Der AI-Goldrausch

Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts1 und nach der ersten industriellen Revolution durch die Erfindung der Dampfmaschine befinden wir uns mittlerweile bei der vierten industriellen Revolution2 angelangt, also ist es mal Zeit sich Gedanken zu machen. Im folgenden will ich meine Gedanken dazu skizzieren, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und womöglich liege ich mit diversen Einschätzungen auch weit daneben.

Den Anstoß darüber nachzudenken gab eine Diskussion im sozialen Medium in der die Sorge der Kreativen vor den von Künstlicher Intelligenz getriebenen Content-Generatoren zu entnehmen war. Dort stand dann folgendes zu lesen:

„There is no ethical way to use the major AI image generators. All of them are trained on stolen images, and all of them are built for the purposte of deskilling, disempowering and replacing real human artists.“

Das sind harte Vorwürfe die eine tiefsitzende Angst vor der Veränderung der Arbeitswelt bei Künstlern offenbaren. Wie haben wir es nun geschafft, an diesem Punkt der Diskussion zu landen?

Geschichtlicher Rückblick

In unseren bisher gezählten vier industriellen Revolutionen war das Neue immer ein disruptiver Faktor der massiven Einfluss auf die Arbeitswelt hatte. Mit der Dampfmaschine wurde die menschliche Arbeitskraft ersetzt, mit der Erfindung des Autos wurde der Beruf des Hufschmieds irgendwann bis auf kleine Nischen obsolet. Auch die Elektrifizierung führte zu interessanten Konstellationen, so fuhren in den 1970er Jahren in England noch Heizer auf der E-Lok3 mit, deren Gewerkschaft so gegen den Jobverlust ankämpfte.

Dann begann das Zeitalter der Computer. Ich bin alt genug um das miterlebt zu haben. Statt ein paar „Großrechnern“ in Rechenzentren wurde Ende der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts ein „Personal Electronic Transactor“ vorgestellt. Für knapp 2000 Mark konnte man einen Computer daheim haben. Es folgten Geräte wie der VC-20 und Commodore 64, Amiga, Atari ST und natürlich auch Apple II und viel andere Heimcomputer. Alle hatten das Problem, dass sie untereinander kaum kompatibel waren, bestenfalls auf Sourcecode-Ebene in der damals üblichen Programmiersprache BASIC4.

Im August 1981 stellte IBM dann den IBM-PC vor, ein Computer mit der Zielgruppe „Büro“ der von Microsoft mit einem Betriebssystem versorgt wurde und eine „offene Hardware-Plattform“ darstellte. Damit ging eine rasante Entwicklung von untereinander kompatiblen Systemen los, die immer mehr Speicher (im Vergleich zu den Heimcomputern) bekamen und auch Festplatten statt „Datasette“ oder Floppy-Laufwerk hatten. Im Jahr 1985 wurde dann die CD-ROM vorgestellt, ein Massenspeicher mit 650 MByte (was viel mehr war als damalige Festplatten an Kapazität hatten). Nun war es möglich, dass man Nachschlagewerke wie z.B. das Bertelsmann-Lexikon auf CD presste und statt in einem Buch den gesuchten Begriff am PC nachschlug.

Diese Technologie reflektierte Bill Gates dann auch zur Eröffnung der Comdex 1990 mit dem bekannten „Information at your fingertips“-Zitat5, endlich war es möglich, auf gesammeltes Wissen zuzugreifen. Natürlich war dieses Wissen statisch, um Fehler zu beheben und neue Erkenntnisse einfließen zu lassen musste man jeweils eine neue CD-ROM erstellen.

