Links für 2011-08-12

Wieder gibt es ein paar Links auf interessante und lesenswerte Artikel im Netz:

Links für 2011-08-05

Schon wieder haben sich einige lesenswerte Links angesammelt:

Die schiefe Bildungspolitik

Heute wurden wieder die Ergebnisse der letzten PISA-Studie veröffentlicht und Deutschland hat ein wenig zugelegt. Irgend eine Online-Ausgabe einer Zeitung meinte dann auch, ob man sich noch an die Zeit vor PISA erinnern kann, wie es da in der Schule war. Ja, ich kann auch wenn meine Schulzeit schon einige Jahrzehnte zurück liegt. Und wenn ich sehe was heute mit meinen Kindern in der Grundschule passiert, dann fallen mir folgende Unterschiede auf.

Beispiel Unterrichtsmaterialien: Damals wurden die Vorlagen für die Unterrichtsmaterialen auf Matrizen geschrieben und dann vom Lehrer durch einen Matrizendrucker genudelt. Das war eine Menge Arbeit für den Lehrer, besonders wenn der Matrizendrucker mit Handkurbel zu betreiben war und die Unterlagen rochen immer nett nach Spiritus. Und bezahlen musste keiner deswegen einen Pfennig. Heute hat die moderne Fotokopiertechnik Einzug in die Schulen gehalten und das Kopieren geht vergleichsweise einfach. Natürlich gibt es heute die Kopien nicht mehr umsonst sondern die Eltern dürfen alle paar Monate 5 Euro „Kopiergeld“ bezahlen. Nicht, dass mir diese 5 Euro finanziell weh tun, aber sie torpedieren das Prinzip „Lehrmittelfreiheit“.

Beispiel Hausaufgaben: Damals konnte man durchaus mal einen Schulkameraden besuchen und fragen, wie man die Hausaufgaben macht oder nochmals nachfragen, ob man alle Hausaufgaben richtig aufgeschrieben hatte. Heute wird den Kindern in der 4. Klasse eingetrichtert, dass sie ihren Mitschülern keine Auskunft geben sollen und keine Hinweise wenn diese anrufen und Fragen zu den Hausaufgaben stellen. Fällt das jetzt in die Erziehung zur Selbständigkeit oder ist das die Vorstufe zum gnadenlosen Konkurrenzkampf bei dem jeder sich selbst der Nächste ist? Falls es im Kultusministerium noch nicht bekannt ist: Im Berufsleben wird von den jungenMenschen dann „Teamfähigkeit“ verlangt die man mit solchen Maßnahmen natürlich lernt.

Beispiel Proben: Damals wurde in den Proben und Schulaufgaben noch getestet, ob der Schüler den Lehrstoff verstanden hat und fähig war diesen sinngemäß wiederzugeben. Heute vermitteln mir die korrigierten Proben meiner Tochter eher, dass man entweder Multiple-Choice-Fragebögen hat oder Punktabzug bekommt, wenn die eigene Formulierung nicht 100% so ist wie es im Schulbuch oder Schulheft steht. Damit produziert unser Schulsystem aber keine Menschen mit Verstand sondern Auswendiglern-Roboter.

Beispiel Sozialverhalten: Damals waren die Lehrer noch in der Lage eine große Bandbreite von Kindern mit unterschiedlichem Verhalten zu betreuen und hatten auch keine Probleme mit auffälligen Kindern. Heute könnte man den Eindruck haben, dass in den Schulen nur noch „normgerechte“ Kinder durchgeschleust werden können und wer nicht ins Raster der tolerierten Verhaltensmuster passt den will man mit Ritalin ruhigstellen.

Soweit so schlecht. Natürlich ist mir klar, dass es verkehrt wäre, die Lehrer oder das Schulsystem alleinig die Schuld an der aktuellen Bildungsmisere zuschieben zu wollen. Sehen wir uns doch mal die veränderten Bedingungen in der Bundesrepublik an: Damals hatte man noch das „Wirtschaftswunder“, die Familien kamen mit einem Verdiener ganz gut über die Runden und das Schlimmste was im sozialen Umfeld passieren konnte war, dass eine Schülerin schwanger wurde oder Drogen nahm. Jugendkriminalität war eher gering und Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund war eher gering. Heute haben viele Familien Probleme nicht unter die Armutsgrenze abzurutschen und statt Kinderbetreuung gibts den Schlüssel umgehängt und das Kind ist sich selbst überlassen bis beide Elternteile von der Arbeit kommen. Jugendkriminalität ist in vielen Stadtteilen nicht mehr zu ignorieren und ein hoher Migrantenanteil bei den Kindern macht es für die Schulen nicht einfacher.

