Wie man schnell reich wird (oder arm)

Neulich kam jemand aus unserem Freundes- und Bekanntenkreis und meinte, ob ich Interesse an einem Zoom Call zum Thema „Money Mindset“ hätte. An dem Termin hatte ich aber schon was anderes vor, und bei den diversen Buzzwords die verwendet wurden gingen bei mir im Kopf sowieso die Alarmglocken an. Gestern gab es wieder so einen Call und ich habe mir das dann mal angesehen, der Call fand von 21 bis 22 Uhr statt. Im folgenden wrde ich meine Notizen mal aufarbeiten und ordnen.

Das Setup

Bei „Zoom-Meeting“ dachte ich eigentlich an eine Diskussion über irgendwelche Themen, doch weit gefehlt. Es gab einen Vortragenden und insgesamt um die 60 Teilnehmer. Nonstop-Sprecher war der Vortragende, und gelegentlich konnten die Zuhörer wohl irgendwie im Chat gezielte Fragen beantworten, also z.B. wie alt man ist und wie viel Geld man netto im Monat verdient. Alle diese Antworten sah wohl nur der Vortragende exklusiv, ich habe jedenfalls im Chat keine Antworten von anderen Teilnehmern gelesen. Mit den Fragen wird also die Illusion eines „Feedback-Kanals“ erzeugt, allerdings gibt es diesen faktisch wohl nicht. Am Ende entpuptt sich das ganze eher als einstündiges Werbevideo, welches dann mit den Worten „Ich habe um 10 Uhr gleich das nächste Meeting“ beendet wird, wohl auch um irgendwelche Rückfragen zu vermeiden.

Die Zielgruppe

Auf die Frage des Vortragenden kam dann heraus, dass der größte Teil der Teilnehmenden im Bereich 25-35 Jahre alt ist. Ich mit meinen 62 Jahren dürfte also den Altersdurchschnitt massiv nach oben gezogen haben. Was die Zielgruppe wohl auch an Gemeinsamkeiten hat ist der Wunsch, mehr Geld zu machen, denn manche sind wohl arbeitslos, andere haben finanzielle Nöte.

Der Vortragende

Er stellt sich als CEO von 3 Firmen vor, ohne genauer darauf einzugehen, welche Firmen das sind. Ich kann also die Glaubwürdigkeit seiner Aussagen nciht kontrollieren, aber CEO ist ja auch eine „nicht geschützte Berufsbezeichnung“, d.h. ich könnte durchaus jetzt eine Firma XYZ anmelden und mich selbst zu CEO ernennen, dann wäre ich auch ein CEO, was aber gar nichts über meine Qualifikation als Führungskraft aussagt.

Neoliberale Seifenoper

Was dann als nächstes in seiner Verkaufsveranstaltung folgt kann man wohl am besten unter „Fake facts“ verbuchen. Es geht los mit der steilen These, dass jemand mit weniger als 3500 Euro Netto im Monat „arm“ ist. Das erzeugt natürlich Ängste bei den Zuhörern, noch dazu gepaart mit der Aussage, dass wir ja eine Inflationsrate hätten die „offiziell bei 7-10 Prozent“ liegt. Ein schneller Faktencheck sagt mir jetzt aber, dass die Netto-Einkommensgrenze für Singles bei 781 Euro liegt um als „arm“ zu gelten (Quelle) und auch, dass die Inflationsrate im Monat Juni 2023 bei 6,4 Prozent lag (Quelle). Aber wie schon oben erwähnt, es gibt keinen funktionierenden Rückkanal in diesem Meeting um diese Aussagen zu hinterfragen.

Weiter geht es mit ein paar Vokabeln aus dem neoliberalen Wörterbuch, so ist einer der Glaubenssätze die hier den Zuhörern eingeimpft werden „Geld verdient man nicht, Geld sammelt man ein“. Und der Vortragende macht sofort die Verknüpfung zwischen Einkommen und dem „was bist Du wert“. Es folgen ein paar Binsenweisheiten wie die Aussage, dass unterschiedliche Einkommensströme vorteilhaft wären, also das was der Börsenmakler als „Diversivikation“ verkaufen würde. Und mit der Metapher des „Geld einsammelns“ verknüpft der Vortragende das Framing, dass dieses Geld einsammeln zum Spiel wird.