Parallel dazu kam aber auch die Versorgung mit Informationen über das „Netz“. In Deutschland ging das im Jahr 1983 als Bildschirmtext6 los. Es war in etwa vergleichbar mit dem Teletext den man vom TV her kannte und die Seiten lagen auf Großrechnern des Betreibers. Es gab eine rudimentäre Suchfunktion die dann zu der Kuriosität führte, dass viele Firmen sich in „AAAA whatever“ umbenannten um in der Ergebnisliste an erster Stelle zu stehen, sozusagen die Urväter des SEO7. Und gab andere kostenpflichtige Online-Dienste wie CompuServe und America Online (AOL) die beide ihre eigenen relativ isolierten Inhalte und Diskussionsforen anboten. Und langsam gab es auch Internet über Provider, die einem den Zugang zum großen Netz gewährten, man konnte auf FTP-Server zugreifen und mit Gopher nach Dokumenten suchen.

Und dann erfand Tim Berners-Lee zwischen 1989 und 1990 den Hypertext und damit die Grundlage für das World Wide Web.8 Nun konnte man verschiedene Informationen mit Hyperlinks untereinander verbinden, also quasi Qerverweise und Referenzen machen. In den Kindertagen des WWW gab es (teilweise sogar ausgedruckte) Kataloge, wo man was finden kann. Doch die Geschwindigkeit mit der das WWW wuchs war viel zu hoch, niemand kam mehr hinterher diese Kataloge halbwegs aktuell zu halten.

Das führte zu den ersten Suchmaschinen, Yahoo und auch Altavista waren damals die Platzhirsche am Suchmaschinenmarkt. Gleichzeitig begann die Kommerzialisierung des Webs, immer mehr Firmen erkannten, dass man hier eine Werbeplattform hat und sogar Dinge über das Netz verkaufen kann. Statt dem Versandhauskatalog gab es die ersten Webshops. Und die Datenmenge im Netz wuchs exponentiell, was dann zur Weiterentwicklung bei der Optimierung für Suchmaschinen führte, denn schließlich wollte jeder möglichst weit oben in der Trefferliste landen.

Mit der Erfindung des Smartphones in Form des ersten iPhones9 im Jahr 2007 bekamen wir einen kleinen mobilen Computer, der sich ebenfalls rasant weiterentwickelte. Heute im Jahr 2024 hat fast jeder ein Gerät in der Hosentasche, das mehr Rechenleistung hat als die „Großrechner“ die ich während meines Studiums zur Verfügung hatte. Wir haben ein Gerät, das uns den Zugang zum Wissen dieser Welt bietet, aber wir nutzen es um uns gegenseitig Katzenbilder zu schicken, was daran liegen könnte, dass wir mit der Kommerzialisierung des Internets immer mehr zu Konsumenten mutiert sind. Während die ersten PCs noch von ihren Nutzern programmiert werden konnten nutzen wir nun die Applikationen die es für die jeweilige Plattform gibt. Außer für die Nerds existiert somit kaum noch Bedarf an Wissensaufbau, wir konsumieren Content und verschwenden Zeit auf kostenlosen Plattformen wie Facebook und Co.

Diese Digitalisierungs-Geschichte führte natürlich auch zu gravierenden Veränderungen im Arbeitsmarkt. Kollege Computer könnte dafür sorgen, dass in Deutschland 11,3 Millionen10 wegfallen, weltweit sind es nach Studien von Goldmann Sachs wohl bis zu 300 Millionen Vollzeitarbeitsplätze11 sein. Und während bisher im Zuge der Digitalisierung eher konventionelle Arbeiten automatisiert wurden, beispielsweise die Schweißer in der Automobilfertigung durch Roboter ersetzt wurden führt die Künstliche Intelligenz eben dazu, dass nun auch Berufe die bisher den „White Collar“ Arbeitern vorbehalten waren nun ebenfalls zur Disposition stehen12, was letztich bedeutet, dass am Ende wohl jeder Job in Gefahr ist. Auch Pflegeberufe, die wir angesichts des demographischen Wandels dringend brauchen könnten wie in Japan durch Roboter ersetzt werden13.

Regelt der Markt?