Die Politik reagiert auf diese veränderten Bedingungen heute aber leider nur mit PISA-Tests und dem „Rumschrauben“ an diversen vermeintlichen Stellschrauben um das Bildungssystem zu verbessern ohne aber die Randbedingungen für die Kinder tatsächlich zu verbessern. Und manch verbesserter Lehrplan erzeugt bei mir nur fassungsloses Kopfschütteln wenn ich sehe, mit welchen Dingen sich meine Kinder abquälen müssen und Dinge lernen müssen, die sie bei ihrem Bildungsstand nur mehr verwirren als ihnen tatsächlich ein „Aha-Erlebnis“ zu geben.

Der Geier sitzt auf der Laterne

Ich geh mit meiner Laterne, und meine Laterne mit mir.
Dort oben leuchten die Sterne, hier unten die GEMA vor Gier.

So sollte der Alternative Liedtext lauten den die Kinder bei den nun stattfindenden Martinsumzügen singen sollten. Heute hat mir jedenfalls der AZ-Artikel „Laterne, Laterne kostet jetzt GEMA-Gebühr“ das Frühstück sozusagen im Halse stecken lassen. Obwohl ich das Thema ja bereits aus anderen Quellen kannte.

Erstmals gibt es aber eine Information über die Preise, die die Kindergärten zahlen sollen. Bis zu 500 Kopien kosten 56 Euro. Oder anders ausgedrückt: Bei diesen Tarifen würde ein Pack Kopierpapier mit 500 Blatt (auf die man ja bei beidseitigen Kopien 1000 Kopien machen kann) dann ungefähr 115 Euro kosten, 3 Euro für das Papier und 112 Euro für die Urheberrechtsvergütung. Sozusagen ein Schnäppchen nachdem man ja schon für das Kopiergerät (egal ob Fotokopierer, PC, Drucker oder Scanner) seine Urheberrechtspauschale abgedrückt hat.

Wenn man im Web nach Kinderliedern sucht landet man unter anderem auch im Kinderlieder-Shop. Dort kann man sich die Noten und Texte des Liedes „Ich geh mit meiner Laterne“ problemlos als PDF runterladen. Allerdings steht auf den Seiten des Kinderlieder-Shops auch der Hinweis auf die Verwertungsgesellschaft Musikedition die hinter den Urheberrechtsgebühren für Liedkopien in Kindergärten steckt.

Die Webseite der VG-Musikedition ist dann auch sehr interessant. Das Thema „Kopiergebühr für Kindergärten“ erzünt wohl noch mehr Leute als nur mich und daher gibt es auf der Startseite gleich einen Link auf die Stellungnahme der VG Musikedition.

Das Geschütz welches die VG Musikedition auffährt um ihre Forderungen zu begründen ist §53 UrhG. Ein „absolutes Kopierverbot für Noten“ so wie es die VG Musikedition suggerieren will kann ich aber nicht sehen. Explizit heißt es unter Absatz 4 (auf den Musikteil gekürzt):

Die Vervielfältigung grafischer Aufzeichnungen von Werken der Musik,ist, soweit sie nicht durch Abschreiben vorgenommen wird, stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig oder unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2 oder zum eigenen Gebrauch, wenn es sich um ein seit mindestens zwei Jahren vergriffenes Werk handelt.

Das würde bedeuten, dass ich zwar nicht die oben verlinkte PDF fotokopieren darf weil es sich ja um das Werk des Musikverlages handelt, wohl aber selbst dieses Lied „abschreiben“ darf was ja auch durch die Gemeinfreiheit des Werkes an sich abgedeckt wäre.  Denn der Ursprung des beliebten Laternensong geht laut Liederlexikon weit in die Vergangenheit zurück und daher dürfen wir getrost annehmen, dass der dieses Lied im Status der Gemeinfreiheit steht.

