Das Internet – unendliche Weiten

Wir schreiben das Jahr 2013. Dies sind die Abenteuer der Bundeskanzlerin, das mit Ihren 15 Ministerinnen und Ministern 4 Jahre lang unterwegs ist, um Neuland zu erforschen, das Volk zu veräppeln  und neue neoliberale Gesetze zu verabschieden. Viele Lichtjahre der Realität entfernt, dringt die Bundesregierung in geistige Abgründe vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.

Tja, heute hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel ein Meme eingefangen. Hat sie doch unvorsichtigerweise beim Treffen mit US-Präsident Obama die Meldung fallen lassen, „das Internet ist für uns alle Neuland„. Das hat natürlich gleich zu einem Twitter-Sturm mit dem Hashtag #Neuland geführt. Regierungssprecher Steffen Seibert hatte dann auch die undankbare Aufgabe, der Bemerkung der Kanzlerin auf Twitter einen tieferen Sinn zu verleihen:

„Zur Neuland-Diskussion: Worum es der Kanzlerin geht – Das Internet ist rechtspolitisches Neuland, das spüren wir im polit. Handeln täglich.“
— Steffen Seibert – 

Nach gefühlten 10 Jahren des ständigen Wiederholens von „Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein“ und des von allen Innenministern seit der Erfindung des Internet vorgetragenen Wunsches nach Vorratsdatenspeicherung und Totalüberwachung ist das eine ziemlich schwache Ausrede, die der Regierungssprecher da twittert. Entsprechend gab es auch das Echo, wovon ich hier einen Tweet zitieren will.

“ @RegSprecher Aber das pro Tag tausend Abmahnungen wegen Internet-Inhalten rausgehen, das habt ihr schon bemerkt? Nein? Schlafmützen!“
— mikemacapple (@mikemacapple) June 19, 2013

Mit ihrer Äußerung erfüllt die Kanzlerin allerdings genau das Klischee, das die Netzgemeinde bereits seit Jahren vermutet hat:

„Dass Netz kocht über, weil -Sprüche exakt das sind, was wir erwartet und befürchtet haben.“
— Mela Eckenfels – 

Tatsächlich kann ich die Angst und Unsicherheit der Politik vor dem Internet allerdings sehr gut nachvollziehen. Denn immerhin bietet das Medium Internet nun sozusagen jedem Bürger die Plattform, sein in Artikel 5 GG verbrieftes Recht auf freie Meinungsäußerung auch anzuwenden. Damit ist die Meinungsbildung nicht mehr auf ein paar wenige und möglicherweise leicht zu kontrollierende Presseorgane beschränkt, sondern jeder kann öffentlich machen, welche Sorgen und Gedanken ihn bewegen.

Jetzt blicken wir mal schlappe 496 Jahre zurück als im Oktober 1517 ein Priester namens Martin Luther sich erdreistet, seine 95 Thesen an das Kirchenportal in Wittenberg zu schlagen. Was danach passierte kann man in jedem Geschichtsbuch nachlesen. Und jetzt bedenken wir mal den damaligen Alphabetisierungsgrad der Bevölkerung – kaum einer aus dem „Volk“ konnte lesen und noch weniger sahen womöglich die Thesen. Trotzdem führte dieser Akt der Meinungsäußerung zur Aufspaltung der Kirche.

Heute im Internet können theoretisch Milliarden von Menschen das lesen, was andere Menschen schreiben. Noch schlimmer, das Internet vergisst nichts und da es global ist habe ich heute die Möglichkeit, statt mich von Auslandskorrespondenten informieren zu lassen einfach die Leute selbst zu fragen, was in ihrem Land los ist. So sehen wir heute die schrecklichen Bilder aus der Türkei und wir sehen auch, wie Länder wie Brasilien zum Beispiel mit Bürgern umgehen, die für ihre Meinungsäußerung auf die Straße gehen. Das Schema der Regierungen auf diese geballten Meinungsäußerungen zu reagieren scheint überall gleich zu sein: Schlagstock und Reizgas.

Und genau hiervor hat die Politik eine Heidenangst. Bislang waren die dank sozialer Netze bestens koordinierten Proteste noch weit weg, aber die Einschläge kommen immer näher. Vielleicht hat die Regierung ja auch Angst vor dem Abwählen, so wie es Lars Fischer in seinem Tweet heute beschreibt:

„Dieses Abwählen ist ja auch Neuland für uns. Normalerweise werden Herrscher geköpft, wenn wir keinen Bock mehr auf sie haben, n’est-ce pas?“
— Lars Fischer – 

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