RIP Natemon

Andreas Mandalka aka Natemon ist tot. Wir kannten uns nicht, ich habe lediglich immer wieder seine Beiträge auf den sozialen Medien gesehen, wo er Gefahrensituationen im Straßenverkehr angeprangert hat, Anzeigen gegen Gefährder gemacht hat eigentlch wohl gar nichts wollte als scher mit dem Fahrrad von A nach B zu kommen. Am Dienstagabend wurde er auf „seiner Strecke“ von einem 77-jährigen Autofahrer gerammt und verstarb noch am Unfallort. Andreas wurde nur 43 Jahre alt. Seit Tod treibt seitdem die sozialen Medien um und auch ich hatte eine mehr oder weniger schlaflose Nacht und muss nun einfach ein paar Gedanken niederschreiben.

Ich möchte gar keine Spekulationen zum Unfallhergang machen, das ist der Job der Sachverständingen die sich nun professionell damit auseinandersetzen müssen. Das Bild des Unfallautos vermittelt allerdings den Eindruck, als wäre er mit hoher Geschwindigkeit von hinten gerammt worden. Und Andreas war auch nicht der einzige Radfahrer, der an diesem Dienstag zu Tode gekommen ist, es kursieren Berichte eines weiteren tödlichen Unfalls, nur war das Opfer hier halt nicht so bekannt und aktiv um Sicherheit im Straßenverkehr bemüht. Also quasi wieder nur eine anonyme Nummer in der Unfallstatistik die man so lange mit einem Schulterzucken liest, bis man irgendwann feststellt, dass man das Opfer kannte.

Das grundlegende Problem wird jedoch ebenso mit einem Schulterzucken abgetan, so als wäre es vollkommen normal, dass jedes Jahr etwa 2750 Menschen im Straßenverkehr sterben. Und noch viel mehr verletzt werden. Und die seit Jahren rückläufigen Unfallzahlen könnten auch etwas damit zu tun haben, dass unsere Autos immer mehr zum Straßenpanzer mutieren und dank Gurt und vielfacher Airbags die Unfallfolgen für die Insassen gemildert werden. Radfahrer und Fußgänger haben jedoch eine ähnlcih geartetete Entwicklung durchgemacht, sie dürften daher immer stärker von den Unfallfolgen betroffen sein.

Ein weiteres Problem ist, dass wir eine stark autozentrierte Gesellschaft sind. Katja Diehl hat das Buch „Autokorrektur – Mobilität für eine Lebenswerte Welt“ geschrieben, wo sie genau diese Mißstände anprangert. Wer es noch nicht gelesen hat, der möge das bitte tun, denn es zeigt unsere Verkehrssituation aus einer differenzierten Perspektive. So war einer der „Takeaways“ aus dem Buch für mich die Tatsache, dass viele Autofahrten auch passieren, weil andere Mobilitätsoptionen zu unsicher scheinen, keine Frau mag abends in einer versifften S-Bahn-Station auf ihren Zug warten usw. Zudem ist der ÖPNV auf dem Land qausi nicht vorhanden, wer also mobil sein will braucht wohl ein Auto. Das führt dann auch dazu, dass Senioren im hohen Alter weiterhin Auto fahren, ich denke da mit Schrecken an einen Nachbarn hier, der halb blind war, aber sozusagen bis kurz vor seinem Tod mit seinem alten Mercedes unterwegs war. Ein Auto das viele Schrammen hatte, denn beim Einparken in die Garage ging das am Ende nur noch nach Gehör.

Was ich aber auch feststellen muss, ist dass die Anzahl der verantwortungslosen Autofahrer immer mehr wird. Ich gebe zu, das könnte natürlich dem Umstand geschuldet sien, dass ich demnächst 63 Jahre alt werde und beim Fahren nun nicht mehr von einem Testosteron-Überschuss getriggert werde sondern eigentlich nur versuche, entspannt und unter Einhaltung der jeweils gültigen Tempolimits an mein Ziel zu kommen. Seit einiger Zeit habe ich eine Dashcam im Auto, und die sammelt fleißig gefährliche Situationen wie Leute die rote Ampeln bewusst mißachten, mit zuwenig Abstand über die Autobahn heizen, Vorfahrtsverstöße usw. Die Speicherkarte müsste mittlerweile ein schönes Archiv haben, aber was mache ich damit? Natürlich könnte ich es an die üblichen YouTube-Kanaäle wie Dashcam Drivers Germany oder RLP Dashcam schicken, welche jede Woche 2-3 Videos veröffentlichen mit den bescheuertsten Fahrmanövern. Oder ich könnte versuchen, gravierende Verstöße zur Anzeige zu bringen, doch die Erfahrung sagt, dass solche Anzeigen in unserem Land versanden. Denn solange nichts passiert ist ja nichts passiert und es gibt damit kaum öffentliches Interesse um solche Verstöße zu ahnden, eine Erfahrung von denen auch auf den Dashcam-Kanälen immer wieder berichtet wird.