Interessant ist auch, die Webseitenstruktur der VG Musikedition. Da erfährt man dann, dass Musikschulen pro Schüler 15 Euro pro Jahr bezahlen dürfen. Und für Kirchenchöre gibt man sich besonders viel Mühe und  verlinkt sogar eine PDF in der haarklein erklärt wird wie böse das Kopieren von Musiknoten doch ist.

In dieser PDF wird auch behauptet, dass ein „Abschreiben“ der Noten am PC, also z.B. das Setzen der Noten mit speziellen Notensatzprogrammen (ich selbst verwende hier gerne Lilypond) zwar erlaubt wäre, aber diese „Kopie“ dann auch nur ein einziges mal ausgedruckt werden dürfte und nicht 20 mal. Oder eben 20 mal ins Notensatz-Programm getippt werden müsste.

Da bin ich jetzt aber neugierig, denn im Falle des Laternensongs reden wir von einem gemeinfreien Werk. Das bedeutet für mich, dass ich zwar nicht das von einem Musikverlag gesetzte Notenblatt einfach fotokopieren darf, wohl aber das von mir selbst handschriftlich oder via Notensatzprogramm erstellte Notenblatt. Denn pardon me, dann müsste ja jeder Musikverlag der Klassiker veröffentlicht an irgendwen Urheberrechtsgebühren zahlen, tatsächlich ist so ein gemeinfreies Werk aber eine schöne Einnahmequelle da kein Urheber mehr vergütet werden muss und man an der „Verwertung“ verdient.

Es gibt im Web beispielsweise die Seiten des Gutenberg-Projektes von denen man die Klassiker der Weltliteratur als kostenlose und frei weitergebbare E-Books herunterladen kann. Sogar mein Cybook Opus E-Bookreader war bei der Auslieferung mit etlichen E-Books von dort gefüllt.

In Sachen Musik gibt es ein ähnliches Projekt namens Cantorion wo es freie Noten zum Runterladen gibt.  Eine weitere Sammlung von gemeinfreien Noten ist die Petrucci-Bibliothek.

Eine logische Konsequenz aus dieser Kindergarten-Abzocke wäre daher, in Kindergärten eben nur noch gemeinfreie Musik zu nutzen und sich an den entsprechenden kostenlosen Quellen zu bedienen.

Und so ganz nebenbei sollten wir auch nicht vergessen, dass bei den Martinsumzügen an einen Mann gedacht wird der sein Leben nicht der Gier sondern dem Teilen seiner Besitztümer mit anderen gewidmet hat. Aber solche sozialen Ideen haben in einer turbokapitalistischen Welt in der man sogar Kriege aus wirtschaftlichen Interessen heraus legitimieren will (jawohl Herr zu Guttenberg, sie sind später dran) keinen Platz mehr.

Bildung auf Chipkarte oder Gutschein

Vor einiger Zeit habe ich ja schon mal eine Umfrage gestartet die auch ein paar Antworten bekommen hat. Nun ist es an der Zeit, sich mal ein wenig tiefer mit den neuen Ideen der Frau von der Leyen auseinanderzusetzen.

Das angebliche Ziel ist, Kindern aus finanzschwachen Familien den Zugang zu Bildungsangeboten wie Musikunterricht oder Sportvereinen zu gewähren. Eine Stigmatisierung der Kinder soll nicht stattfinden, was schwer vorstellbar ist, wenn nur die Kinder aus finanzschwachen Familien diese Chipkarten oder Gutscheine erhalten. Zahlungen an die Eltern werden explizit mit dem Argument ausgeschlossen, dass die Eltern das Geld ja dann doch für andere Dinge (z.B. Alkohol und Zigaretten) nutzen würden. Also genau so wie man sich dank „scripted reality“ ein Hartz-IV-Familie vorzustellen hat.

