Machtgeile Politik

Heute morgen bin ich über diesen Artikel bei der Tagesschau gestolpert. Schlagzeile „FDP geht erneut auf Distanz zur Ampel“ und was ich da lesen musste ist für mich als Demokraten sehr bedenklich. Der FDP-Generalsekretär positioniert sich gegen die Koaltionspartner und liebäugelt mit einer Koalition zusammen mit CDU/CSU.

Da Herr Djir-Sarai nicht irgend ein FDP-Hinterbänkler ist sondern deren Generalsekretär sollte man doch mal sehr genau schauen, was er da von sich gibt. Erster Kritikpunkt ist sein Interview-Partner, das hat er nämlich der „Bild am Sonntag“ erzählt und sorry, Springer-Presse ist kein seriöser Gesprächspartner.

Bezeichnend ist auch wieder, dass die erste Speerspitze gegen Robert Habeck geht. Zitat: Deutschland brauche einen Wirtschaftsminister, der in der Lage sei „die Dinge so zu sehen, wie sie sind. Und anschließend in der Lage ist, die richtigen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen“.

Nun, immer wenn ich Auftritte von Robert Habeck sehe, dann habe ich das gute Gefühl, dass dieser Mensch tatsächlich in der Lage ist, Dinge aus unterschiedlichsten Blickwinkeln zu sehen und auch die Sichtweise des politischen Gegners in seine Bewertung einzubeziehen, ein Talent das dem FDP-Generalsekretär offensichtlich fehlt.

Diagram by Michelle Ress Quelle: https://www.flickr.com/photos/safoocat/50868247686

Das obige Schaubild visualisert das nochmal sehr schön. Um also Dinge „so zu sehen wie sie sind“ muss man schon mal aus unterschiedlichen Blickwinkeln drauf schauen.

Das nächstes Zitat lässt mich dann doch etwas fassungslos zurück: In gemeinsamen Sitzungen mit Vertretern von CDU und CSU „müsste ich nicht jedes Mal die Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft erklären“, so Djir-Sarai. 

Wie es um die Sozialkompetenz der FDP bestellt ist haben wir in den letzten Wochen ausführlich beobachten können. Kaum hatte das Bundesverfassungsgericht den Haushalt beanstandet kam von der FDP sofort der Vorschlag, den Rotstift bei den Sozialausgaben anzusetzen, denn hey, das ist im neoliberalen Denkschema ja nur ein „Cost Center“ und kein „Profit Center“, und wenn wir Kosten senken müssen, dann natürlich bei den Dingen in der Schublade „Costs Center“.

Und auch beim Thema „Marktwirtschaft“ scheint mir die FDP nicht unbedingt auf der Höhe der Zeit zu sein. So wird vehement an der Schuldenbremse festgehalten, man verhindert massiv staatliche Investitionen und jammert dann aber, dass die Konjunktur nicht anspringt weil eben alle ihre Geldbeutel geschlossen halten. Dabei ist es eigentlich logisch, dass wenn die privaten Akteuere Zurückhaltung zeigen dann der Staat antizyklisch Investitionsimpulse setzen müsste um die Konjunktur anzukurbeln. Aber hey, was weiß ich schon, ich bin ja Ingenieur und musste mich nur durch 2 Semester Betriebswirtschaftslehre quälen.

Das nächste Zitat ist als Kritik an der Klimapolitik geframed: „Wer ökologische Transformation will, wer funktionierende soziale Sicherungssysteme will wie unsere Koalitionspartner, der muss sich darüber im Klaren sein, dass wir dafür als Voraussetzung den wirtschaftlichen Erfolg dieses Landes brauchen“