Nun im Jahr 2024 heißt das Zauberwort das überall Goldgräberstimmung auslöst „Artificial Intelligence“, also Künstliche Intelligenz. Wobei diese Systeme nicht wriklich intelligent sind sondern riesige statistische Maschinen die trainiert wurden und uns die Illusion von Intelligenz geben, weil wir mittlerweile umgangssprachlich mit ihnen interagieren können. Aktuelle KI-Systeme würden also problemlos den Turing-Test14 bestehen, da sie uns dien Eindruck vermitteln, wir würden mit einem echten Menschen kommunizieren.

So haben wir seit geraumer Zeit Sprachassitenten wie Alexa, Siri oder auch den Google Assistant, die auf Zuruf aktiv werden und unsere Fragen beantworten. Eine Technologie, die wir vor 25 Jahren noch für Science Fiction gehalten hätten.

Vor kurzem habe ich „The essential Drucker“15 von Peter F. Drucker gelesen und der Author hatte ein sehr interessantes Zitat, von dem ich aber leider nicht weiß, wann in seinem Leben er das gesagt hat: „There is only one valid definition of business purpose: to create a customer.“ Nun haben Amazon, Apple und Google sicher eine große Menge „Kunden“ für ihre Assistenten. Doch wir leben im Kapitalismus und „there is no such thing as a free lunch“ 16, das heißt, dass die Betreiberfirmen irgendwie einen RoI (Return of Investment) haben wollen. Wenn Du also z.B. Facebook „gratis“ nutzt, dann bist Du nicht der Kunde sondern das Produkt und zahlst mit Deinen Daten.

Nun ist es aber so, dass der RoI bei den digitalen Sprachassistenten für die Betreiber nicht existiert, das ist ein fürchterliches Draufzahlgeschäft17. So hätte Amazon gerne, dass die Nutzer „Alexa, bestell bitte…“ sagen, doch in der Realtität heißt es eher „Alexa, erzähle mir einen Witz.“ Doch mit einer Witzeerzählmaschine generiert Amazon keinen Cash-Flow.

Ähnlich verheerend sieht es bei anderen Betreibern von AI-Infrastruktur aus. Jrügen Greuter hat dazu einen sehr lesenswerten Artikel18 und schreibt: „OpenAI verbrennt eine Million Dollar am Tag nur für Strom. Laut Schätzungen kostet OpenAI ein Prompt bei ChatGPT, also eine Eingabe, 34 Cent.“

Gier nach Daten

Damit sind wir jetzt wieder am Ausgangspunkt angelangt. KI lebt davon, dass sie „tainiert“ wird, also mit Daten gefülttert wird. Nun haben die aktuellen KI-Systeme wie ChatGPT im Prinzip schon das Internet abgegrast, ähnlich wie eine Suchmaschine ihre Indexe erstellt, nur dass hier eben mit den Daten ein KI-System trainiert wird. Wobei wir jetzt beim ersten Vorwurf aus dem Social Network, das dieses Abgreifen von Daten als Diebstahl bezeichnet.

An der Stelle betreten wir die schöne neue Welt des „Intellectual Property“. Was wir übers Internet bekommen können sind Daten, also Texte, Bilder, Musik usw. Bei einem klassischen Diebstahl ist es aber nun so, dass das gestohlene Objekt danach sozusagen den Besitzer wechselt. Wenn jemand also ein Auto klaut, dann hat der bisherige Autobesitzer kein Auto mehr, denn das hat ja jetzt der Dieb. Beim vorgeworfenen Datendiebstalhl wird aber ja nur eine Kopie der Bits und Bytes erstellt, die Daten sind aber an der Quelle wo sie abgezapft wurden weiter vorhanden (wir klammern mal die Ransomware-Brothers aus die Daten raustragen und dann vernichten um Lösegeld zu erpressen). Klar ist es nicht ok, wenn ich z.B. das eBook von XYZ kopiere ind meine Kopien verkaufe um Profit zu machen. Wir kennen alle aus der Vergangenheit die Abmahnwellen gegen die sogenannten „Raubkopierer“.