Fangen wir mal auf der einfachen Seite an: Gutscheine oder Chipkarten sind aktuell keine anerkannten Zahlungsmittel. Die Musiklehrer oder Sportvereine müssen also irgendwie an ihr Geld kommen, im Falle von Gutscheinen also eine Abrechnung mit einem Dienstleister, im Falle von Chipkarten kommt zur Abrechnung auch noch die dazu notwendige Infrastruktur hinzu um die Chipkarte überhaupt lesen zu können. Als Vorstand eines Sportvereins wage ich hier starke Zweifel anzumelden, dass sich irgendwer tatsächlich die dafür notwendigen Gerätschaften anschafft oder gewillt ist, bei der Beitragsabrechnung den Sonderfall „Gutschein“ zu berücksichtigen. In meinem Verein könnte ich mir eher vorstellen, Kinder und Jugendliche einfach beitragsfrei zu stellen statt hier einen teuren Rummel zu veranstalten.

Anders wohl die Musiklehrer. Die Klavierlehrerin meiner Tochter kostet 60 Euro im Monat und darauf wird sie nicht verzichten. Und sie wird auch keine Lust haben, umständliche Abrechnungsverfahren zu machen oder gar in ihr Musikzimmer einen PC mit allem drum und dran zu stellen damit sie die Chipkarten abrechnen kann.

Der nächste Knackpunkt beim Thema Musiklehrer dürfte in den Kosten liegen. Mit den 60 Euro im Monat für den Klavierunterricht ist es ja nicht getan, das Notenmaterial muss getrennt beschafft und bezahlt werden und für einen erfolgreichen Unterricht braucht es daheim auch ein geeignetes Musikinstrument zum Üben. Das kostet aber je nach Instrument ziemlich heftig, ein Klavier dürfte vom Hartz-IV-Satz nicht bezahlbar sein. Begabte Kinder haben also keine Chance oder dürfen dann eben nur Blockflöte spielen, denn da gibt es das günstigste Instrument ja schon für unter 20 Euro?

Das eigentliche Problem mit Chipkarten und Gutscheinen haben wir aber noch gar nicht erwähnt. Wenn die Eltern des Kindes tatsächlich dem vorgeblichen Klischee entsprechen und ihr Geld lieber in Alkohol und Zigaretten investieren, dann hat das Kind trotz staatlicher Förderung durch Gutscheine oder Chipkarten ein ganz anderes Problem: Wie kommt es zum Sportverein oder Musikunterricht? Ich bin mehrere Stunden in der Woche unterwegs um meine Kinder zu diversen Freizeitaktivitäten zu fahren, aber die Klischee-Eltern die ihr Geld lieber versaufen werden das wohl kaum tun. Das Kind wäre also mit den finanziellen Möglichkeiten ausgestattet, kann sie aber nicht nutzen weil es als Kind weder einen Überblick hat welche Sportvereine es gibt oder welche Musiklehrer am Ort sind. Selbst hier in einer „besseren“ Gegend sehe ich täglich die selben Kinder auf dem Spielplatz und frage mich, ob die nicht auch gerne mal Sportverein oder Musikunterricht machen würden und das aber von ihren gut gestellten Eltern nicht gefördert wird. Illusorisch also zu glauben die miesen Klischee-Eltern würden dann ihren Hintern vom Sofa hochkriegen um für die Tochter eine Musikschule zu suchen.

Als Folge daraus werden, und das weiß die Arbeitsministerin ganz genau, dann eben nicht die zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft und damit kann man dann ganz toll begründen, dass man sich beim Bedarf verkalkuliert hat und diesen dann im nächsten Jahr rigoros zusammenstreichen kann. Im Rahmen der 5 Euro Erhöhung sagt Frau von der Leyen ja selbst:

Der Bedarf von Kindern ist eine absolute Blackbox für uns gewesen.

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen, die Frau die bis vor kurzem noch die Familienministerin war („ja denkt denn keiner an die Kinder“) hat keinerlei Ahnung vom tatsächlichen Bedarf der Kinder.

Und statt gesundem Menschenverstand bemüht dann der Politiker die Statistik. So jetzt eben auch bei der Berechnung des Regelsatzes, da kommt dann ein Posten von 2,66 Euro raus für die Praxisgebühr beim Arzt. Die beträgt aber eigentlich 10 Euro im Vierteljahr und nicht 8 Euro, der bescheuerte Wert kommt eben heraus, wenn die untersuchte Stichprobe ihr Budget nicht ausgeschöpft hat. Wer schon mal mit Erbsenzählern zu tun gehabt hat kennt das, vor Geschäftsjahresende verpulvert man dann lieber übriges Geld mehr oder weniger sinnlos als zu riskieren, dass im neuen Jahr das Budget gekürtz wird weil es vorher nicht ausgeschöpft wurde.