Komm endlich zum Punkt

Beim Elevator-Pitch wäre der Vortragende mittlerweile selbst beim höchsten Wolkenkratzer der Welt durchgefallen. Doch endlich schwenken wir auf die Zielgrade der Verkaufsveranstaltung ein, es geht wohl in Richtung „Crypto-Spekulation“, angeblich belegt mit einer Webseite der Deutschen Bank die das für die Währung der Zukunft hält. Und außerdem würden sehr viele große Firmen in Kryptowährungen investieren, die „Folie“ dazu ist allerdings nicht nachprüfbar. Neben Krypto-Coins soll auch in andere „Werte“ investiert werden, denn dann gilt „Dein Geld arbeitet für Dich“. Nach 62 Jahren auf diesem Planeten weiß ich, dass das absoluter Bullshit ist, das Geld arbeitet nicht, sondern immmer wenn das Geld „arbeitet“ heißt das, dass eine arme Sau sich abarbeitet um seine Schulden zu bedienen. Der Vortragende meint, man müsse für sein Geld nicht „hart“ arbeiten sondern „smart“ und blendet dabei aus, dass trotzdem jemand sich abrackert.

Als nächstes kommt dann noch die unbewiesene und nicht hinterfragbare Behauptung, man könne mit seinem Handy und Social Media jeden Monat 500 Euro mit Social Media verdienen und bräuchte dazu nicht mal einen Social Media Account oder Follower.

Was willst Du mir verkaufen

So langsam kristallisiert sich heraus, was hier angeboten wird. Eine tolle Online-Plattform welche den Abonnenten mit topaktuellen Finanztipps von „Experten“ versorgt, so dass diese ihren Reichtum mehre können. Natürlich wird nicht erklärt, womit sich diese „Experten“ als Experten qualifizieren, aber um die Wirksamkeit zu belegen wird ein Beispiel einer Crypto-Coin vorgestellt, die sich angeblich (kann ich eh nicht nachrprüfen) binnen weniger Monate im Wert vervielfacht hat. Und natürlich wird neben der üblichen Vokabel „Blockchain“ nun auch „Künstliche intelligenz“ eingestreut, da möchte man doch gleich „Bingo“ rufen und das Spiel beenden.

Am Ende läuft es wohl auf einen Informationsdienst hinaus, der der für nur schlappe 100 Dollar im Monat die tollsten Finanzinfos heraushaut. Natürlich folgt auf das oben erwähnte Beispiel des gigantischen Kursgewinns auch gleich der Disclaimer „Wenn mehr Menschen kapieren was in diesem Bereich möglich ist, werden die Anstiege nicht mehr so stark sein“. Also, wenn Du keine dicke Kohle mit den Finanztipps machst, dann liegt das nicht an den Tipps, sondern weil halt mehr Leute auf diesen Zug aufgesprungen sind.

Aber natürlich werden wie im Marketing üblich auch Wünsche geweckt indem man fragt „Wie würde sich Dein Leben verändern wenn Du 500 Euro mehr im Monat hättest?“. Gepaart natürlich mit Inflationsängsten und dem Framing, dass „Geld verdienen geht nur mit Arbeit“ was ist, was einem von den Eltern so eingetrichtert wurde und die spätpubertierende Zielgruppe weiß das natürlich dank des freundlichen Vortragenden jetzt alles viel besser.

MLM Schema?

Am Ende habe ich auch den Eindruck, dass es hier um eine „Multi-Level-Marketing“ System eht, auch als „Schneebalsystem“ bekannt, denn dann kam noch die Aufforderung, dass man mit Fragen sich doch an die Person wenden solle die einen in dieses Meeting eingeladen hat. Das hat für mich schon den Geschmack eines Schneeballsystems, Bernie Madoff wäre stolz auf diesen Trck.

Mein Fazit aus der Veranstaltung

Dieser „Zoom-Call“ hat für mich nur die Lautstärke der Alarmglocken im Kopf erhöht, denn vieles ist so offensichtlich Bullshit wenn man es sich nicht mit der Idee, man könne mal so ganz locker nebenbei die dicke Kohle machen anschaut. Auch dverse rethorische Kniffe wie „Spiegelneuronen bestimmen wie wir unser Leben leben, wenn wir uns mit Losern umgeben werden wir zum Loser, wenn wir uns mit Millionären und erfolgreichen Menschen umgeben werden wir erfolgreich“ können mich da nicht überzeugen, ich halte es da immer noch mit Konfuzius der sagte „If you are the smartest person in the room, then you are in the wrong room.“

Juristisch kann man gegen diese Masche wohl kaum etwas machen, denn natürlich sind die „Kunden“ alles erwachsene Menschen und es wird ja eine Leistung verkauft (auch wenn die mir sehr zweifelhaft erscheint). Ich kann hier nur hoffen, dass möglichst wenige auf diese Versprechen reinfallen und dann nach ein paar Monaten deutlich ärmer aufwachen. Denn ganz ehrlich, wenn ich tatsächlich wüsste wie man ohne viel Arbeit die dicke Kohle macht, würde mich mch dann bei der Affenhitze an den Rechner setzen um in einem Zoom-Call dieses Wissen zu teilen, wohl wissend dass meine Gewinne sinken werden, wenn mehr Menschen kapieren wie man so einfach Geld macht (siehe oben)?

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