Nun muss ich aber trotzdem die eher philosophische Frage stellen, ob das Abgreifen von Daten zum Trainieren einer KI tatsächlich als Diebstahl angesehen werden kann. Wenn Google meine Seite anschaut damit sie in der Suche erscheint, dann jammere ich ja im allgemeinen auch nicht. Und würde es mich stören, dann könnte ich über die „robots.txt“19 das unterbinden. Das ist natürlich nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss, denn um bestimmte Bots gezeilt auszuschließen muss ich wissen, wer da Daten sammelt. Wenn also BotXYZ neu ist und der nicht in meiner „robots.txt“ als gesperrter Bot drin steht kann dieser munter meine Seite lesen. Oder er ignoriert schlicht, was in „robots.txt“ steht, denn das ist eigentlich nur eine Liste die sagt „Indiziere bitte nicht die folgendne Verzeichnisse“.

Unabhängig davon stelle ich aber wieder die Frage, ob und warum sich das Trainieren einer KI von einem Betrachten einer Seite unterscheidet. Wir haben hier eine Maschine die letztlich bestimmte Patterns erkennen soll um damit was neues zu generieren. Wenn ich als Mensch einen Inhalt generiere, dann passiert das ja auch nicht im luftleeren Raum. Ein Maler ist vielleicht durch Vincent van Gogh inspiriert worden und mal ähnliche Bilder, ein Musiker hat auch seine Idole die ihn beeinflussen. Sprich, jeder kreative Prozess basiert auf Gelerntem aus der Vergangenheit (antrainiertes Wissen) und dieser Lernprozess muss nicht unbedingt vergütet worden sein. So kann man sich mal überlegen, wer denn das Telefon „erfunden“ hat und während mir spontant die Namen „Philip Reis“ und „Alexander Graham Bell“ einfallen hat der Wikipedia-Artikel20 dazu 13 Namen in seiner Liste, d.h. ich hatte 11 davon gar nicht „auf dem Schirm“. Ist es also Diebstahl, wenn ich lerne und mich von Vorbildern inspirieren lasse? Oder wird es zum Diebstahl, wenn ich mein Wissen nutze um meinem Vorbild Konkurrenz zu machen?

Auf der anderen Seite könnte dieser Vorwurf aber auch damit zusammenhängen, dass es mittlerweile viele Abkommen zwischen KI Anbietern und Content-Anbietern gibt. Unlängst haben Tumblr und WordPress ein Abkommen geschlossen, um ihre Nutzerdaten an OpenAI zu verkaufen21. Tumblr hat viele Fotos, WordPress.com viele Blogs. Und beide Plattformen erschienenfür die User attraktiv, da man dort seine Inhalte gratis hosten konnte. Womit wir wieder bei der Erkenntnis angekommen sind dass in dem Fall Du nicht der Kunde bist sondern das Produkt. Und natürlich können sich die Juristen nun streiten, ob das zulässig ist, denn auch User Generated Content (UGC) steht unter dem Schutz von Copyright-Bestimmungen. Die Frage ist hier dann eben, welche Rechte der Nutzer der Plattform gegeben hat als er dem Nutzungsvertrag zustimmte.

Dass AI-Scraper nun aber auch auf UGC zuzgreifen müssen zeigt allerdings auch, dass alle offenen Quellen mittlerweile schon abgeerntet wurden. Natürlich gibt es auch andere Quellen, die noch erschlossen werden. So wurde Ende 2023 ein Deal zwischen openAI und dem Axel Springer Verlag bekannt22, bei dem openAI nun auf alle Inhalte des Verlages zugreifen kann. Das ist jetzt nicht unbedingt eine erfreulche Nachricht, denn die Zeitungen des Verlages sind nun nicht unbedingt das, was man als ausgewogenen Jorunalismus bezeichnen möchte. Ganz im Gegenteil, gerade BILD hat den Ruf eines fürchterlichen Hetzblattes. Und es gibt unzählige Beispiele23 dass „biased trainging data“ zu einer biased AI führt. Wenn ich also meine AI mit rassistischen und ausländerfeindlichen Trainingsdaten füttere, dann wird das System am Ende auch rassistisch und ausländerfeindlich sein.