Mein persönliches Fazit des ganzen ist daher, dass man hier wohl nur wieder einen Papiertiger schaffen will der in der Chipkartenversion dann auch noch irgend einen Infrastrukturhersteller subventioniert. Die Kinder werden nicht viel davon haben, denn um Kindern tatsächlich zu helfen und ihre Begabungen zu fördern braucht es mehr als Geld. Es braucht Menschen, die auf die Kinder zugehen und ihnen helfen. Aber Menschen haben in dieser Republik ja schon längst nur noch einen untergeordneten Stellenwert.

Bildung auf Chipkarte?

Momentan wird der Vorschlag diskutiert Kindern aus finanzschwachen Familien den Zugang zu Freizeit- und Bildungsangeboten (Sportverein, Musikschule) mittels einer Chipkartenlösung zu ermöglichen. Bevor ich meinen eigenen Senf dazu hier schreibe erst mal eine kleine Umfrage:

[poll id=“3″]

Wenn die Schule wieder los geht werde ich nochmals was dazu schreiben, bis dahin bitte fleißig abstimmen.

Bürgernaher Amtsschimmel für örtliche Großvorhaben

So lustig wurde in den 80-ern der Begriff „BaFöG“ in einem Asterix Comic übersetzt. Heute ist der Amtsschimmel eher „finanzmarktsnah“. Wie anders kann erklärt werden, dass Bundestag und Bundesrat heute mal schnell 148 Milliarden Euro für die Rettung desselben bereitgestellt haben während eine im April angeleierte Erhöhung des BaFöG welche uns nicht mal 1 Prozent dieser Summe gekostet hätte heute im Bundesrat gestoppt wurde.

Hier sieht man sehr deutlich wo die Prioritäten im Land sind. Bildung ist unwichtig, Hauptsache wir retten den Kapitalismus jede Woche aus der nächsten brenzligen Lage.

Kampagnenjournalismus?

Gestern abend tauchte ein Artikel der AZ in meinem Newsfeed auf der eigentlich nur unter der Kategorie „Kampagnenjournalismus“ abgeheftet werden kann. Heute sprang mich der Artikel dann von Seite 2 der Augsburger Allgemeinen an. Es geht um die Studiengebühren und die Aussage, dass diese für Studenten nicht abschreckend sind:

Doch all das scheint trotzdem niemanden von einem Studium abzuschrecken: 423 400 Abiturienten haben nach der neuen Hochschulstatistik des Statistischen Bundesamtes in diesem Jahr ein Studium begonnen, das waren drei Prozent mehr als noch im Vorjahr.

Na, das sind ja hervorragende Nachrichten. Am Anstieg eines statistischen Wertes erkennen wir sofort, dass Studiengebühren nicht abschreckend sind. Wenn man sich das ganze ohne die rosa Kampagnenbrille anguckt, fallen einem aber viele Dinge ein.

Wie hat sich im Beobachtungszeitraum die Zahl der Leute mit Hochschulreife entwickelt? Wenn wir hier z.B. 10% mehr Abiturienten hätten, dann wären 3% mehr die ein Studium anfangen eigentlich ein Rückgang.  Diese Frage wird dann sogar eigentlich bestätigt, wenn man ein paar Sätze weiter liest:

„Das liegt vor allem daran, dass immer mehr Menschen eine Studienberechtigung erwerben“, sagt Pia Brugger, Referatsleiterin beim Statistischen Bundesamt.