Das passt natürlich wie die Faust aufs Auge wenn man an die Meldung denkt, dass diese Woche Deutschland zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen ist und damit Japan auf Platz 4 verdrängt hat. Wie bitte passt das zu dem Gejammer, dass es unserer Wirtschaft schlecht geht? Klar, wie haben überall Fachkräftemangel und hier versagen sämtliche Parteien indem sie weiterhin auf eine Migrationsbegrenzung setzen statt die Migration als Chance zu begreifen. Wo sollen denn sonst die Fachkräfte in einer kontinuierlich älter werdenden Gesellschaft herkommen? Den AfD-Vorschlag, das eine patriotische deutsche Frau gefälligst ausreichend Kinder zu produzieren hat, also quasi „Ficken für Fachkräfte“ können wir getrost ad acta legen, denn natürlich ist so ein Vorschlag absolut indiskutabel. Und natürlich kann ich auch alle ausländischen Fachkräfte verstehen die nicht in Deutschland arbeiten wollen, weil sie hier wegen ihrer Hautfarbe oder Religion diskrimniert werden. Ja, die AfD wirkt auch hier, allerdings nicht im Guten sondern in der Verschlechterung der Situation für uns alle. Was nach AfD-Logik ja der AfD wieder zu mehr Popularität verhilft.

Und dann kritisiert Djir-Sarai wieder die Koalitionspartner: Er denke, „dass eine schwarz-gelbe Koalition nach der nächsten Bundestagswahl unser Land wirtschaftlich besser wieder auf Kurs bringen könnte“. Auch eine Deutschland-Koalition hielte er für denkbar.

Nun, wären demnächst Neuwahlen könnte die FDP sich glücklich schätzen, wenn sie nicht an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert. Und was er hier anklingen lässt kommt mir doch irgendwie bekannt vor. Wer so alt ist wie ich erinnert sich vielleicht noch an das Ende der Regierungszeit von Bundeskanzler Helmut Schmidt. Der wurde im Oktober 1982 mit einem konstruktiven Misstrauensvotum zu Fall gebracht, nachdem der damalige Koalitionspartner FDP die Koaltion faktisch aufgekündigt hatte. An dieser Stelle muss man sich dann schon fragen, ob die FDP wieder einen Putsch gegen den Kanzler vorbereitet. Nicht, dass ich mit der Leistung von Olaf Scholz besonders zufrieden wäre, aber die Situation wird duch einen querschießenden Junior-Partner in der Koalition nicht besser.

Dann meldet sich auch noch der parlamentarische Geschäftsführer Johannes Vorgel zu Wort: „Wir wollen (…) mit unserer Wirtschaft darüber reden, was zu tun ist, um das Ruder ausreichend weit herumzureißen“.

Welch schöne farbige Metapher vom „Ruder herumreißen“. Als Ingenieur kann ich dazu nur sagen, dass diese Metapher Unsinn ist. Wenn wir es im Kontext der Seefahrt betrachten, dann manövrieren wir gerade den drittgrößten Supertanker über die Weltmeere. Da ist nix mit „Ruder rumreißen“, denn die Massenträgheit des Schiffest wird die Kurskorrektur nur sehr langsam umsetzen. Und auch im Kontext der Luftfahrt ist „Ruder herumreißen“ eher schädlich. So ist am 12. November 2001 der Flug 587 von American Airlines kurz nach dem Start in JFK abgestürzt und hat 260 Menschen in den Tod gerissen, weil der Pilot zu starke Steuerimpulse auf das Ruder gegeben hat und dieses in Folge der Überanspruchung abgerissen ist. Damit sehen wir eigentlich ganz schön, dass wer immer in der Verantwortung ist nicht hektisch auf kurzfristige Turbulenzen reagieren sollte, denn das könnte die Situation auch „verschlimmbessern“. Wesentlich sinnvolle wäre es aus meiner bescheidenen Sicht, planvoll vorzugehen und Turbulenzen nach Möglichkeit zu vermeiden.

Was nach dem Lesen des Tagesschau-Artikels bleibt ist zumindest bei mir ein sehr ungutes Bauchgefühl was unsere Regierung angeht. Nicht genug, dass die Springer-Medien und die Opposition eine Kampagne gegen Robert Habeck fahren, nun springt auch noch der eigene Koalitonspartner auf und haut in die selbe Kerbe. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, die haben alle riesige Angst vor Robert Habeck, weil dieser tatsächlich bemüht ist, seinen Job so gut wie möglich zu machen. Wenn ich dann noch die aktuellen Entwicklungen zu unserem Nazi-Problem anschaue und lesen muss, dass NATO-Generäle damit rechnen, dass wir binnen 5 Jahren im Krieg gegen Russland stehen, dann wünsche ich mir eine Regierung aus Problemlösern wie Habeck und nicht aus machtgeilen Typen wie Lindner und seine FDP.

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