Ein weiteres Problem des ungezügelten Datenhunges ist, dass mittlerweile das Internet auch schon jede Menge AI generated Content enthält, also Seiten die bereits von einem AI System erzeugt wurden. Wenn man nun diese wieder in ein AI-System füttert, dann führt das am Ende zum „Model collapse“24, also einer deutlichen Verschlechterung der Ergebnisse. Man könnte es auch „KI-Inzest“ nennen.

Wirtschaftliche Auswirkungen

Der nächste Vorwurf der gemacht wurde ist, das KI nur den Zweck verfolgt menschliche Künstler herabzustufen, zu entmachten und letztlich zu erstetzen. Hier spricht sehr deutlcih die Existenzangst, denn bisher war man als Kreativer ja durchaus der Meinung, dass man keine Angst davor haben muss, dass man durch eine Maschine ersetzt wird. Und jetzt gibt es diese Content-Generatoren die Dinge produzieren bei denen ein Mensch dann nicht mehr sicher sagen kann, ob der Ersteller ein Mensch oder eine KI war. Und eine KI skaliert wesentlich besser als ein Mensch, so ein Bilder-Generator haut die Bilder in einer Frequenz raus, da kann kein Mensch mithalten. Das ist aber leider auch eine Nebenwirkung des kapitalistischen Mantras, alles als „Industrie“ anzusehen. Wenn ich also Musik als Musikindustrie verstehe, dann ist es unvermeidbar, dass irgendwann die Musik nicht mehr von Menschen gemacht wird, sondern der Prozess des Komponierens automatisiert wird.

Auf der anderen Seite muss ich wieder Peter F. Drucker rauskramen mit seiner Erkenntnis, dass es der Grundzweck jedes Unternehmens ist einen Kunden zu gewinnen. Und aus meiner bescheidenen Sichtweise bevorzuge ich beispielsweise immer noch die Musik von Menschen, AI generierte Musik ist für mich nicht interessant. Die Frage ist daher doch, ob es tatsächlich einen „Markt“ für AI-generierten Content gibt und wie groß der ist.

Auf der anderen Seite sehe ich mich auch als „kreativen Menschen“ und habe als solcher keine Angst vor anderen Leuten die auch kreativ sind. Solange mein Kopf ständig neue kreatvie Ideen hat kann ich mit denen immer irgenwas machen. Aber auf der anderen Seite gibt es natürlich die One Hit Wonder25, Künstler die einmal wie eine Sternschnuppe strahlten und einen Hit landeten um danach wieder in der Versenkung zu verschwinden. Da kann ich es verstehen, das sie aus diesem einen Erfolg natürlich gerne ein Leben lang zehren möchten. Klar, dass die Angst haben wenn plötzlich der Markt mit neuem Stoff geflutet wird der sie in Vergessenheit bringt.

Ein „Markt“ für KI-Systeme scheint mir NFT26 zu sein, diese sogenannten digitalen Sammlerstücke die dann zu (aus meiner Sicht) bescheuert hohen Preisen gehandelt oder getauscht werden. Einmal Googeln reicht um Ai-Basierte NFT-Generatoren27 zu finden mit dem ich solche NFTs erzeugen kann. Das alles erinnert mich irgendwie an die Tulpenblase28 zwischen 1630 und 1637 als die Preise für Tulpen stark stiegen bis dann diese Blase 1637 platzte.