Und damit sind wir eigentlich an dem Punkt, der mich sehr zornig macht. Wir haben uns mit der StVO ein Regelwerk gegeben, sind jedoch kaum gewillt die Einhaltung dieser Regeln einzufordern. Klar, es gibt die vereinzelten Rotlicht-Blitzer oder Radarfallen, aber die sind oft bekannt. Außer der Blitzer ist neu, so wie in Kirchseon in Oberbayern, die nun eine Radarfalle in ihrer Ortsdurchfahrt haben. Und in den ersten 12 Tagen seit das Ding da steht wurden mehr als 3000 Tempoüberschreitungen registriert, der traurige Rekord liegt bei 140 km/h innerorts.

Aber wer als Fahrradfahrer oder auch Autofahrer im täglichen Krieg auf der Straße bedrängt wird hat auch schlechte Karten wenn er mit Videoaufnahmen den Verstoß dokumentieren kann. Und wer nur eine Autonummer des Gefährders hat braucht gar nicht erst eine Anzeige aufgeben, denn eine Autonummer ist ja nicht gleichbedeutend mit dem Namen eines Fahrers, Autonummern können wir also nur nutzen um den Halter des Fahrzeugs bei Parkverstößen zu sanktionieren, nicht aber bei Verkehrsgefährdungen. Das musste ich lernen als ich mal einen Drängler anzeigen wollte, der mir damals mit 2m Abstand bei 120 km/h (was das dort gültige Tempolimit war) aufgefahren ist und ich mit der Nummer zur Polizei ging. „Kann man nix machen, wir wissen ja nicht wer der Fahrer war.“

Bullshit! Wenn ich tatsächlich was unternehmen wollen würde, dann wäre durchaus denkbar, dass ich Fahrzeughaltern, deren Autos immer wieder durch unangepassten Fahrstil auffallen dann nach dem dritten Verstoß einfach die Pflicht ein Fahrtenbuch zu führen auferlege. Dann ist beim nächsten solchen Verstoß auch der Fahrer ermittelbar. Und ja, wir brauchen wohl mehrere unabhängige Anzeigen, sonst düfte bald jeder, dessen Visage mir nicht passt mit fadenscheinigen Anzeigen zum Anlegen eines Fahrtenbuchs gezwungen werden. Traurig aber leider erwartbar in unserer Ellenbogengesellschaft.

Und natürlich brauchen wir eine Abkehr von diesem täglichen Krieg auf unseren Straßen. Denn es ist Krieg, einiige wenige Agressoren gefährden viele und in Summe sind alle gestresst. Daher mein dringender Appell an alle die am Straßenverkehr teilnehmen, bleibt entspannt und defensiv. Nehmt Rücksicht aufeinander, denn eigentlich wollen wir alle nur sicher an unser Ziel kommen. Und ja, Fehler passieren, nobody is perfect, aber solange alle vorsichtig sind haben Fehler oft keine schlimmen Folgen.

Und an die Adressse der Verkehrsplaner gerichtet muss die Infrastruktur so ausgelegt sein, dass wir die Berührpunte von Straßenpanzern und ungeschützen anderen Verkehrsteilnehmern minimieren, also z.B. abgetrennte ordentliche Radwege entlang von Landstraßen und auch sichere Fahrradwege in unseren Städten.

Und natürlich sind auch die Autofahrer aufgefordert, Rücksicht zu nehmen und andere Verkehrsteilnehmer als gleichberechtigt anzusehen. Wenn ich in den Dashcam-Folgen die Erlebnisse des „unsichtbaren Christian“ sehe, der mit dem Fahrrad in Ostfriesland unterwegs ist und immer wieder von Autofahrern im Kreuzungsbereich geschnitten wird, dann fürchte ich ist es auch nur eine Frage der Zeit, bis er mal von einem dieser Autofahrer tatsächlich vom Fahrrad gefahren wird. Daher liebe Autofahrer, wenn ihr 1,5 Tonnen Stahl oder mehr braucht um Euch zu bewegen, dann seid euch eurer Verantwortung bewusst.

Und für die Radfahrer und Fußgänger möchte ich eine bessere Verkehrsinfrastrukur einfordern und nicht solche Schlagzeilen wie „Verkehrssenatorin stoppt vorerst Radwegeausbau in Berlin“ lesen müssen. Oft lese ich auf Mastodon die Bereichte von Kristian Köhntopp über die Fahrradinfrastruktur in Holland und werde richtig neidisch. Denn es zeigt deutlich, was machbar wäre, wenn der politische Wille dazu existiert. Ok, man mag anmerken, dass Holland keine große eigene Autoindustrie hat während hier in Deutschland ja eine Menge der großen Autobauer angesiedelt sind.

Und natürlich müssen wir diese Probleme auch in einer Weise angehen, in der es dann kein „wir“ gegen „die“ gibt, sondern das kann nur gemeinsam auf Augenhöhe aller Beteiligten gelöst werden. Die Niederlande zeigen was möglich wäre, als möge die Politik sich inspirieren lassen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert