Staatlich legitimierte Abzocke

Ich habe die Entwicklung des WWW live miterlebt und als jemand, der seine eigene Homepage hat kennt man die Abzocker die einem eine Rechnung für „Eintrag ins Webverzeichnis“ schicken und hoffen, dass das so beeindruckend aussieht, dass man den geringen Betrag erst mal überweist, denn wenn eine „offizielle Stelle“ wie ein Webverzeichnis so eine Rechnung schickt wird das schon seine Richtigkeit haben.

Nun habe ich wieder so eine Rechnung bekommen, d.h. nicht ich, sondern der Sportverein dessen Vorstand ich bin.

Die Rechnung

Ich war nämlich neulich im Vereinsheim um mal die eingegangene Post zu sichten. Und siehe da, da kommt doch eine Rechnung vom Bundesanzeiger-Verlag, sieht sehr „offiziell“ aus und sie wollen Jahresgebühren für die Führung des Transparenzregisters. WTF?!

In einem ersten Impuls ordne ich diese Rechnung der Kategorie „Betrugsversuch mit der üblichen Masche“ zu. Aber natürlich werfe ich auch eine Suchmaschine an und siehe da , es scheint tatsächlich seit einigen Jahren einen Paragraph 24 im Geldwäschegesetz zu geben nach dem alle jurisitischen Personen des Privatrechts, eingetragene Personengesellschaften, Trusts und sonstige Rechtsgestaltungen geführt sind. Und alle müssen eine Jahresgebühr zahlen, die Rechnung gilt rückwirkend für die Zeit seit Mitte 2017 als die Transparenzregistergebührenverordnung in Kraft trat. Ein Wortkonstrukt wie es nur der deutschen Bürokratie einfallen kann.

Wir haben ein Transparenzregister???

Eigentlich sollten das ja gute Nachrichten sein. Ich habe heute morgen auch schon mit der Hotline des Bundesanzeiger-Verlages gesprochen, denn natürlich würde ich gerne wissen, ob ich da auch die aktuell auffallenden Bundestagsabgeordneten die gerade unter Korruptionsverdacht stehen finden würde. Nein, natürlich nicht, denn das sind natürliche Personen und keine „juristischen Personen“. Ach ja?

Die nächste Frage war, wie sich denn die Gebühren aufschlüsseln, also genauer gefragt, was tut der Bundesanzeiger-Verlag um diese Gebühren zu kassieren? Immerhin wollen sie Gebühren für die letzen 4 Jahre und ich hatte Null Interaktion mit denen bisher, also welche Leistungen erbringen sie? Die Antwort besteht, na wer hätte es erwartet, in einem Hinweis auf die Transparenzregistergebührenverordnung. Aha.

Wie kam es zu dem Transparenzregister

Also heißt das, dass jeder der 600.000 eingetragenen Vereine in Deutschland nun eine Rechnung bekommt, ebenso alle anderen oben aufgeführten Gesellschaften. Da läppert sich schon was zusammen. Arne Semsrott hat über Frag den Staat dann mal die Ausschreibungsunterlagen für die Führung des Transparenzregisters angerfordert, denn solche Projekte müssten ja eigentlich ausgeschrieben werden. Tja, so weit zur Theroie, in der Praxis hat der Bundesanzeiger Verlag diesen Job einfach ohne Ausschreibung bekommen.

Öffentliche Einsicht

Immerhin erlaubt das Geldwäschegesetz die öffentliche Einsicht. Also, dann mal ran an den Datentopf und gucken, was für unseren Verein dort hinterlegt ist. Dazu muss man sich erst mal auf der Webseite des Transparenzregisters registrieren. Also mit allen persönlichen Daten, eine anonyme Suche wie bei z.B. Google ist nicht möglich. Nach der Registrierung suche ich meinen Verein und werde fündig. Nun kann ich ein „Einsicht-Ersuchen“ stellen, also nix mit „draufklicken und sehen“.

Mache ich. Als nächstes muss ich mich eindeutig identifizeren, also ePerso raus, Kartenleser an den PC angesteckt, AusweisApp gestartet und gespannt auf weiter geklickt. Ok, den Ausweisleser kann ich gleich wieder in die Schublade stecken, denn hier brauche ich nun eine App auf dem Smartphone die mit meinem ePerso sprcht. Und natürlich ein NFC-fähiges Smartphone, sonst wird das ja nix. Habe ich zum Glück.