Mittlerweile habe ich auch den Eindruck, dass der ganze KI-Hype auch nur eine Blase ist, allerdings eine Blase die massiven Einfluss auf unser Leben hat und die wir regulieren müssen, sollten wir nach dem Platzen dieser Blase nicht belämmert da stehen wollen.

KI ist auch die neue Vokabel für das bekannte Bullshit-Bingo. Vor 2-3 Jahren hatte noch „Blockchain“ diese Rolle, heute muss jedes Produkt irgendwo etwas mit KI zu tun haben. Sogar ein schnöder Audio-Codec29 erhält nun künstliche Intelligenz zur Klangverbesserung enthalten. Ah ja, eigentlich erwarte ich von einem Codec, dass er die Signale so in Daten verwandelt, dass der Decoder am Ende darus wieder die möglichst gleichen Signale erzeugt. Wie soll ich jetzt das Machine Learning verstehen, heißt das, dass ich der Klang eines Musikstücks über die Zeit ändert, weil der Codec dank KI ja lernt? Sorry, das ist für mich einfach nur Bullshit.

KI ist nun überall anzutreffen. Während ich diesen Blogartikel schreibe sehe ich rechts oben das Symbol von Jetpack, das mir einen AI-Assitenen anbietet mit der Botschaft „Untersuche deinen Beitrag vor dem Veröffentlichen auf Fehler und überprüfe den Tonfall.“, hier darf ich bis zu 20 kostenlose Anfragen stellen, aber dann will die AI Einnahmen generieren. Also fürs Spell-Checking kann ich mich auf meine Frau verlassen, die mich regelmäßig auf Tippfehler in meinen Blogposts hinweist und der sarkastische Tonfall den ich manchmal habe ist kein Bug sondern ein Feature.

Auch in der Arbeit als Software-Entwickler überschlagen sich alle Firmen, mir Assistenten mit künstlicher Intelligenz zur Seite stellen zu wollen. Egal ob GitHub30 oder Visual Studio Code31, alle wollen nur mein Bestes, nämlich am Ende mein Geld oder das meines Arbeitgebers. Und ja, so schön die Demos aussehen und so verlockend es erscheint, dass die AI für mich mal schnell ein wenig programmiert, ich bevorzuge doch, meine Bugs selber in die Programme einzubauen, denn zumindest weiß ich dann immer, was ich mir dabei gedacht habe. Wenn die KI irgendwas halluziniert, dann könnte es viel Mühe machen fehlerhaften KI-generierten Code zu debuggen.

Ein weiteres, bislang auch kaum beachtetes Problem bei KI ist, was tut man, wenn die KI fehlerhafte Resultate liefert. Fefe hat sich mal darüber Gedanken gemacht, ob eine KI wenn sie „altert“ auch was vergessen kann32. Für mich stellt sich auch die Frage, ob eine KI die ständig mit neuen Informationen gefüttert wird auch in der Lage ist, falsche Informationen aufgrund der neuen „Erkenntnislage“ zu verwerfen? So gab es im 18. Jahrhundert mal die Idee, dass bei der Verbrennung „Phlogiston“ aus den Körpern entweicht33. Diese Theorie ist längst verworfen, wenn sie aber in den Trainingsdaten einer KI ist, was würde passieren. Was, wenn die KI dank Axel Springer Coaching nun rassistisch hetzerische Tendenzen bekommt? So einfach ist diesem Problem wohl nicht beizukommen, wie Microsoft jetzt gerade feststellen muss34.

Verblöden wir dank KI?

Die nächste große Frage ist, welche Auswirkungen die KI auf unsere Gesellschaft hat. Werden wir degenerieren, da wir ja jetzt diese tollen Möglichkeiten haben, dass die KI für uns Dinge tut. Ich habe hier gerade diese Karikatur einer Mail vor mir, wo der Absender zu seienr KI sagt: „Nimm diese 3 Stichpunkte und ereuge daraus eine Mail mit langen Absätzen pro Stichpunkt, so dass es aussieht als hätte ich mir Gedanken gemacht“ und der Empfänger der Mail sagt zu seine KI „Nimm diese Mail und fasse sie in drei Stichpunkten zusammen damit es aussieht, als hätte ich die Mail gelesen“.