Also haben wir mehr Menschen mit Studienberechtigung, klar dass wenn der gleiche Prozentsatz wie bisher sich dann fürs Studieren entscheidet das dann einen Zuwachs auch bei den Studienanfängern bewirkt. Apropos Studienanfänger. Vielleicht sollte man auch mal ein wenig über den statistischen Tellerrand hinausgucken und feststellen, dass wir gerade eine gewaltige Wirtschaftskrise haben. Firmen sind froh um jeden den sie „freisetzen“ dürfen und im Herbst durfte man in der Zeitung mehrere Seiten mit Kleinanzeigen bewundern in denen junge Leute verzweifelt einen Ausbildungsplatz suchen. Wäre ich heute mit dem Abi fertig, dann würde ich natürlich mich auch erst mal in Richtung „Studium“ orientieren, sozusagen die „Warteschleife im Jobmarkt mit dem Nebeneffekt der höheren Qualifikation“. Denn auch für Abiturienten scheinen die Ausbildungsplätze in der Wirtschaft rar zu sein.

Was also liegt näher, als in ein Studium einzusteigen. Augen zu und durch. Irgendwie wird es schon gehen. Und wenn es nicht geht, dann muss man eben sehen was man dann macht. Alternativ könnte ich auch jubeln, dass immer mehr Menschen sich als „Selbständige Unternehmer und Existenzgründer“ sehen und ihr Glück im eigenen Geschäftsmodell suchen. Kunststück, wenn am Arbeitsmarkt sonst nix zu holen ist außer ALG II. Diese Euphorie relativiert sich aber sehr schnell, wenn man guckt, wieviele dieser Selbständigkeitsträume zerplatzen und die Menschen danach mit Insolvenz und einem großen Schuldenberg dastehen. Ja, sie haben es versucht, aber sind dann letztlich doch auf der Strecke geblieben.

Die Frage wäre doch, wieiviele Studenten auf der Strecke bleiben, weil die Studiengebühren ja auch irgendwie finanziert werden wollen und man gezwungen ist, nebenbei und damit kontraproduktiv für das Studium zu jobben um das Geld irgendwie aufzutreiben.

Aber klar, da behauptet man lieber dass die Studentenzahlen ja steigen, soo schlimm kann es also gar nicht sein. Ich wage das Gegenteil zu behaupten und bin froh, dass mein Studium schon 25 Jahre her ist. Damals war Bildung noch „ohne“ Studiengebühren und sonstige „Aufwandsentschädigungen“ (Kopiergeld, etc.) zu haben. Aber heute lügt man lieber mit Statistik um Mißstände schönzureden.

Herr, schmeiß Hirn vom Himmel

Heute gab es in der Print-Ausgabe der Augsburger Allgemeinen wieder einen Artikel zum Bildungstreik 2009. Besonders fröhlich stimmte dabei der letzte Absatz:

Richtig sauer über die Aktion sind allerdings Studenten der Wirtschaftswissenschaften, die vor dem großen Hörsaal stehen, weil ihre Vorlesung ausfällt. Zwar sollen Vorlesungen ab 15 Uhr in die Mensa verlegt werden. Ganz schlimm werde es aber am Freitag, wenn das Audimax den ganzen Tag für die Fakultät gebucht sei, sagen sie. Sollte der Hörsaal dann immer noch besetzt sein, werde man ihn notfalls zurückerobern.

Da haut es mich echt um. Liebe Studenten der Wirtschaftswissenschaften, habt ihr eigentlich schon bemerkt, dass aktuell in den besetzten Hörsälen der Universitäten Geschichte geschrieben wird? Dass das Anliegen, das die Demonstranten dort vertreten eigentlich auch in Eurem Interesse sein müsste? Könnt ihr mit dem Schwachsinn nicht bitteschön warten bis ihr in irgendwelchen Firmenleitungen und Banken als Schlipsträger hochoffziell Unsinn erzählen düft? Müsst ihr Euch tatsächlich schon während des Studiums so geben, dass alle gängigen Klisches vom BWL-Vollpfosten erfüllt sind?

Sorry für diese harten Vorwürfe. Aber in meinem Leben habe ich schon soviel Müll von den Wirtschaftseliten gelesen und erlebt, dass so eine Meldung quasi nur noch das Sahnehäubchen ist. Zugegben, es gibt auch Wirtschaftler die durchaus vernünftige Postitionen vertreten und wissen was sie tun, aber das ist nach meinen Beobachtungen eine erschreckende Minderheit. Und der Mehrheit dieser sogenannten Experten haben wir wohl auch unsere gegenwärtige Krise zu verdanken.