Die unechte Gerechtigkeit

Heute Mittag schlug die Nachricht wie eine Bombe ein und wurde blitzschnell über Twitter und alle Nachrichtenkanäle verbreitet: Gustl Mollath kommt nach 7 Jahren frei. Und überall herrscht grenzenlose Freude und Erleichterung, dass dieser Mann der lange Jahre in der Psychatrie weggesperrt war heute endlich aufgrund eines Beschlusses des OLG Nürnberg freikommt.

Das OLG hat nämlich ganz genau geschaut und nach vielen Jahren tatsächlich einen Verfahrensfehler gefunden welcher die Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigt und natürlich auch die sofortige Freilassung von Gustl Mollath. Der Grund ist eine „unechte Urkunde“, was in der Pressemitteilung wie folgt beschrieben wird:

Als solche im juristischen Sinne „unechte Urkunde“ wertet der Senat ein ärztliches Attest vom 3. Juni 2002. Dieses Attest wurde zwar von einem approbierten Arzt verfasst und ausgestellt, der zudem die zugrunde liegende Untersuchung persönlich durchgeführt hatte. Das Attest selbst nennt aber nur den Namen der Praxisinhaberin, so dass der Eindruck entstand, diese gebe ihre eigenen Feststellungen wieder. Durch übermäßige Vergrößerung der Urkunde könne zwar festgestellt werden, dass der Unterschrift ein Vertretungshinweis („i.V.“) beigefügt war. Auf dem Attest in Originalgröße sei dieser Zusatz aber weder für den Senat noch – soweit ersichtlich – für die Verfahrensbeteiligten im Ausgangsverfahren erkennbar gewesen.

Da sind wir doch mal froh, dass dem OLG ein supergutes Vergrößerungsglas zur Verfügung stand, denn sonst hätte man diese unechte Urkunde womöglich gar nicht als unecht identifizieren können.

Und das Beste, wegen dieser in Originalgröße nicht als unecht erkennbaren Urkunde hat man nun endlich einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens gefunden ohne dass die bayerische Justiz oder gar die in den Skandal verwickelte Justizministerin Beate Merk irgendwelche sonstigen Verfahrensfehler eingestehen müßte. Das Gesicht der an diesem Skandal beteiligten Personen ist gewahrt, also wollen wir gar nicht mehr so genau auf andere mögliche Fehler gucken. So heißt es dann auch:

Da schon dieser Wiederaufnahmegrund durchgreift, kam es auf andere in den Wiederaufnahmeanträgen genannte Gesichtspunkte nicht mehr an.

Erinnert mich an meine Lateinschulaufgaben in der Schulzeit die auch nur bis zu dem Punkt korrigiert wurden an dem die Anzahl der Fehler die Note 6 rechtfertigte. Hätte ich also aus meinen Fehlern lernen wollen, dann wäre mir das wegen der unvollständigen Korrektur durch den Lateinlehrer verwehrt geblieben.

Und natürlich will die bayerische Justiz, allen voran die Justizministerin auch nicht aus ihren Fehlern lernen. Letztere reklamierte heute für sich, den „entscheidenden Schritt“ für eine Wiederaufnahme des Verfahrens getan zu haben. Das sagt die Frau, die noch vor 9 Monaten energisch behauptete das Gustl Mollath vollkommen zurecht in der Psychatrie sitze weil von ihm eine Gefahr ausginge.

Ja, es ist Wahlkampf und hier in Bayern steht im September auch die Wahl für den Landtag an. Aber eine derartige Realitätsverzerrung wie sie Beate Merk an den Tag legt sollte vielleicht auch mal von einem Psychater bewertet werden, es wäre ja jetzt ein kuscheliger Platz in der Psychatrie frei.

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