Nachdem auch diese Hürde gemeistert wurde heißt es erst mal abwarten. Nur einen Tag später kommt dann eine Mail, dass ich jetzt Einsicht nehmen darf. Super, gleich mal gucken. Auf der Webseite deren Benutzerführung absolut unterirdisch ist und die wohl von einem Bürokraten entworfen wurde finde ich meinen Antrag auf Einsicht und kann da auch auf „Einsicht nehemn“ klicken. Passiert aber nix. Also klicken wir nochmal. Ah, jetzt kommt die Meldung, dass ich Dokumente die ich schon ein den „Dokumentenkorb“ gelegt habe nicht nochmal da rein legen kann. Ach? Ich habe einen Dokumentenkorb? Mal hochscrollen, ja tatsächlich da gibt es was. Arghh. Also klicken wir da drauf.

Jetzt darf ich zur Kasse. Ja, genau, um die Einsicht zu nehmen muss ich natürlich wieder Geld bezahlen, 1,96€ um genau zu sein. Ok, das ist wohl der Preis der Neugierde, denn natürlich will ich wissen, was da so gespeichert ist.

Also bezahlen wir mal. Mit Kreditkarte bitte, ich geb denen doch nicht meine Bankverbindung damit sie da was abbuchen können. Der erste Anlauf mit der Kreditkarte scheitert an dem Umstand, dass mein Nachname einen deutschen Umlaut enthält und der Kreditkartendialog im Jahr 2021 auf solche nationalen Eigenheiten nicht vorbereitet ist. Ich frage mich nur wie andere Firmen wo ich mit Kreditkarte im Internet einkaufe das machen.

Egal, endlich bezahlt und schwupps bin ich wieder bei der Login-Seite des Transparenzregisters. Also nochmal Login und suchen wo ich jetzt meine Dokumente finde.

Dann lade ich mir die PDF runter, was genau einmal geht, also hebt die gut auf, die ist teuer. Und ich schaue in die PDF. Und erblasse ob der gigantischen Menge an Daten die mir entgegen springt:

Das Ergebnis meiner Einsichtnahme

Das ist deutlich weniger als eine Auszug aus dem Vereinsregister. Letzterer würde nämlich die Namen der vertretungsberechtigten Vorstände enthalten. Aber womöglich hat man das explizit nicht im Transparenzregister drin, denn sonst könnte ich ja via Auskunftersuchen nach DSGVO auf einer kostenlosen Auskunft über die Daten welche für meine Person gespeichert sind bestehen.

Und jetzt?

An der Stelle frage ich mich ernsthaft, wo denn nun der Unterschied zwischen diesem Papiertiger und dem „Webverzeichnis-Abzocker“ der Vergangenheit ist? Außer, dass in diesem Fall das Finanzministerium ein Gesetz eingebracht hat, welches diese Abzocke legitimiert. Und ja, solange ich hier nur sehe, dass Daten aus anderen Registern gespiegelt werden für deren „Registrierung“ sowieso schon Gebühren erhoben wurden und mir keiner den tatsächlichen Nutzwert dieser gemeinsamen Datenhalde vermitteln kann, solange muss ich das als „Abzocke“ werten.

Es ist schlicht nicht transparent, was mein Verein nun für diese jährliche Gebühr bekommt. Und die Angaben für die ich heute 1,96€ gezahlt habe stehen ebenso auf der Rechnung, d.h. die Einsichtnahme in das Transparenzregister hat keinerlei weiteren Informationen ergeben. Nur der Erkenntnisgewinn ist da, dass hier ein privatwirtschaftliches Unternehmen vom Finanzministerium eine „Gelddruckmaschine“ erhalten hat. Die dann nach 4 Jahren Rechnungen schickt. Also einer Zeitspanne in der Fristen während der man sich als Betroffener gegen neue Gesetze wehren könnte längst vorbei sind.

Gute Nachricht am Schluss

Die Rechnung enthält allerdings auch einen guten Hinweis. Als Verein mit einem steuerbegünstigten Zweck (aka „gemeinnütziger“) Verein kann ich eine Gebührenbefreiung beantragen, natürlich nicht rückwirkend, die gerade eingegangene Rechnung muss ich wohl bezahlen. Aber zumindest für die nächsten Jahre kann ich mich dann mit bürokratischem Aufwand von der Gebührenpflicht befreien.

Trotz allem bleibt bei mir ein „das kann doch nicht wirklich wahr sein, oder“-Gefühl zurück. Und mein heutiges Level an Politikverdrossenheit ist wieder mal gewaltig gestiegen.

Ein Gedanke zu „Staatlich legitimierte Abzocke

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