Dienst nach Vorschrift

Ihr alle kennt diese Situation: Da hat man eh schon genug zu tun und dann kommt jemand und möchte etwas von einem. An dieser Stelle gibt es zwei Möglichkeiten. Die eine ist, dass man dieser Person eben schnell das Gewünschte erledigt, denn es ist ein netter Kollege oder Kunde und man ist ja flexibel. Dann gibt es da aber noch den Typ „Kotzbrocken“ der sich für oberwichtig hält und meint, alle Welt warte nur darauf, dass er etwas haben will. Natürlich hat auch dieser Typ ein Recht darauf bedient zu werden, aber in so einem Fall schaltet man eben gerne auf „Dienst nach Vorschrift“, also nix mit „kleiner Dienstweg“, sondern bitte ausführlich begründen, mit allem Papierkrieg und natürlich ist man ja gerade mit anderen wichtigen Dingen beschäftigt, es kann also ein wenig dauern.

Tja, und an dieser Stelle schwenken wir zu einem, der sich aktuell mit seinem Kindergarten-Gequengel überall beliebt macht. Ihr ahnt schon um wen es geht, es ist ein hoher Staatsmann aus einem befreundeten Nato-Staat. Dieser Staatsmann wurde von einem Satiriker in dessen Gedicht aufs Tiefste beleidigt und so etwas geht natürlich gar nicht. Also hat man eine einstweilige Verfügung beantragt, dass besagter Satiriker sein Gedicht nicht mehr rezitieren darf weil es ja eine ernste Beleidigung darstellt. Das ganze wurde vom OLG Hamburg behandelt und wie zu erwarten war wurde der Satiriker mit einer einstweiligen Verfügung bedacht. Das Gericht war allerdings sehr gründlich und hat nur bestimmte Passagen dieses Gedichtes als „ehrverletzend“ beanstandet, andere Passagen fallen nach Meinung des Gerichtes unter den Begriff der politischen Satire und ein Staatspräsident muss so etwas aushalten können, zumal es ja eine satirische Interpretation der Vorgänge in der Heimat dieses Politikers beschreibt.

Also, Erdogan (um den geht es hier) hat seinen Willen durchgesetzt und der arme Böhmermann hat eins auf die Mütze bekommen, eben in Form einer einstweiligen Verfügung. Das Sahnehäubchen in diesem Fall ist jedoch die absolut epische Pressemitteilung des OLG Hamburg zu dieser Sache. Natürlich hat man Herrn Böhmermann mit einer einstweiligen Verfügung bedacht, die ihm verbietet bestimmte Stellen seine Gedichtes weiter zu zitieren. Man beachte, dass sich diese einstweilige Verfügung explizit nur gegen den Herrn Böhmermann richtet, denn natürlich gibt es in Deutschland keine Sippenhaft, d.h. Böhmermann darf es nicht mehr zitieren, aber andere vielleicht schon. Also beispielsweise die Pressestelle des OLG Hamburg die diese Pressemitteilung mit einem Anhang garniert hat in dem die strittigen Stellen von Böhmermanns Gedicht eingerückt und rot hervorgehoben sind. Schließlich muss man ja wissen, was Satire ist und was Ehrverletzung.

Einer gewissen Barbara Streisand dürfte so etwas bekannt vorkommen und ich denke mal dass Herr Erdogan als Staatsmann durchaus mit dem Begriff des Pyrrhussieges vertraut ist. Udo Vetter der in seinem Law Blog auf diese Pressemitteilung hingewiesen hat vermutet allerdings, dass dieser Anhang wohl früher oder später weggeklagt werden wird oder von den Vorgesetzten der Pressesprecher entfernt werden wird. Aber wie heißt es so schön, „das Netz vergisst nichts“ und so werden sich viele Leute wohl schon eine lokale Kopie dieses Anhangs gesichert haben.

Ich grinse jedenfalls seit ich Udo Vetters Blogartikel gelesen habe und kann einfach nicht aufhören zu grinsen. Das ist einfach nur grandios, wie man die Nervensäge Erdogan hier hat auflaufen lassen.

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Ein Gedanke zu „Dienst nach Vorschrift

  1. Das war deutlich mehr als DnV. Denn dann hätte es sich das Gericht leicht machen können: EV und fertig. Stattdessen hat es demonstriert, wie elegant es den Drahtseiltanz beherrscht. Chapeau!

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