„TL;DR“ – „too long; didn’t read“ steht sehr repräsentativ für eines der Probleme unserer Zeit, viele Dinge (so auch dieser Blogartikel, sorry) sind so lang, dass wir sie gar nicht lesen und wir gerne eine Zusammenfassung haben. Für Betroffene gibt es ja beispielsweise den Service Blinkist35 welcher Bücher und Podcasts in kurze Zusammenfassungen gießt. Ein guter Service wenn man sich einen Überblick verschaffen will, aber er macht uns eben bequemer.

Vor 55 Jahren hat die Menschheit den Mond mit einer Technologie erreicht, die aus dem heutigen Blickwinkel als „Steinzeit“ erscheint. Doch heute sind wir weit davon entfernt, wieder fähig zu sein, Menschen zum Mond zu schicken. Das könnte unter anderem auch daran liegen, dass wir zu bequem geworden sind, zu viele Dinge automatisiert haben die wir nun nicht mehr verstehen. Wer kennt es nicht, dieses Problem in einem Programm das der Werkstudent mit heißer Nadel gestrictk hat und das man jetzt nicht mehr beheben kann, denn „the knowledge has left the company“. Hier muss aber glaube ich jeder selbst entscheiden, was er tun will. Also als Metapher, den beqemen Aufzug zu nutzen oder die unbequemen Treppen zu steigen, die mich aber langfristig fit halten.

Mein derzeitiges Fazit

Nach all diesen Geanken sehe ich sehr wohl die Notwendigkeit, dass wir als Politik und Gesellschaft uns Gedanken machen wie wir mit KI und ihren Folgen umgehen wollen. Und das muss eigentlich global passieren, denn wenn das nur bestimmte Länder tun, ja dann wird die Drecksarbeit eben woanders hin verlagert wo nicht reguliert wird, wir kennen diese Vorgehensweise ja zu genüge.

Und es bleibt abzuwarten, ob KI letztlich an den Juristen scheitert, welche die KI-Firmen mit Copyright-Klagen überziehen.

Ein anderes Problemfeld sind die von der KI generierten Deep-Fake Bilder, Audios und Videos. Können wir unseren Augen und Ohren noch trauen? Das Zentrum für politische Schönheit hat unlängst ein Deep Fake von Olaf Scholz erzeugt, in dem er sich für ein AfD-Verbot stark macht36. Die Bundesregierung hat daraufhin gerichtlich die Verbreitung des Videos untersagt. Gleichzeitig höre ich im Autoradio öfter mal Werbespots in denen ein Fake Olaf Scholz für Axel Springer wirbt und erst am Ende gesagt wird, dass das nicht der echte Bundeskanzler war.

Ein weiteres mögliches, wenn auch unwahrscheinliches Szenario wäre, dass die Blase irgendwan platzt oder implodiert. Eine der großen Herausforerungen an die KI ist ja beispielsweise das autonome Fahren, das offensichtlich längst nicht so weit ist, wie man es gerne hätte37. Gerade hier können durch fehlerhafte Systeme Menschen schweren Schaden erleiden, wie gehen wir mit den Risiken und Folgen um.

Ich für meinen Teil werde erst mal weiter mein Gehirn anstrengen und beobachten, welche Blüten dieser AI-Hype noch so alles hervorbringt. Bis dahin bin ich froh, das mein Geist noch fit ist und erfreue mich an von Menschen geschriebenen Büchern und an von Menschen gemachter Musik.

