit der Krise bringt ja auch weniger Leser als reißerische Schlagzeilen der Springer-Presse wie „Warum sollen wir die Luxus-Renten der Griechen zahlen?“. Manchmal schäme ich mich wirklich für die sogenannte „freie Presse“ in unserem Land.

Deutsche glauben an den Aufschwung

Das war heute die Titelschlagzeile in der Augsburger Allgemeinen. Da konnte ich nicht an mich halten und musste einfach einen Leserbrief dazu schreiben:

Sehr geehrte Damen und Herren,

bei der heutigen Schlagzeile kam mir spontan die Idee, dass man am besten die Kruzifixe in den Klassenzimmern durch Eurosymbole ersetzen sollte. Dann würden die Kinder gleich lernen welchem Götzen sie in unserem Land huldigen sollen.

An den Aufschwung glaube ich nicht und das wird sich auch nicht ändern bis die Zahl der Arbeitslosen deutlich und ohne Rechentricks zurückgegangen ist und die Binnennachfrage wieder funktioniert, so dass wir aus dieser katasrophalen Abwärtsspirale rauskommen. Und wenn GfK und Ifo-Institut vom Aufschwung orakeln, dann sollte man bedenken dass in ein paar Tagen die Wahlen in NRW sind und man ja die Regierungskoalition irgendwie gut aussehen lassen muss.