Fußnoten und Links

  1. Zitat aus einem Artikel des Economist in 2017, siehe auch diese deutsche Erklärung bei Kobold.AI ↩︎
  2. Die industrielle Revolution kennt kein Halten (Artikel bei SWR.de) ↩︎
  3. Interessantes PDF-Dokumment von Heiner Flassbeck aus dem Jahr 2007 ↩︎
  4. Beginners All-purpose Symbolic Instruction Code – Wikipedia-Artikel ↩︎
  5. Information at your fingertips – Quotefance.com ↩︎
  6. Bildschirmtext – Wikipedia-Artkel ↩︎
  7. Search Engine Optimierung – Wikipedia-Artikel ↩︎
  8. World Wide Web – Wikipedia-Artikel ↩︎
  9. iPhone 1 – Wikipedia-Artikel ↩︎
  10. Bis zu elf Millionen Arbeitsplätze: Kollege Computer könnte ein Drittel der Jobs übernehmen – Handelsblatt am 13.07.2021 ↩︎
  11. Beschäftigte fürchten Jobverlust durch künstliche Intelligenz – Spiegel am 07.06.2023 ↩︎
  12. ChatGPT gefährdet viele Berufe: Diese Jobs werden sich völlig verändern – Chp am 19.072.2023 ↩︎
  13. Japans Pflegebranche hofft auf Entlastung durch Roboter – nun hilft die KI – Handelsblatt am 30.11.2022 ↩︎
  14. Turing-Test – Wikipedia-Artikel ↩︎
  15. The Essential Drucker – Info auf Goodreads ↩︎
  16. There is no such thing as a free lunch – Wikipedia-Artikel ↩︎
  17. Alexa, Siri und Co: Digitale Assistenten sind bislang ein einziger großer Reinfall – Standard.at vom 6. Januar 2023 ↩︎
  18. “KI ist keine magische Box, die alle Probleme löst” – Jürgen Geuter über Technik-Religion und KI-Inzest. ↩︎
  19. Robots Exclusion Standard – Wikipedia-Artikel ↩︎
  20. Erfindung des Telefons – Wikipedia-Artikel ↩︎
  21. Tumblr and WordPress posts will reportedly be used for OpenAI and Midjourney training – Engadget am 27.02.2024 ↩︎
  22. Deal mit OpenAI: Mehrere zehn Millionen für Axel Springer – Heise Newsticker vom 20.12.2023 ↩︎
  23. 4 shocking AI bias examples – Artikel bei Prolific vom 24.10.2023 ↩︎
  24. What is AI Model Collapse? Everything You Need to Know – aicontentexpert vom 14.01.2024 ↩︎
  25. One-Hit-Wonder – Wikipedia-Artikel ↩︎
  26. Non-Fungible Token – Wikipedia-Artikel ↩︎
  27. Beipsiel für einen NFT-Generator – starryai.com ↩︎
  28. Tulpenmanie – Wikipedia-Artikel ↩︎
  29. Audio-Codec Opus erhält Update mit künstlicher Intelligenz – Heise Newsticker vom 06.03.2024 ↩︎
  30. GitHub Copilot ↩︎
  31. 10 Top Extensions for Visual Studio Code – visualstudiomagazine.com ↩︎
  32. Fefes Blog ↩︎
  33. GAG263: Lavoisier und die Entdeckung des Sauerstoffs – Geschichten aus der Geschichte Podcast Folge 263 ↩︎
  34. Copilot can’t stop emitting violent, sexual images, says Microsoft whistleblower – The Register vom 06.03.2024 ↩︎
  35. Blinkist-Webseite ↩︎
  36. AfD-Verbot ↩︎
  37. Autonomes Fahren auf Level 5 ist nicht möglich – automotiveit.eu ↩︎

Ein Gedanke zu „Der AI-Goldrausch

  1. Ein interessanter Artikel der viele Ansätze zum gründlich darüber nachdenken enthält. Und der auch einige Ängste nehmen kann, mir jedenfalls.

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